Gabi Burgstaller: Zum Bleiben verdammt

Gabi Burgstaller Bleiben verdammt
Gabi Burgstaller Bleiben verdammt(c) Dapd (Kerstin Joensson)
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Landeshauptfrau Burgstaller steht in Salzburg nicht erst seit der Finanzaffäre in der Kritik. Ein Rücktritt scheint aber ausgeschlossen, ein geeigneter Nachfolger ist nicht in Sicht.

Wahlfreiheit ist immer ein Luxus, wenn beide Optionen ihren Reiz haben. Gabi Burgstaller hätte noch genügend Zeit zum Überlegen und Abwägen gehabt, ein Jahr zumindest, wahrscheinlich mehr. Soll sie 2014 erneut kandidieren? Oder doch die Politik, in der sie bekanntlich nicht in Pension gehen will, verlassen und rechtzeitig vor der Landtagswahl an ihren Stellvertreter David Brenner übergeben?

Die Entscheidung wurde Salzburgs Landeshauptfrau unsanft abgenommen. Finanzlandesrat Brenner kündigte am Freitag seinen Rücktritt an – eine Woche nachdem bekannt geworden war, dass das Land 340 Millionen Euro verspekuliert hat (unter Verdacht steht eine Beamtin der Finanzabteilung).


Entscheidung Anfang Februar. Die Landeshauptfrau könnte natürlich trotzdem gehen. Aber was dann? Wer sollte, wer könnte die Landespartei führen? Ein geeigneter Nachfolger ist nicht (mehr) in Sicht, Salzburgs Bürgermeister Heinz Schaden wäre eher kein Erneuerungssignal. Man würde ihr vorwerfen, ein sinkendes Schiff zu verlassen. Die Situation ist alternativ- und ausweglos: Burgstaller ist zum Bleiben verdammt. Sie selbst sagte am Samstag im ORF-Radio, sie werde Anfang Februar 2013 entscheiden, ob sie als Spitzenkandidatin in die Landtagswahl voraussichtlich im Mai gehen werde. Burgstaller ist derzeit eher dafür, „aber wenn es eine bessere Lösung für die SPÖ gibt, werde ich nicht im Weg stehen“.

Die Zeit für eine Neuaufstellung der Partei wäre dann jedoch äußerst knapp. In der Bundespartei hat man sich längst auf Neuwahlen eingestellt – mit Burgstaller. Ein Rücktritt steht nicht einmal zur Debatte, an ihrer der Integrität zweifelt nach außen hin niemand.

Erst recht nicht, seit sich der Koalitionspartner für einen baldigen Wahltermin ausgesprochen hat. „Die ÖVP glaubt offenbar, in Salzburg Erster werden zu können und tut so, als wäre sie nicht in der Regierung gewesen. Das bringt unsere Leute auf“, ärgert sich ein Genosse. In der Krise steht die SPÖ zusammen – und hinter Burgstaller.

Das ist bemerkenswert. Denn die Landeshauptfrau hat in Wien für gewöhnlich nicht viele Freunde. Ihre Schnellschüsse, mit Vorliebe gegen die Parteilinie gerichtet, sind berüchtigt. Sie hegt Sympathien für Studiengebühren und die Wehrpflicht, lehnt die Hacklerregelung ab und kritisiert schon einmal öffentlich die personalpolitischen Entscheidungen des Parteichefs (Stichwort Niko Pelinka im ORF).

Große Töne, kleine Taten. Beim Wähler kommt diese Offenheit gut an. Im Vergleich mit dem verstaubten Kadergehorsam vieler Kollegen ist Burgstallers querdenkerischer Umgang mit politischen Realitäten eine willkommene, weil erfrischende Abwechslung. Doch so visionär Österreichs einzige Landeshauptfrau manchmal erscheinen mag, so konventionell regiert sie in Salzburg.

Burgstaller hat das Land in acht Jahren nicht wesentlich verändert. Kritiker werfen ihr Pragmatismus vor: Sie hätte keine Idee, wie das Bundesland in zehn, 20 Jahren aussehen soll. Große Reformen sind nicht überliefert, von Einschnitten im Landesdienst abgesehen. Wahlversprechen warten seit Jahren auf ihre Umsetzung. Ihr Versuch, den Anspruch auf Kinderbetreuung gesetzlich zu verankern, scheiterte. Wirtschaftspolitische Ziele – Vollbeschäftigung, keine Neuverschuldung – wurden zu Opfern der Finanzkrise erklärt.

Die schlechte Presse häufte sich in den vergangenen Jahren. In der Affäre um Provisionen bei den Osterfestspielen machte die Landeshauptfrau in ihrer Kontrollfunktion nicht die beste Figur. Den streitbaren Schweizer Globalisierungskritiker Jean Ziegler hat sie 2011 als Eröffnungsredner für die Salzburger Festspiele gebucht, um ihn dann, nach heftiger Kritik von allen Seiten, wieder auszuladen. Nicht nur Ziegler war peinlich berührt. Als publik wurde, dass der SP-nahe Sportverband Askö Doppelförderungen bezogen hatte, glaubten die wenigsten an Zufall.

Dabei hatte alles vielversprechend begonnen. Burgstaller, aus einer oberösterreichischen Bauernfamilie stammend, studierte Jus und startete ihre Karriere in der Arbeiterkammer Salzburg. Sie war maßgeblich an der Aufarbeitung des Skandals um die Wohnbaugesellschaft WEB beteiligt. 1993 kam sie in den Landtag, bald war sie Klubobfrau. 2001 übernahm sie die Landespartei, drei Jahre später gelang ihr die Sensation: Die SPÖ gewann im konservativen, seit 1945 von der ÖVP regierten Salzburg die Wahl. Burgstallers größtes Talent, ihre Natürlichkeit im persönlichen Gespräch, verhalf der SPÖ auch 2009 trotz Verlusten zum Wahlsieg.

Immer wieder wurde die 49-Jährige auch für höhere Ämter ins Spiel gebracht: Bildungsministerin, Gesundheitsministerin, nächste SPÖ-Chefin sollte sie schon werden. Zuletzt wurde kolportiert, Burgstaller könnte 2016 für das Bundespräsidentenamt kandidieren, obwohl sie eine bundespolitische Karriere mehrmals ausgeschlossen hat.

So recht wollte das in der SPÖ aber niemand glauben. Für Werner Faymann hat der Salzburger Finanzskandal so gesehen auch sein Gutes: Er hat ab sofort eine Konkurrentin weniger.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.12.2012)

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