»Wieso liest ein hübsches Mädel das?«

Anders, als man in Österreich glauben mag, ist in den USA Sexismus in Politik und Geschäftswelt weit verbreitet. Doch er wird scharf geahndet: gesellschaftlich und juristisch.

Michael Bloomberg, der milliardenschwere Unternehmer und populäre Bürgermeister von New York, ist mit sich und der Welt recht zufrieden: „Lassen Sie es mich so ausdrücken: Ich bin ein alleinstehender, heterosexueller Milliardär in Manhattan. Was glauben Sie? Es ist ein feuchter Traum“, sagte der heute 70-Jährige vor ein paar Jahren in einem Interview.

Bisweilen allerdings entfleuchen diese feuchten Träume in die Realität. Dann gibt es Ärger. Bei einer Weihnachtsparty vor ein paar Wochen soll Bloomberg das Erscheinen einer Dame in einem sehr figurbetonten Abendkleid mit den Worten „Schau‘ dir diesen Arsch an!“ quittiert haben. Dumm nur, dass ein Journalist vom „New York Magazine“ in Hörweite war. Der verpackte das Zitat in die aktuelle Titelgeschichte über Bloombergs auserkorene Nachfolgerin Christine Quinn, eine bekennende Lesbierin. Als die auch noch freimütig erzählte, Bloomberg stauche sie schon einmal zusammen, wenn sie flache Absätze statt Stöckelschuhen trägt oder ihre Haare nicht färbt, musste der Bürgermeister einmal mehr den Vorwurf abwehren, er sei ein Sexist.

Das ist kein Einzelfall. Politik ist auch in den politisch korrekten Vereinigten Staaten ein Männersport. Und wo das Adrenalin pulsiert, setzen bisweilen Verstand und Umgangsformen gleichzeitig aus. Der New Yorker Lokalpolitiker Ed Hartzog zum Beispiel quittierte erst vergangene Woche die Frage einer Reporterin nach den Unterlagen seiner Wahlkampffinanzierung mit der Gegenfrage: „Wieso liest ein hübsches Mädel wie du so etwas?“

Klagbar sind solche Sprüche nur, wenn sie am Arbeitsplatz oder im Bildungswesen fallen, sagt die Rechtsprofessorin Susan Deller Ross von der Georgetown University in Washington zur „Presse am Sonntag“. „Ein Politiker kann für solche Kommentare bei der nächsten Wahl bestraft werden. Wirklich wichtig ist ein rechtlicher Schutz dort, wo sexuelle Belästigung die Existenzgrundlage der Frau gefährdet.“

Der Civil Rights Act von 1964 ist die Grundlage dafür. Dieses Bürgerrechtsgesetz verbietet die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts. Sexuelle Belästigung umfasste es anfänglich jedoch nicht. Doch mit den Jahren klagten immer mehr Frauen, die ihre Jobs verloren hatten, weil sie sexuelle Übergriffe ihrer Chefs abgelehnt hatten, auf dieser Basis. „Diese Frauen wurden nämlich schlechter am Arbeitsplatz behandelt, wenn sie sich gegen diese Avancen wehrten“, erklärt Deller Ross.

Heute muss jeder Betrieb mit mehr als 15 Beschäftigten dafür sorgen, dass sexuelle Belästigung unterbunden wird. Das betrifft übrigens nicht nur das klassische „Quidproquo“, also Job oder Beförderung gegen sexuelle Gefälligkeiten. Es ist auch illegal, Frauen zu belästigen, indem man in der Arbeit frauenfeindliche Bemerkungen macht.

Denn nicht jede Frau ist in der Lage, dumme Sprüche ihrer Chefs so trocken zu parieren, wie das Christine Quinn gegenüber Michael Bloomberg getan hat: „Sind Sie schon als so ein riesiges Arschloch aufgewacht? Oder haben Sie den ganzen Tag damit verbracht, sich darauf vorzubereiten, mich so zu beleidigen?“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.02.2013)

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