20 Jahre Lichtermeer: Vom „emotionalen Moment“ zum Rechtsruck

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Was bleibt? Forderungen der FPÖ seien Realität geworden, Kritik an Ausländern fast schon Common Sense, sagen Mitbegründer von SOS Mitmensch.

Wien. „Die Kälte, das Licht, die vielen Menschen, das war ein unglaublich emotionaler Moment.“ Wenn Peter Huemer, Mitbegründer von SOS Mitmensch, an das Lichtermeer am 23. Jänner 1993 in der Wiener Innenstadt denkt, wird er fast rührselig. Weniger, wenn er 20 Jahre später Bilanz zieht: Die Forderungen der fast 300.000 Demonstranten an die Politik – vielfach ungehört. Die Politik selbst – noch fremdenfeindlicher als damals, sagt Huemer. ÖVP und SPÖ hätten die Forderungen aus dem FPÖ-Ausländervolksbegehren, das zum Lichtermeer und letztlich zur Abspaltung des Liberalen Forums von der FPÖ führte, großteils erfüllt. „Rot und Schwarz wollten der FPÖ damit den Wind aus den Segeln nehmen“, sagt Huemer etwa über mehrere Fremdenrechtsnovellen.

Einwanderungsstopp, mehr Kriminalpolizisten, Quoten für Schüler nichtdeutscher Muttersprache in Pflichtschulklassen: Solche Forderungen seien in der heutigen Polit-Debatte fast Common Sense, glaubt auch der grüne Nationalratsmandatar Peter Pilz. Mit Huemers Frau Friedrun, einst Grün-Abgeordnete in Wien, hat er Ende 1992 die Gründung der Menschenrechtsorganisation SOS Mitmensch angeregt: Zum Künstler André Heller sagten die beiden damals im Vorfeld des Volksbegehrens, „da müssen wir dagegenhalten“, erinnert sich Pilz.

Heller lud in sein Haus in Hietzing, es war die Geburtsstunde der NGO. Später war das Zuhause der Huemers, das zentral liegt, Kommandozentrale. Unter den Besuchern waren Schriftsteller Josef Haslinger, der damalige Caritas-Präsident Helmut Schüller, „Ostbahn Kurti“ Willi Resetarits, aber auch SPÖ-Politiker wie Rudolf Scholten: Man wollte auch die Kanzlerpartei „im Boot“ haben – „für den vollen Erfolg des Lichtermeers“, sagt Huemer. Dabei kritisierte man auch Innenminister Franz Löschnak zum Teil scharf.

„Kriminalität unterschätzt“

Ob manche Kritik, rückblickend betrachtet, überzogen gewesen sei? Ob man Probleme ausgeblendet habe? „Sicher“, sagt Pilz. Zum Beispiel? „Suchtgiftdelikte. Wir haben erst im Laufe der Jahre festgestellt, dass wir da nicht so salopp ,drüberkommen‘.“ Tatsächlich habe man es auch mit ethnisch organisierten kriminellen Banden zu tun. „Das ist damals noch nicht zur Diskussion gestanden.“

Von einer „klaren Positionierung“ gegen die FPÖ spricht Pfarrer Schüller. Lösten manche Inhalte des Volksbegehrens damals noch Schrecken in Politik und Gesellschaft aus, sei inzwischen vieles ein Allgemeinplatz, bezieht sich Schüller auf Themen wie Deutschdefizite von Migrantenkindern oder einen geregelteren Zuzug. Auf der anderen Seite habe sich 1993 gezeigt, dass die Zivilgesellschaft sehr stark sei: „Das gilt bis heute.“

Bis zu 300.000 Demonstranten waren es am Abend des 23. Jänner 1993, die mit Kerzen oder Fackeln kamen. „Dies ist die größte Demonstration, die jemals am Heldenplatz stattgefunden hat“, sagte Heller in seiner Ansprache – dort, wo Hitler 1938 anlässlich des Anschlusses jubelnd empfangen wurde.

Und SOS Mitmensch heute? Man kümmert sich etwa um die Flüchtlinge in der Votivkirche, am Freitag gab es eine Mahnwache anlässlich des früheren WKR- und nunmehrigen „Akademikerballs“. Schüller über die NGO: „Sie ist unerbittlich, unbequem, irritierend. Das ist ihr Markenzeichen geblieben.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.02.2013)

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