Wien: Wo Parteikasse und Stadtbudget verschwimmen

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50 von 132 städtischen und damit steuerfinanzierten Pensionistenklubs mieten ihre Räume in Untermiete in Lokalen der Wiener SPÖ. Das spart der Partei, die im Rathaus das Budget der Seniorentreffs dotiert, mehrere Hundertausend Euro im Jahr.

Wien. „Die Pensionistenklubs der Stadt Wien sind überparteilich und auch keiner religiösen Gemeinschaft zugeordnet." So steht es im Leitbild der Seniorentreffs für Freizeitgestaltung des gemeindeeigenen und damit parteiunabhängigen - weil mit Steuergeld finanzierten - Kuratoriums Wiener Pensionistenwohnhäuser (KWP).

Tatsächlich gibt es jedoch 67 Verschränkungen mit der Wiener SPÖ. In diesen Fällen sind die Adressen von Pensionistenklubs und Bezirkslokalen der Bürgermeisterpartei die selben. Das spart der sozialdemokratischen Basis Mietkosten im erheblichen Ausmaß. In internen Papieren des Kuratoriumvorstands ist von mehreren Hunderttausend Euro jährlich die Rede. Für die freiheitliche Opposition riecht die Angelegenheit nach versteckter Parteienfinanzierung. Das Kuratorium argumentiert, mit der gewählten Konstruktion - auf legalem Weg - nur Miete zu sparen. Die Konstellation sei „historisch gewachsen".

FPÖ: „Versteckte Parteienfinanzierung"

Die Fakten stehen Schwarz auf Weiß in den Büchern des KWP. Darin ist zu lesen, dass man an 50 von 132 Klubadressen (siehe PDF) Untermieter einer SPÖ-Bezirksorganisation ist. An 17 weiteren ist es umgekehrt. Die vollständige Liste aller Standorte liegt der „Presse" vor. Allen 67 ist jedenfalls gemein, dass die insgesamt 17.200 registrierten Nutzer der Wiener Pensionistenklubs vor Ort schwer bis gar nicht erkennen können, ob sie sich in einer Einrichtung des KWP oder einem Parteilokal der Bezirks-SPÖ befinden. Wie auch: Die Räume sind die selben.

Dietbert Kowarik, freiheitlicher Abgeordneter, hat in seiner Funktion als Mitglied des Kontrollausschusses schon einmal bei der politisch verantwortlichen Sozialstadträtin nachgefragt. Sonja Wehsely (SPÖ) beschied ihm damals, dass Gemeinderäte laut Geschäftsordnung kein Auskunftsrecht über die Gebarung von aus dem Magistrat ausgegliederten Organisationen hätten. Heute glaubt Kowarik zu wissen, warum. „Wenn eine Regierungspartei offenbar systematisch einen öffentlichen, mit Steuermitteln finanzierten Träger zur Untermiete in die eigenen Lokale holt, stellt sich die Frage nach versteckter Parteienfinanzierung." Es sei offensichtlich, dass hier die Rechnungsführungen von KWP und SPÖ in einander verfließen.

Stimmt nicht, sagen diese. Die Bücher beider Organisationen seien strikt getrennt. Wie aber begründet man die offensichtlich systematische Kooperation? „Das ist historisch gewachsen", sagt KWP-Sprecherin Heike Warmuth. Die 1946 eingerichteten „Wärmestuben" für Senioren hatten ihre Räumlichkeiten bei den Wohnorten der Gäste - also in den Gemeindebauten. So wie die SPÖ. Damals drängte die sozialdemokratische Stadträtin Maria Jacobi darauf, Pensionistenklubs in kostengünstigen Lokalitäten unterzubringen. „In der Folgezeit haben sich die Räumlichkeiten politischer Organisationen als günstig erwiesen", heißt es in einem internen KWP-Papier. Nur Zufall also, dass Lokale anderer Parteien überhaupt nicht in Frage kamen?

Laut Warmuth könne sich das Kuratorium den Betrieb der Klubs „bei Mieten wie am freien Markt" kaum leisten. „Würden wir aus den Parteilokalen ausziehen, wären uns wohl viele unserer Besucher böse."

90 Prozent der Energiekosten trägt KWP

Und auch die Sozialdemokraten wären vermutlich alles andere als erfreut. Allein bei Wiener Wohnen (Gemeindebauten) hat die Partei Räumlichkeiten gemietet, für die die jährliche Miete laut Unterlagen 449.111 Euro und 38 Cent beträgt (siehe PDF). Allerdings bezahlt das KWP dank der gewählten Konstruktion davon 265.264,71 Euro in Form von Untermieten (Stand: 2011). Geld, das die SPÖ für den Betrieb der Standorte bei einer sauberen Trennung selbst aufbringen müsste.

Die SPÖ ist es auch, die seit 1945 ununterbrochen den Bürgermeister stellt und mit absoluter Mehrheit (oder einem schwachen Juniorpartner) im Budget allein für die Pensionistenklubs des KWP jährlich Steuermittel in der Höhe von 10,6 Mio. Euro (2012) vorsieht. Generell war bisher vertraglich mit der SPÖ vereinbart, dass die Pensionistenklubs der SPÖ „70 Prozent des siebenfachen Hauptmietzinses inklusive Betriebskosten" bezahlen. Ebenfalls heißt es dort, dass der Untermieter dem Hauptmieter 90 Prozent der Jahresenergiekosten ersetzt (siehe PDF). Außerhalb der Öffnungszeiten der Pensionistenklubs (bisher sieben, nun zehn Monate im Jahr jeweils werktags von Mittag bis 18 Uhr) kann die SPÖ ihre eigenen Lokale jedoch jederzeit nutzen. Dafür fließt umgekehrt ein vergleichsweise erträgliches Entgelt in der Höhe von pauschal einer Monatsmiete.

Keine Stellungnahme der SPÖ

Hauptaufgabe des Kuratoriums, das als gemeinnütziger Fonds der Stadt fungiert, ist der Betrieb von Seniorenwohnhäusern. Das Kuratorium argumentiert nun, dass die gemeinsame Nutzung für beide Seiten von Vorteil wäre. Ein Vorteil, der 2012 noch ein Stück weiter in Richtung SPÖ ausschlug, da die Pensionistenklubs ihre Öffungszeiten auf zehn Monate im Jahr ausweiteten und ab sofort 10 von zwölf Monatsmieten der Parteilokale bezahlen. Von der Landespartei der Sozialdemokraten war trotz zweifacher Anfrage dazu bis Redaktionsschluss keine Stellungnahme zu erhalten.

Originalquellen als PDF

>> Mietverhältnisse der Pensionistenklubs

>> Jährliche Mietkostenaufteilung

>> Energiekosten-Rückerstattungen

("Die Presse", Print-Ausgabe, 4. Jänner 2013)

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