Wie Spekulationsverluste in St. Pölten zu schönen Anlagegewinnen mutieren

Erwin Pröll
Erwin Pröll APA/HERBERT P. OCZERET
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Unter dem Strich hat das Land durch die Spekulationen mit Wohnbaugeldern hunderte Millionen Euro verloren. Die Landesregierung will das jedoch nicht wahrhaben.

Wien. Es gibt keine Verluste, sondern nur zu geringe Gewinne. So lautet die eingängige Verteidigungsstrategie von Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) und seinem Finanzlandesrat Wolfgang Sobotka, wenn es um die Spekulationen des Landes mit Wohnbaugeldern geht. „Unterm Strich haben wir uns rund eine Milliarde Euro als Ziel gesteckt, 824 Millionen Gewinn sind es bis heute geworden. Das entspricht einer Verzinsung von rund drei Prozent in den vergangenen zehn Jahren. Ich kann nur allen wünschen, dass ihnen in Zukunft so ein Geschäft gelingt“, so Pröll erst kürzlich in einem Interview zu dem Thema. Dem Rechnungshof, der die Sache schon im Jahr 2010 gänzlich anders sah, richtete Pröll damals salopp aus: „Auch ein Rechnungshof kann irren.“

Hat sich Niederösterreich also wirklich einfach ein zu ambitioniertes Ziel gesteckt und dieses lediglich nicht erreicht?

Nein. Das Ziel einer jährlichen Rendite von knapp fünf Prozent wurde im Jahr 2002 – als das Land erstmals mit Wohnbaugeldern auf den Finanzmarkt ging – nämlich nicht willkürlich gewählt. Es war jene Grenze, ab der die Geschäfte von einem Verlust zu einem Gewinn würden. Der Grund dafür ist, dass das Geld aus noch ausständigen Wohnbaudarlehen des Landes stammte. Diese Forderungen wurden in mehreren Tranchen auf dem Kapitalmarkt verkauft. Die Käufer zahlen bei solchen Transaktionen aber natürlich nicht die volle Darlehenssumme, sondern lediglich einen auf den aktuellen Barwert „abgezinsten“ (verringerten) Betrag. Im Fall von Niederösterreich wurden die Kredite mit rund 4,6 Prozent pro Jahr abgezinst. Das Ergebnis: Der Gesamtwert halbierte sich von etwa acht auf 4,4 Milliarden Euro.

Damit das Geschäft ein Gewinn wird, musste der Veranlagungserfolg also zumindest über diesen 4,6 Prozent pro Jahr liegen. Ein Wert, den man in St. Pölten in der Boomzeit der frühen Nullerjahre anscheinend leicht zu erreichen glaubte – eine klassische Spekulation also.

Dass es schlussendlich anders gekommen ist, bedeutet natürlich auch einen handfesten Verlust für das Land. Denn ohne den Verkauf der abgezinsten Darlehen hätte Niederösterreich eben deutlich mehr Geld aus einer sicheren Quelle bekommen. Denn wie der Rechnungshof in seinen Berichten weiter schreibt: „Bei der Beurteilung war auch zu berücksichtigen, dass die Rückflüsse aus den Wohnbaudarlehen praktisch unbeeinflusst von der Kapitalmarktentwicklung waren, während die angestrebten Veranlagungserträge einem erheblichen Risiko unterlagen.“

Verlust von einer Milliarde Euro angelaufen

Die Prüfer des Kontrollorgans beziffern den bisher angelaufenen Verlust auf rund eine Milliarde Euro. Anders als von Pröll genannt, liegt der Veranlagungserfolg laut der landeseigenen Vermögensverwaltungsgesellschaft Fibeg auch nicht bei drei, sondern lediglich bei 2,2 Prozent. Und auch die absolut genannte Zahl von 824 Millionen Euro lässt sich nur erreichen, wenn Garantieprämien, die eine eigens für dieses Geschäft gegründete Sonderfinanzierungsgesellschaft an das Landesbudget überwiesen hat, als „Veranlagungserfolg“ gewertet werden (was der Rechnungshof nicht macht). In Summe liegt der „echte Veranlagungserfolg“ also nur bei rund 603 Millionen Euro.

Von der niederösterreichischen ÖVP wird dennoch regelmäßig das Märchen von den erfolgreichen Geschäften mit Einnahmen in Millionenhöhe für das Landesbudget erzählt. Die Geschichte mit den abgezinsten Darlehen lassen Pröll und Sobotka dabei geflissentlich unter den Tisch fallen. Die in Niederösterreich kaum existente Opposition kritisiert das zwar, ist aber auch nicht frei von Schuld. So stimmten SPÖ und FPÖ einst für den Verkauf der Darlehen und den Gang an den Kapitalmarkt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.01.2013)

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