"Po-Grapsch-Paragraf": Karl erteilt Forderung der SPÖ Absage

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Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek will strengere Normen gegen Belästigung. Konkret will sie eine strafrechtliche Verfolgung bei „Po-Grapschen“ Doch was ist erlaubt, was verboten?

Wien. Im Zuge der Debatte um den FDP-Politiker Rainer Brüderle, der sich Frauen gegenüber ungebührlich verhalten haben soll, fordert Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) erneut strengere Regeln gegen sexuelle Belästigung. Konkret will sie eine Gesetzesänderung, damit das sogenannte Po-Grapschen strafrechtlich verfolgt wird. Im Vorjahr war die Staatsanwaltschaft Graz ja zum Schluss gekommen, dass das Anfassen des Gesäßes noch nicht strafbar sei. Der „Presse“-Bericht darüber hatte im vergangenen November die Diskussion entfacht.

Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) erteilt den Wünschen Heinisch-Hoseks nun aber eine Absage. Sie sei gegen Anlassgesetzgebung, erklärte sie am Dienstag. Zudem gebe es andere Normen, die das Anfassen des Gesäßes untersagen. Doch was ist tatsächlich erlaubt und was verboten? „Die Presse“ ging den wichtigsten Fragen nach.

1. Warum ist das Po-Grapschen bisher nicht vom Strafgesetz erfasst?

§218 des Strafgesetzbuchs (StGB) verbietet es, eine Person durch „eine geschlechtliche Handlung“ zu belästigen. Die Staatsanwaltschaft Graz kam aber zum Schluss, dass das Po-Grapschen nicht strafbar ist, weil der Hintern kein Geschlechtsteil darstelle. Das Frauenministerium will nun, dass der Begriff der geschlechtlichen Handlung im Gesetz definiert wird. Der Begriff soll auch Körperpartien, die nicht zur unmittelbaren Geschlechtssphäre gehören, betreffen. Und zwar dann, wenn „aus den Umständen eine sexuelle Tendenz erweislich ist“.

Helmut Fuchs, Vorstand des Instituts für Strafrecht an der Universität Wien, zeigt sich zu diesem Vorschlag skeptisch: „Ich halte diese Formulierung für zu unbestimmt, um einen Tatbestand daran zu knüpfen“, sagt er zur „Presse“. Die bisherigen Strafnormen würden ausreichen. Zudem könnte das Anfassen des Gesäßes unter Umständen schon jetzt als Beleidigung strafbar sein, meint Fuchs, der hinzufügt: „Und nicht alles, was nicht strafbar ist, ist erlaubt.“

2. Inwiefern ist das Po-Grapschen schon jetzt verboten?

Zivilrechtlich könnte man gegen den Belästiger vorgehen und versuchen, Folgeschäden (psychische Behandlung) einzuklagen.

Passiert der Vorfall am Arbeitsplatz, wird eigens das Gleichbehandlungsgesetz schlagend, das einen immateriellen Schadenersatz für die sexuelle Belästigung normiert. So kann eine Frau sowohl den Mitarbeiter, der sie belästigt, zur Verantwortung ziehen als auch den Arbeitgeber, wenn er gegen bekannte Vorgänge nichts unternimmt. Das Anfassen des Gesäßes werde am Arbeitsplatz immer Schadenersatz auslösen, erklärt Ingrid Nikolay-Leitner, Leiterin der Gleichbehandlungsanwaltschaft. Das Justizministerium verweist zudem auf verwaltungsstrafrechtliche Verbote: So gebe es etwa in der Steiermark die „Anstandsverletzung“, unter die das Po-Grapschen falle.

Die grüne Abgeordnete Judith Schwentner kritisiert indes, dass Heinisch-Hosek nicht schon längst dafür gesorgt habe, dass das Po-Grapschen bundesweit vom Verwaltungsstrafrecht sanktioniert wird. Das Frauenministerium verteidigt dies: Das Anfassen des Gesäßes sei etwas anderes als eine Parkstrafe und gehöre daher nicht ins Verwaltungsstrafrecht.

3. Wie oft kommt es zu Po-Grapsch-Attacken in Österreich?

Es gibt keine Statistik nach Körperteilen. Im Gleichbehandlungsbericht 2010/2011 wurden aber 44 Fälle von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz registriert. Nikolay-Leitner fürchtet allerdings eine hohe Dunkelziffer.

4. Kann man auch für sexistische Äußerungen Schadenersatz fordern?

Verbale Belästigungen sind, wenn sie am Arbeitsplatz oder im Geschäftsleben stattfinden (etwa wenn man Kunde in einem Geschäft ist), durch das Gleichbehandlungsgesetz verboten. Bei Äußerungen à la „Sie können ein Dirndl ausfüllen“ (dies soll Brüderle gesagt haben) müsste man laut Experten aber zunächst wohl darauf hinweisen, dass man so nicht angesprochen werden will. Kommt es dann zu weiteren anzüglichen Äußerungen, droht Schadenersatz.

5. Welche Sanktionen drohen bei Po-Grapschen oder sonstiger sexueller Diskriminierung?

Das Gleichbehandlungsgesetz sieht bei sexueller Belästigung einen Schadenersatz von mindestens tausend Euro vor (keine Höchstgrenze). Sollte Po-Grapschen künftig unter §218 StGB fallen, würden Tätern im schlimmsten Fall sechs Monate Gefängnis drohen.

Auf einen Blick

Ein Grazer Fall löste im Vorjahr die Debatte erstmals aus: Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren gegen einen Beschuldigten ein, der einer Frau ans Gesäß gefasst hatte. Die Staatsanwaltschaft sah kein Delikt, weil es sich beim Gesäß um kein Geschlechtsteil handle. Frauenministerin Heinisch-Hosek (SPÖ) fordert nun eine Änderung des Strafgesetzes, damit auch solche Fälle bestraft werden. Justizministerin Karl (ÖVP) lehnt das ab und verweist auf zivilrechtliche Gesetze. Man werde aber im Rahmen einer Evaluierung des gesamten Strafgesetzes bis 2015 alles überprüfen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.01.2013)

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