Umstellung beim Heer: "Das wird sich alles nicht ausgehen"

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Die Grundwehrdiener sind bei einem allfälligen Start des Berufsheers weg, die Zeitsoldaten aber noch nicht da. Die Übergangsphase dauert mindestens zehn Jahre. Ebenso offen ist die Frage nach den Kosten.

Wien. Was passiert, wenn die Bevölkerung sich am 20. März für ein Berufsheer ausspricht? Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) und die Berufsheeranhänger gehen von einem nahtlosen Übergang aus. Doch die Umstellung wirft etliche Fragen auf.

Zunächst muss geklärt werden, wer überhaupt noch einberufen wird. Der Minister will die Wehrpflicht mit Beginn des Jahres 2014 abschaffen oder aussetzen. Ob sich das politisch und praktisch durchsetzen lässt, ist allerdings offen. Wer will schließlich zu den letzten gehören, die noch einen Dienst beim Heer leisten müssen? Zweifellos wird ein starker Druck entstehen, die Wehrpflicht sofort abzuschaffen.

Spätestens 2014 gibt es dann aber keine Präsenzdiener mehr – und niemanden, der ihre Aufgaben übernehmen könnte. Zum Problem wird dies vor allem bei Naturkatastrophen: Die Grundwehrdiener sind bei den Pionieren derzeit ebenso unverzichtbar wie bei Hilfeleistungen wie dem oft zitierten Sandsäcke-Füllen. Das Berufsheer hätte dafür die Zeitsoldaten, allerdings: Diese gibt es noch nicht im erforderlichen Ausmaß. Derzeit sind es rund 1700. 1300 sollen jährlich angeworben werden. Frühestens in vier Jahren kann der geplante Stand von 7000 erreicht werden.

„Die Einsatzfähigkeit wird von Anfang an gegeben sein“, sagt Ministersprecher Stefan Hirsch. Er verweist auf die geplante Profimiliz: Da rechnet das Ministerium damit, dass von Anfang an zumindest 5000 aus der derzeit schon bestehenden Miliz angeworben werden können – und somit auch sofort einsetzbar sind. Generalstabschef Edmund Entacher sieht das anders: Es werde mindestens fünf Jahre dauern, bis die Pioniere wieder voll einsatzfähig sind.

Für Michael Schaffer, dem Präsidenten des Milizverbandes, ist die Miliz mit Einführung eines Berufsheeres ohnehin Geschichte. „Uns gibt es dann nicht mehr“, so Schaffer zur „Presse“. Mit Ende der Wehrpflicht sei rechtlich gesehen auch die Verpflichtung der Milizsoldaten beendet. Das Ministerium könne dann bestenfalls jeden Einzelnen fragen, ob er im neuen System mitmachen will. Und das wollen die gestandenen Milizsoldaten nicht, glaubt Schaffer.

Ebenso offen wie die Frage der Einsatzfähigkeit ist jene nach den Kosten für die Umstellungsphase. Darabos hat in seinem Modell keine zusätzlichen Kosten einberechnet – obwohl diese zweifellos anfallen werden. Zumindest in den ersten Jahren ist mit deutlichem Personalüberhang zu rechnen.

Um für ein Profiheer auch personell gerüstet zu sein, sollen jährlich 400 Berufssoldaten und 1300 Zeitsoldaten neu aufgenommen werden. Gleichzeitig soll aber der Kader – also die auf Dauer beschäftigten Offiziere und Unteroffiziere – von derzeit 12.700 auf 8500 zurückgehen. Und auch die Zivilbediensteten will Darabos von 8600 auf 6500 reduzieren. Der Personalabbau soll durch natürliche Abgänge, also Pensionierungen oder freiwillige Austritte, erfolgen und bis zu zehn Jahre dauern.

„Das wird sich alles nicht ausgehen“, sagt dazu Wilhelm Waldner, der Chef der Bundesheer-Gewerkschaft. Laut Verteidigungsministerium haben in den vergangenen fünf Jahren zwischen 538 und 795 Beamte pro Jahr das Heer verlassen.

200 Soldaten pro Jahr in Pension

Waldner nennt andere Zahlen: Jedes Jahr würden rund 400 Beamte in Pension gehen – darunter aber nur 200 Soldaten, bei denen ja ein besonders starker Abbau stattfinden soll. Und in den kommenden Jahren werde aufgrund der Reformen im Pensionsrecht diese Zahl weiter sinken. Viele Soldaten haben die Hacklerregelung in Anspruch genommen, bei der die Bestimmungen verschärft wurden.

Bleibt also auf jeden Fall für die ersten Jahre ein Personalanstieg statt Abbau. Da keine zusätzlichen Mittel für die Umstellung vorhanden sind, muss das wohl aus dem normalen Budget finanziert werden und wird auf Kosten der Investitionen gehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.01.2013)


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