Bundesheer: Interne Kritik an ÖVP-Reformplänen

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Man müsste über eine Verlängerung des Grundwehrdienstes sprechen, heißt es aus der Volkspartei. Auch Militärexperten kritisieren das Zwölf-Punkte-Programm der ÖVP für eine Reform der Wehrpflicht.

Wien. Sie nennt sich nun „Sicherheitspartei“, ihr Chef Michael Spindelegger würde vor Freude am liebsten „alle umarmen“, und obwohl es offiziell nie ein Match zwischen den Regierungsparteien war, freut sich die ÖVP ganz besonders über die knapp 60 Prozent der Bevölkerung, die am 20. Jänner für die Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht gestimmt haben.

Doch langsam ebbt die Euphorie ab: Denn das Zwölf-Punkte-Programm für eine Reform der Wehrpflicht, das die Volkspartei wochenlang in der Schublade versteckt hielt und erst nach der Volksbefragung präsentierte, erweckt nicht gerade Begeisterungsstürme. Schon gar nicht bei der SPÖ, nicht bei Militärexperten – aber auch nicht innerhalb der Partei. Einige seien „enttäuscht“ über diese Eckpunkte, sie seien wahrlich nicht „das Gelbe vom Ei“, ist von einem ÖVP-Parlamentarier zu hören. Der Grund: Die militärische Ausbildung müsse viel stärker in den Vordergrund rücken. „Es sollte ein fordern und fördern sein – aber im militärischen Sinne.“ Die Vorschläge der ÖVP zu einer Attraktivierung des Wehrdienstes reichen nämlich von einem „Talentecheck“ der jungen Männer bei der Stellung über Information des Grundwehrdieners über den Zeitplan beim Heer zur besseren Terminplanung bis hin zu Ernährungslehre und Staatsbürgerschaftskunde.

In der ÖVP will man aber mehr – konkret hätte man drei Forderungen an die eigene Partei: Zuerst müsse man die militärischen Ziele definieren, um den Grundwehrdienst daran anzupassen. Bisher fehle ein Bekenntnis dazu. Zweitens müsse man sich überlegen, für die Reformphase mehr Geld in die Hand zu nehmen und das Budget aufzustocken. Noch gab sich die ÖVP-Spitze nämlich bedeckt, ob es für die Wehrpflicht neu ein Extrageld geben sollte.

Als dritter Punkt sollten die verpflichtenden Milizübungen wieder eingeführt werden. Denn „es war ein schwerer Fehler von Günther Platter (Ex-Verteidigungsminister, ÖVP, Anm.), diese abzuschaffen“. Ob der Grundwehrdienst dafür auch verlängert werden könnte? „Man sollte sich das zumindest überlegen“, heißt es aus der Partei.

Auch die Studiengruppe Sicherheitspolitik pocht auf verpflichtende Milizübungen: Die Sozialwissenschaftler und Militärexperten Manfred Gänsdorfer und Alfred Lugert machen darauf aufmerksam, dass das Bundesheer laut Verfassung nach den Grundsätzen eines Milizheers einzurichten sei. Also: weniger Berufssoldaten als die derzeit 16.000, dafür mehr Milizsoldaten. „Und wenn der ganze Apparat kleiner wird, braucht man auch weniger Hilfskräfte“, erklärt Lugert – also die viel zitierten Systemerhalter wie Köche, Fahrer und Bürogehilfen. Dafür sollte es eine „kurze Rekrutenschule“ nach Schweizer Vorbild geben, danach die verpflichtenden Milizübungen über mehrere Jahre verteilt. Ob das bedeuten würde, dass die Ausbildung für junge Männer nur noch vier oder fünf Monate dauern würde, ergänzt mit den Übungen, oder ob der Grundwehrdienst verlängert werden sollte – das sei eine politische Entscheidung.

Arbeitsgruppe mit Experten

Soviel steht laut Lugert allerdings fest: Erste-Hilfe-Kurse, Staatsbürgerschaftskunde und einen Fokus auf gesunde Ernährung, wie es die ÖVP in ihrem Zwölf-Punkte-Programm fordert, habe es immer schon gegeben. Wenn sich die Regierung auf solche Punkte und nicht auf einen militärischen Schwerpunkt konzentriere, sei dies ein „großer Fehler“.

Derzeit brütet eine Arbeitsgruppe der Regierung über die Wehrpflicht neu – bis zum Sommer will sie ihre Ergebnisse präsentieren. Dafür hat sich jede Partei zwei Experten ins Boot geholt. Wie „Die Presse“ erfuhr, sind dies auf ÖVP-Seite Wilhelm Sandrisser (Innenressort) und Harald Vodosek (Leiter der Abteilung Rüstungspolitik im Verteidigungsressort) sowie Karl Schmidseder (Stabschef im Kabinett von Verteidigungsminister Norbert Darabos) und Günter Hofbauer (Leiter der Generalstabsabteilung) auf SPÖ-Seite. Ihr Ziel: Im Herbst sollen die Rekruten bereits den neuen Grundwehrdienst erleben.

Auf einen Blick

Die Wehrpflichtreform war am Donnerstag auch im Nationalrat Thema – die FPÖ stellte Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) 30 „Dringliche“ Fragen zum Thema. Außerdem im Hohen Haus: Das Radlerpaket wurde beschlossen – Telefonieren auf dem Fahrrad ist nun verboten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2013)

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