Gesundheitsreform: Stögers Gespür fürs Séparée

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Gesundheitsminister Alois Stöger schwor Länder und Sozialversicherungen auf eine Gesundheitsreform ein. Ausgerechnet das hätte dem scheuen Minister kaum jemand zugetraut.

Wien. Eigentlich dürfte er gar nicht mehr im Amt sein. Die medialen Zuschreibungen reichten von „Problembär der Regierung“ bis hin zur „glatten Fehlbesetzung“, nachdem er die Zuseher in einigen technokratischen Fernsehauftritten mehr verwirrt als informiert hatte. Seine Ablöse durch die Wiener Gesundheitslandesrätin Sonja Wehsely schien eine Frage der Zeit zu sein, damals, im Spätherbst 2010.

Zwei Jahre später ist Alois Stöger immer noch Gesundheitsminister – kein sonderlich charismatischer nach wie vor, der auf einer Bühne brillante Reden zu schwingen imstande wäre. Aber die zahlreichen Fremd- und Selbstzweifel hat er abgeschüttelt, mehr noch: Seit Dienstag zollen ihm nicht nur seine Regierungskollegen Respekt.

Denn Stöger (SPÖ) hat zustande gebracht, woran seine Vorgänger gescheitert waren: Eine Grundsatzeinigung für eine Gesundheitsreform. Die Verwalter der Spitäler, die Länder, und jene der Arztpraxen, die Sozialversicherungen, werden ihre Hoheitsgebiete zugunsten einer gemeinsamen Planung ein Stück weit aufgeben. Zum Wohle des Steuerzahlers und des Patienten, wie der Minister prophezeit.

Ob in der Praxis hält, was die Theorie verspricht, wird sich ab 2014 weisen, wenn die Reform wirksam wird. Aber allein der Umstand, dass Stöger einen Koalitionspartner, neun Bundesländer und zwei Dutzend Krankenkassen auf ein Konzept einzuschwören vermochte, spricht dann doch für ein gewisses Verhandlungsgeschick (wiewohl die Umstände natürlich begünstigend wirkten – auch der letzte Landeshauptmann hat irgendwann eingesehen, dass das System unleistbar geworden ist).

So ungeschickt sich Stöger bisweilen in der Öffentlichkeit präsentiert, wenn er sie einmal nicht scheut: Das politische Geschäft hinter verschlossenen Türen versteht er. Dazu braucht es Empathie, Ausdauer und gute Beamte. In Stögers Fall kommt noch Fachwissen dazu: Vor seiner Ministerzeit war er drei Jahre lang Obmann der oberösterreichischen Krankenkasse, die vom Rechnungshof stets als Vorzeigeschüler gewürdigt wurde.

Stöger hat die Kasse wenn schon nicht saniert, so doch zumindest in den schwarzen Zahlen gehalten. Werner Faymann wurde auf den gelernten Werkzeugmacher, der in der Metallergewerkschaft Karriere gemacht und ein Sozialstudium mit dem etwas eigenwilligen Titel Diplômé abgeschlossen hatte, aufmerksam. 2008 stieg Stöger vom Kulturstadtrat in Gallneukirchen zum Minister auf.

Stöger? Die Ärzte sind ratlos

Dass der 52-Jährige in diesem Amt nicht nur höflich bis unauffällig, sondern auch hart sein kann, wird neuerdings auch die Ärztekammer bestätigen. Kampagnen und Drohgebärden blieben ungehört, der Minister zog die Reform gegen ihren Willen durch. Mag sein, dass Streiks im Jänner die Folge sein werden – die Kammer will sich erst am Freitag dazu äußern, steht aber zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen ziemlich brüskiert da. Bei der Elektronischen Gesundheitsakte war es ähnlich gewesen.

Inklusive ELGA hat Stöger bisher 50 Regierungsvorlagen durch den Ministerrat und ins Parlament gebracht, damit ist er einer der Fleißigsten im Kabinett Faymann. Ob er eine zweite Amtsperiode anhängen wird, ließ er zuletzt offen: Zuerst müsse die SPÖ nächstes Jahr die Nationalratswahl gewinnen, sagte er zur „Presse“. Nach dieser Woche dürfte jedenfalls klar sein: Er wird es sich aussuchen können.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.12.2012)

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