"Urteil ist Signal, dass Justiz keine Gnade mehr kennt"

Straser Prozess
Straser Prozess "Urteil ist Signal, dass Justiz keine Gnade mehr kennt"(c) EPA (HELMUT FOHRINGER)
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Das Gericht habe die hohe Strafe für Strasser "plausibel begründet", meint Korruptionsbekämpfer Fiedler. Strafrechtsprofessor Schwaighofer nennt das Urteil hingegen "eindeutig zu hart".

Wird die Verurteilung des früheren VP-Innenministers Ernst Strasser zu vier Jahren unbedingter Haft mögliche künftige Korruptionstäter abschrecken? Richter Georg Olschak nannte diese Wirkung am Montag als wichtigen Grund für die hohe Strafe. Und auch Korruptionsbekämpfer Franz Fiedler glaubt, dass das Urteil als "Signal, dass die Justiz in derartigen Fällen keine Gnade mehr kennt", wirken könne. Außerdem sieht er es als mögliche "Richtschnur" für derzeit laufende und noch folgende Korruptionsprozesse sein, wie er am Dienstag im "Ö1"-Morgenjournal sagte.

Der Richter habe die hohe Strafe "plausibel begründet", betonte Fiedler, der früher Staatsanwalt und dann Rechnungshofpräsident war und heute Präsident des Beirates von Transparency International in Österreich ist.

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Strafrechtler: Urteil "eindeutig zu hart"

Für den Vorstand des Instituts für Strafrecht an der Universität Innsbruck, Klaus Schwaighofer, ist das Urteil "eindeutig zu hart". Von Politikern erwarte man sich offenbar besonders hohe Maßstäbe und wenn es zu Verstößen komme, dann setze es besonders drastische Sanktionen: "Da passt wahrscheinlich die Relation nicht ganz."

Der Jurist wies darauf hin, dass Strassers bisherige Unbescholtenheit und die Tatsache, dass kein Geld geflossen ist, strafmildernd wirken müssten. Außerdem sei für die Strafbemessung die individuelle Schuld entscheidend, nicht die vom Richter besonders betonte abschreckende Wirkung der Strafe.

Möglich sei, dass Strasser in der Berufung mit einer etwas reduzierten, möglicherweise sogar mit einer teilbedingten Haftstrafe davonkommt. "In Innsbruck hätte er eine recht gute Chancen auf eine teilbedingte Freiheitsstrafe", erklärte Schwaighofer. Die Strafjustiz in Ostösterreich sei allerdings traditionell weniger milde. Dass das Urteil komplett aufgehoben wird, hält der Jurist aber für unwahrscheinlich. Die Beweiswürdigung des Gerichts sei wegen der Videoaufzeichnungen "fast unanfechtbar". Und auch dass das Gericht Strassers Geheimdienst-Geschichte verworfen habe, sei nachvollziehbar.

Der Wiener Strafrechtsprofessor Helmut Fuchs nannte das Urteil in der "ORF"-ZiB2 "sehr streng". Wie Schwaighofer findet auch er die starke Berufung des Richters auf die Generalprävention (also auf die abschreckende Wirkung)  "etwas problematisch". Diese solle gegenüber der Schuld nicht dominieren. Fuchs wies vor allem darauf hin, dass kein Geld geflossen sei.

Verteidiger: "Strafe maßlos überzogen"

Scharfe Kritik am Urteil übte Strassers Verteidiger Thomas Kralik. Die Strafe sei "maßlos überzogen", sagte er im Interview mit der Austria Presse Agentur: "Das steht in überhaupt keiner Relation. Wenn einer ein 15-jähriges Mädchen vergewaltigt, kriegt er beim ersten Mal weniger." Kralik gab sich zuversichtlich, dass in zweiter Instanz das Strafausmaß "deutlich" reduziert werden wird.

Strasser war am Montag wegen Bestechlichkeit verurteilt worden. Er habe als EU-Abgeordneter zwei als Lobbyisten getarnten britischen Journalisten gegen Bezahlung von 100.000 Euro versprochen, den Gesetzgebungsprozess zu beeinflussen. Strasser hatte sich nicht schuldig bekannt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

(Red./APA)

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