Hundstorfer: "50 wichtige Euro für die Menschen"

Rudolf Hundstorfer
Rudolf Hundstorfer(c) APA HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
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Sozialminister Hundstorfer tritt der Kritik am Bezug der Mindestsicherung in Wien entgegen. Spekulation wie in Salzburg und die SPÖ-Kritik „passen nicht zusammen“, gibt er zu.

Die Presse: Sind Sie der Tausendsassa der SPÖ, weil Sie jetzt auch der Arbeitsgruppe über Finanzspekulationen mit Steuergeld angehören?

Rudolf Hundstorfer: Nein, bin ich nicht. Aber nachdem ich so etwas schon in meiner Vergangenheit einmal mitgemacht habe, war das wahrscheinlich der Grund, mich einzubinden.

Sie spielen auf die Spekulationen der Ex-Gewerkschaftsbank Bawag an. Da haben die SPÖ-Politiker von Salzburg bis Linz dann nichts daraus gelernt.

Sie wissen ganz genau, dass die Spekulationen in Salzburg 2001 begonnen haben und dass es dort zwei Parteien in der Landesregierung (SPÖ und ÖVP, Anm.) gibt. Das trifft die gesamte Salzburger Politik, nicht nur eine Partei.

SPÖ-Politiker werden deswegen besonders kritisiert, weil die SPÖ ständig gegen „Spekulanten“ und „Raubtierkapitalismus“ auftritt, das aber selbst auch macht.

Das passt nicht zusammen, das ist klar.

Der zentrale Punkt ist doch die Scheinheiligkeit: Die anderen sind böse, weil sie spekulieren, selbst versucht man es, nur ist man offenbar nicht dazu in der Lage.

Noch einmal, ich bin bei Ihnen, dass das nicht wirklich zusammenpasst. Darum stellen wir es ab.

Ein ganz anderes Thema knapp vor Weihnachten: Nach dem aktuellen Sozialbericht liegt die Zahl der Armutsgefährdeten in Österreich konstant bei rund einer Million Menschen trotz hoher Sozialquote. Was läuft da falsch?

Ohne diese Sozialquote wären es noch viel mehr. Aber was 2010 mit der Mindestsicherung gemacht wurde, kommt im Bericht noch nicht vor. Es muss vor allem massiv darauf geschaut werden, dass die Gruppe jener Menschen, bei denen sich die Armut verfestigt, kleiner wird. Das ist mein Hauptanliegen, das ist das wahre Problem. Eine Antwort darauf wurde mit der Mindestsicherung gegeben. Ein Teil der Antwort sind auch die Heizkosten- oder Energiekostenzuschüsse der Bundesländer. Was wir weiter versuchen müssen, ist, jene Leute, die eine Mindestsicherung beziehen, massiv auf dem Arbeitsmarkt zu reintegrieren.

Wird das tatsächlich konsequent genug gemacht?

Das erfolgt konsequent. Wir können erstmals die Sozialhilfe kürzen, man kann schon Druck ausüben. Wir wollen auch mehr Schulungen anbieten und den zweiten Arbeitsmarkt ausbauen.

Wie oft wurde denn die Mindestsicherung bisher gekürzt?

Dieses Mittel wird eingesetzt. Aber darüber kriegen wir keinen Report von den Ländern.

Es fällt auf, dass es in Wien viel mehr Bezieher einer Mindestsicherung gibt als in den anderen Bundesländern.

Nein. Die Zahl jener, die nur von der Mindestsicherung leben, ist in Wien geringerer als in Niederösterreich. Die Divergenz ergibt sich dort, wo mit der Mindestsicherung eine andere Leistung aufgestockt wird, nämlich Notstandshilfe, Arbeitslosengeld oder Aktiveinkommen. Dieses Aufstocken wird sicher in Wien progressiver beworben. Da geht es manchmal nur um minimale Aufstockbeträge, die aber für den Einzelnen viel Geld sind. 50 Euro haben oder nicht haben, ist für diese Menschen wichtig. Wien hat auch ein Signal mit höheren Leistungen für Kinder gesetzt.

Sie sind auch wegen der Volksbefragung zu Wehrpflicht und Zivildienst mit Ihrem Ersatzmodell eines bezahlten freiwilligen Sozialjahrs mittendrin in der Debatte. Wenn die Volksbefragung am 20.Jänner 2013 für die SPÖ danebengehen sollte, wenn es keine Mehrheit für ein Berufsheer gibt, muss dann der Wiener Bürgermeister Häupl zurücktreten, der der SPÖ diese Debatte im Oktober 2010 eingebrockt hat?

Geh, bitte! Deswegen braucht doch keiner zurücktreten. Es ist ein gesellschaftspolitisches Thema, das endgültig einer Klärung zugeführt wird. Egal, wie die Abstimmung ausgeht: Es wird so sein, dass dann das Thema für 15, 20 Jahre vom Tisch ist.

Ab wann kann ein junger Bursch damit rechnen, dass er im Fall einer Mehrheit für das Berufsheer nicht mehr einrücken muss?

Wir haben überall gesagt, wenn die Volksbefragung für ein Profiheer ausgeht, geht die Umstellung mit 2014 los.

Dann würde ab 2014 auch das freiwillige Sozialjahr statt des Zivildienstes kommen?

So ist es.

Haben Sie den Eindruck, die SPÖ rennt genug für das Berufsheermodell?

Es rennt das Profiheer-Komitee. Es ist klar, dass es in der SPÖ eine Meinungsvielfalt in der Frage gibt. Gewisse Teile sind für die Beibehaltung der Wehrpflicht. Aber es gibt große Teile, die sagen: „Nein, bitte ändern.“ In manchen Bundesländern gibt es mehr Engagement für Veränderungen, in anderen weniger. Klar ist, die Mehrheit ist für eine Änderung. Die Abstimmung wird wahrscheinlich eine sehr knappe sein, das hängt auch von der Beteiligung ab. Ich gehe davon aus, dass wir das sehr wohl in Bewegung bringen.

Mit welchem Anstieg der Kurzarbeit rechnen Sie als Sozialminister angesichts der recht mageren Wirtschaftsprognosen?

Es wird einen Anstieg geben, aber keinen dramatischen, wir werden nicht das Niveau von 2009 erreichen. Die Instrumentarien sind hergerichtet, wenn wir diese brauchen. Es wird schwieriger mit der Arbeitslosigkeit, aber wir werden trotzdem Europameister mit der weiterhin niedrigsten Rate bleiben.

In einem Punkt sind Sie allerdings bisher grandios gescheitert. Sie streben seit Längerem an, dass die Zahl der Überstunden reduziert wird. Österreich liegt aber im internationalen Vergleich weiter vorn.

Fakt ist, dass wir da ein Riesenpotenzial für weitere Arbeitsplätze hätten.

Sollen Überstunden für Unternehmen so verteuert werden, dass sich diese nicht mehr rentieren?

Mit dem System der Zuschläge kosten Überstunden schon jetzt mehr.

Könnte man auch die Steuerbegünstigung für die ersten fünf Überstunden als Anreiz streichen?

Das gilt ja für die Arbeitnehmer! Wegen fünf Überstunden macht auch keiner mehr oder weniger Überstunden. Es geht darum, dass es von Haus aus schon 20 oder 25 programmierte Überstunden gibt.

Ist das eine moderne Form der Ausbeutung von Arbeitnehmern?

Mir geht es darum, dass diese Zahl reduziert wird und sich diese Reduktion in zusätzlichen Beschäftigten niederschlägt.

Länder wie Frankreich setzen generell auf Arbeitszeitverkürzung. Sind Sie für eine 35-Stunden-Woche?

Das ist für uns kein Thema.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.12.2012)

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