Von der Caritas bis zum Asyl-Hardliner: Die vielen Gesichter des Ernst Strasser

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Der Zug zur Macht war dem früheren Innenminister immer schon vertraut. Ebenso die Wandlungsfähigkeit.

Wien. Wer ist Ernst Strasser? Und wie ist er wirklich? Ist das Bild des Politikers, der sein Mandat zu Geld macht, das wahre Bild? Oder das des Innenministers, der in Rambo-Manier sein Ministerium politisch umdreht und alle Sozialdemokraten erbarmungslos aus dem Weg räumt? Oder ist es vielmehr der softe Polizeiminister, der bei den Demonstrationen gegen Schwarz-Blau zu Zurückhaltung mahnte? Oder ist der echte Ernst Strasser der Student mit Anfang 20, der das Bundesheer abschaffen und Privatkapital einschränken wollte?

Ernst Strasser hat eine bewegte Karriere hinter sich – und einen weiten Weg, was seine inhaltliche Positionierung betrifft. Aus bäuerlichem Milieu im oberösterreichischen Grießkirchen stammend, wird das Studium in Salzburg zu einem prägenden Erlebnis. Dort fasst er in der Katholischen Hochschulgemeinde Fuß, einem linken Flügel der ÖVP, wie es ihn heute so nicht mehr gibt. Mit dabei damals: Wilhelm Molterer, noch ein Minister (und späterer Parteichef) der Ära Schüssel, der ebenso einen weiten ideologischen Weg hinter sich brachte.

Strasser hatte schon damals den Zug zur Macht und viel strategisches Geschick, wie ein ehemaliger Mitstreiter berichtet. Trotzdem dauerte es einige Zeit, bis seine Karriere so richtig in Schwung kam. Über den Bauernbund kam er ins Kabinett des damaligen Landwirtschaftsministers Josef Riegler, wechselte später in die Privatwirtschaft zum Umdasch-Konzern. Ein anderer Bauernbündler holte ihn zurück in die Politik: Als Erwin Pröll Landeshauptmann in Niederösterreich wurde, suchte er nach einem Parteisekretär: Einem, der im Tagesgeschäft dem Parteichef den Rücken frei hält, und keine Hemmungen hat, mit harten Bandagen zu kämpfen. Ernst Strasser hat diesen Auftrag perfekt erfüllt. Das System Pröll, das dem Landeschef ungezügelte Machtbefugnisse verschaffte und die Opposition zur Marginalie verkommen ließ, war zu einem guten Teil auch ein System Strasser.

Erwin Prölls Mann in der Regierung

Als Prölls Vertrauensmann kam er auch in die erste Regierung Schüssel. Das Softie-Image, das ihm angedichtet wurde („Der Vertreter der Caritas in der Regierung“), stimmte damals schon nicht mehr. Und so ging Strasser daran, das traditionell rote Innenministerium konsequent umzufärben. Gestützt auf eine Gruppe junger Kabinettsmitarbeiter, allesamt genauso karrierebewusst und rauhbeinig wie ihr Chef, wurden Zug um Zug bewährte Parteigänger in Schlüsselpositionen gesetzt. Pech für den Minister, dass der E-Mail-Verkehr Jahre später an die Öffentlichkeit gelangte und die Vorgangsweise öffentlich machte. Glück für ihn, dass der Staatsanwalt damals gnädiger war als dessen jetzige Kollegen, und eine mehrhundertseitige Anzeige dazu einfach „übersah“.

Warum Strasser 2004 von einem Tag auf dem anderen aus der Politik ausstieg, ist bis heute nicht völlig klar. Sein Versuch, in der Wirtschaft Fuß zu fassen, war jedenfalls nicht sonderlich erfolgreich. Ein Lobbying-Auftrag hier und da, ein paar Kontakte, die noch aus der Ministerzeit kamen, in Geld umgemünzt – das war es auch schon. Insofern versprach das Angebot von Josef Pröll, für die ÖVP in die EU-Wahl zu ziehen, neuen Schwung in die Karriere zu bringen. In Wahrheit ist er genau darüber gestolpert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.01.2013)

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