Väter wittern neue Chance für ihr Sorgerecht

(c) FABRY Clemens
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Am 1. Februar tritt das neue Familienrecht in Kraft. Väter, aber auch viele Mütter, suchen bereits verstärkt Anwaltskanzleien auf. Die Neuanträge dürften den noch nicht genügend ausgestatteten Gerichten viel Arbeit bringen.

Wien . „Es sind zuletzt viele ehemalige Klienten wieder aufgetaucht“, sagt Rechtsanwalt Alfred Kriegler. Grund ist das neue Familienrecht, das morgen, Freitag, in Kraft tritt. Viele Väter, die momentan kein Sorgerecht haben, hoffen, dieses nun erhalten zu können. Denn das neue Recht ermöglicht es Richtern erstmals, auch eine gemeinsame Obsorge über Scheidungskinder festzulegen. Bisher war dies nur möglich, wenn Vater und Mutter sich einig waren. Im Streitfall bekam meist die Mutter das Kind zugesprochen. Aber auch ledige Väter, die bisher gar keine Chance hatten, ein Sorgerecht gerichtlich durchzusetzen, bekommen diese Möglichkeit nun.

Wenn alle Interessenten jetzt Ernst machen und Sorgerechtsanträge stellen, droht den Gerichten somit viel Arbeit. Schwierig wird die Sache vor allem deswegen, weil Richter laut dem neuen Gesetz das gemeinsame Sorgerecht erst nach einer sechsmonatigen Probephase aussprechen sollen. Überprüfen soll die Testphase die neue Familiengerichtshilfe, die aus Sozialarbeitern und Psychologen besteht.

Doch diese Mitarbeiter fehlen an fast allen Standorten noch ebenso wie die versprochenen zusätzlichen Richter. Erst ab Mitte 2014 soll der Vollausbau abgeschlossen sein. Kriegler fürchtet im Gespräch mit der „Presse“ deswegen, dass die Justiz jetzt mit den neuen Anträgen nicht zurechtkommt: „Ich glaube, dass das Familiengerichtssystem zusammenbrechen oder zum Stillstand kommen wird.“

So drastisch sehen das andere befragte Anwälte zwar nicht. Ein verstärktes Interesse an juristischer Beratung verspüren aber alle. Wobei es nicht nur Männer sind, die zum Advokaten gehen. Vor allem Frauen würden sich bei ihr „ganz stark“ über die neue Rechtslage erkundigen, sagt Anwältin Andrea Wukovits.

Frauen: Angst, Rechte abzugeben

Schließlich bestehe bei Frauen, die die Obsorge haben, die Angst, dass sie das Sorgerecht künftig teilen müssen. Schwierig werde es aber, weil man noch nicht wisse, wie die Gerichte die neuen Gesetze auslegen, meint Wukovits. Anträge von Männern auf ein Sorgerecht wiederum würden nicht immer sinnvoll sein: „Man kann nicht jedem Hoffnung machen“, meint die Juristin. Wenn es aber einen guten Draht zu Kind und Mutter gebe, sei Vätern ein Antrag anzuraten.

Sollte man wegen der unklaren Rechtslage vielleicht sogar mit dem Stellen der Anträge so lange warten, bis es eine klare Judikaturlinie gibt? „Wenn wir bis dahin warten, sind die Kinder schon großjährig“, betont Brigitte Birnbaum, Advokatin und Vizepräsidentin der Anwaltskammer Wien.

Sie werde wohl schon im Februar die ersten Anträge für Väter stellen. Ein beträchtlicher Teil der Anfragen gehe aber auch bei ihr auf Frauen zurück, sagt Birnbaum. Mütter, bei denen das Sorgerechtsverfahren bereits rechtskräftig entschieden ist, würden kommen und fragen: „Was passiert jetzt?“

Wobei es nicht immer nur um das Sorgerecht gehen muss. In der Kanzlei von Michael Witt gibt es mehr Anfragen zum neuen Kontaktrecht. Dieses ersetzt das Besuchsrecht und soll auch nicht obsorgeberechtigten Eltern mehr Teilnahme am Alltag ihres Kindes ermöglichen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.01.2013)

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