Schmidt: „Ich bin nicht die Oberlehrerin des Liberalismus“

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Schmidt bdquoIch nicht Oberlehrerin(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die LIF-Gründerin im Interview über alte Vorwürfe, neue Parteien und ihr Verständnis eines ganzheitlichen Liberalismus.

Die Presse: Vor 20 Jahren, am 4. Februar 1993, haben Sie das Liberale Forum gegründet. Ihre Partei existiert zwar noch, wird aber kaum wahrgenommen. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Heide Schmidt: Weil wir es 1999 nicht mehr ins Parlament geschafft haben. Und wenn du in keiner gesetzgebenden Körperschaft mehr bist, dann bist du nicht mehr wirklich Gesprächspartner für die Öffentlichkeit. Zugegebenermaßen könnten aber doch Positionslichter abgeschossen werden, die Diskussionen auslösen. Aber dazu fehlen die Ressourcen – und auch der Boden in Österreich.

Würden Sie aus heutiger Sicht sagen, Sie hätten etwas anders machen sollen?

Mehrere Dinge. Man hätte manches anders dosieren sollen. Und in der Personalpolitik eine bessere Hand haben sollen. Nur den einen gravierenden Fehler, woran es gescheitert sein könnte, kann ich nicht erkennen.

Der Vorwurf an das LIF war ja stets, dass es den Schwerpunkt zu sehr auf Gesellschaftspolitik und weniger auf Wirtschaftspolitik setzte.

Ich glaube, dass das objektiv unrichtig ist. Aber wahr ist, dass die öffentliche Wahrnehmung so war. Das lag wohl daran, dass mit gesellschaftspolitischen Themen mehr Tabus gebrochen wurden. Da hatte jeder das Gefühl, er kann mitreden. Anders war das, wenn wir wirtschaftspolitisch ein Tabu gebrochen haben – etwa mit unserem radikalen Ansatz bei der Gewerbeordnung, die wir auf ein Minimum reduzieren wollten. Oder der Forderung nach Abschaffung der Pragmatisierung.

Jene nach der Mindestsicherung wurde wiederum als zu links empfunden.

Anfangs sogar in der eigenen Partei. Wir haben die Mindestsicherung – wir haben sie Grundsicherung genannt – ja nicht erfunden. Wir haben sie weiterentwickelt und jedenfalls in die politische Diskussion gebracht.

Waren Sie in Ihrer Partei nicht vielleicht zu dominant und haben andere Meinungen zu wenig gelten lassen, wodurch sich die Wirtschaftsliberalen an den Rand gedrängt fühlten?

Ich glaube das nicht. Aber mein Gott, wer kann sich schon selbst aus der Distanz beurteilen. Ich finde, dass damals gesellschaftspolitische Themen eben mehr Resonanz gefunden haben.

Offenbar gibt es heute wieder ein Bedürfnis nach liberaler Politik. Ich würde mit Ihnen gern die anderen liberalen Parteien – oder die, die sich dafür halten – durchgehen und Sie um eine kurze Bewertung bitten. Fangen wir mit Neos an.

Bewerten tu ich nicht gern. Ich bin nicht die Oberlehrerin des Liberalismus. Ich habe mich seinerzeit nicht als solche gefühlt und heute schon gar nicht. Aber was Neos betrifft, mit der das LIF ja eine Kooperation im Auge hat: Diese haben tatsächlich einen Schwerpunkt auf Wirtschaftsliberalismus. Ich hoffe nur, dass dabei das Engagement für Gesellschaftspolitik nicht zu kurz kommt.

Das BZÖ?

Eine Partei, die einen Herrn Stadler, Grosz oder Westenthaler in ihren Reihen hat – da muss ich nicht über Liberalismus diskutieren. Ich will Josef Bucher sein ehrliches Engagement nicht absprechen. Aber die Partei – bedaure.

Und das Team Stronach?

Wenn jemand mit dem Slogan „Ich habe die Wahrheit gefunden“ in die Diskussion zieht, dann habe ich ein Problem, das demokratiepolitisch ernst zu nehmen.

Stronach hat seinen Klubstatus übrigens dem LIF zu verdanken.

Der Herr Stronach hat seinen Klub der Geschäftsordnung zu verdanken.

Also dem Präzedenzfall LIF.

Ich glaube, dass es demokratiepolitisch in Ordnung ist, dass sich im Laufe einer Legislaturperiode Fraktionen bilden können.

Wieso hat es der Liberalismus als politische Kraft in Österreich so schwer?

Das Auseinanderdividieren von Gesellschafts- und Wirtschaftsliberalismus ist schon ein Kern dieser Problematik. Eine Partei, die den Einzelnen zum Maßstab macht, kann diesen Maßstab nicht nur auf ein Politikfeld anlegen. Weil die Gefährdungen durch den Staat immer in einem anderen Feld liegen. In Österreich hat man immer das Gefühl: Ein bissl liberal sind wir eh alle. Letztlich besteht das Missverständnis, dass das dann nur eine Offenheit für alles ist – und eigentlich eine Positionslosigkeit.

Das LIF ist die Schwesterpartei der FDP. Was halten Sie denn von der aktuellen Sexismusdebatte um Rainer Brüderle?

Ich bin enttäuscht über das mangelnde Sensorium. Jetzt kennen wir alle den Solidaritätsschulterschluss in einer Partei, wenn man das Gefühl hat, einem geschieht Unrecht. Das verstehe ich. Aber ich würde mir gerade von einer liberalen Partei erwarten, dass sie die Debatte, die nun ausgelöst wurde – wo gibt es Grenzen, die nicht zu überschreiten sind – ernster nimmt. Man kann da von mir aus auch einen Abstand zur Brüderle-Debatte gewinnen, die ja vielschichtig ist.

Zur Person

Heide Schmidt, geboren 1948 im Allgäu. Jus-Studium, Assistentin der Volksanwaltschaft, FPÖ-Generalsekretärin. Am 4. Februar 1993 trat sie aus der FPÖ aus und gründete das LIF, deren Chefin sie bis 1999 war. 2008 trat sie noch einmal als Spitzenkandidatin an. Heute ist sie in Pension und engagiert sich bei diversen Projekten – etwa bei Cecily Cortis Obdachlosenhilfe.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.02.2013)

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