Finanzskandal: Missachteten Politiker die Anzeigepflicht?

(c) Dapd (Kerstin Joensson)
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Politiker könnten die Aufdeckung des Skandals rechtswidrig verschleppt haben. Landeshauptfrau Burgstaller zeigt sich erschüttert und entschuldigt sich. Sie wolle alles tun, um den Finanzskandal aufzuklären.

Salzburg. Die vergangenen Tage haben Spuren hinterlassen, der emotionale Schutzpanzer, den sich Gabi Burgstaller in der Politik zugelegt hat, ist sehr dünn geworden. Im Landtag kämpfte die Landeshauptfrau am Mittwoch mit den Tränen, als sie erklärte: „Ich möchte mich bei der Salzburger Bevölkerung dafür entschuldigen, dass der Eindruck entstanden ist, dass wir die Stabilität des Landes zum Erschüttern gebracht haben.“ Sie wolle alles tun, um den Finanzskandal aufzuklären und den Schaden zu minimieren. „Sollte sich herausstellen, dass ich etwas politisch falsch gemacht oder falsch eingeschätzt habe, werde ich auch zurücktreten.“

Im Büro der Landeshauptfrau betonte man neuerlich, dass Burgstaller erst am 3. Dezember von der Affäre erfahren habe. Auch ihr Stellvertreter und Finanzreferent David Brenner will erst am 26. November über drohende Verluste von 340 Millionen Euro erfahren haben. An diesem Tag habe die 41-jährige Referatsleiterin Monika R. gegenüber ihren Vorgesetzten ein „Geständnis“ abgelegt, sagte Brenner. Der Anwalt der mittlerweile entlassenen Mitarbeiterin, Herbert Hübel, weist diese Darstellung zurück. „Meine Mandantin ist unschuldig“, sagt er.

Schlechte Informationspolitik

Vielmehr könnte es für David Brenner und Finanzhofrat Eduard Paulus eng werden, konstatieren Rechtsexperten auf Anfrage der „Presse“ und verweisen auf die Anzeigepflicht von Behörden, Paragraf 78 Strafprozessordnung: „Wird einer Behörde oder öffentlichen Dienststelle der Verdacht einer Straftat bekannt (...) so ist sie zur Anzeige (...) verpflichtet.“

Bleibt die Frage: Wann hätte die Behörde Verdacht schöpfen müssen? Am 17. Juli, als Brenner die Weisung erteilte, Monika R. die Vollmacht zu entziehen, ihr das Diensthandy abzunehmen und sie zu beurlauben?

Angesichts der vielen Ungereimtheiten darüber, wer wann was gewusst hat und wer wen nicht oder zu spät informiert hat, wird es für Brenner immer enger. „Er hat das Vertrauen seiner Regierungskollegen und des gesamten Landtags zutiefst enttäuscht“, erklärte ÖVP-Landeshauptmannstellvertreter Wilfried Haslauer staatstragend und zog als Beweis einen Aktenvermerk aus der Tasche, der erneut ein schlechtes Licht auf die Informationspolitik Brenners warf. Schon am 15. Oktober, zwei Wochen nachdem ein eigens von der Deutschen Bank abgeworbener neuer Mitarbeiter in der Finanzabteilung seine Tätigkeit aufgenommen hatte, wusste Brenner von einem zweiten, nicht offiziellen Portfolio des Landes, in dem sich 253 Derivativgeschäfte befanden. Das offizielle Portfolio enthielt einen Bruchteil: 50 Derivativgeschäfte. Dass Brenner nicht spätestens zu diesem Zeitpunkt den Koalitionspartner informiert hat, ist für die ÖVP ein massiver Vertrauensbruch. Oder war es Gesetzesbruch? Bestand der Verdacht auf eine Straftat? „Nein“, heißt es im Büro Brenner. Die damals entdeckten Geschäfte seien nicht für den großen Verlust verantwortlich. Von diesem habe man erst am 26. November erfahren.

Noch ist nicht klar, ob die Opposition am 16. Jänner mit der ÖVP für Neuwahlen stimmen wird. Es gehe darum, den Schaden zu minimieren. „Wir werden uns nicht verhalten wie der italienische Kapitän, der als Erster das sinkende Schiff verlassen hat“, sagte FP-Chef Karl Schnell.

Das Zutrauen, dass die Salzburger ihre Finanzen noch überblicken können, fehlt auch Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP). Sie will eine Troika aus Vertretern des Finanzministeriums, des Rechnungshofs und der Bundesfinanzierungsagentur an die Salzach schicken.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.12.2012)

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