Stronach: "Großer Respekt vor Gorbatschow"

Stronach Staat Schlafzimmer nichts
Stronach Staat Schlafzimmer nichts(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Kanzler will Frank Stronach nicht werden, aber ein Mandat würde er annehmen. Warum Migranten ihre Deutschkurse selbst bezahlen sollten und warum er für die Homo-Ehe und gegen eine Frauenquote ist. Ein Gespräch.

Herr Stronach, Sie haben einen Weltkonzern aufgebaut und Milliarden verdient. Eigentlich müssten Sie sich jetzt, mit 80 Jahren, zurücklehnen und . . .

Frank Stronach: Ich hätte mich schon mit 50 Jahren zurücklehnen können.

Warum tun Sie es dann nicht?

Ich finde, dass jede Person einen Beitrag für eine bessere Gesellschaft leisten sollte. Und wenn man sehr talentiert ist, sollte man das ausnützen. Ich arbeite jetzt wieder sieben Tage die Woche, zwölf Stunden täglich. Und die Partei wird mich 25 Millionen Euro kosten.

Sie könnten das Geld theoretisch auch für einen guten Zweck spenden. Warum eine Partei, warum in Österreich, warum jetzt?

Österreich muss verändert werden, das System funktioniert nicht mehr. Seit 50 Jahren machen die Regierungen jedes Jahr nur neue Schulden.

Sie reden fast ausschließlich über Wirtschaftsthemen. Aber kaum jemand weiß, wofür Sie gesellschaftspolitisch stehen.

Wir werden unser Parteiprogramm im Februar fertig haben. Das enthält alles – von Kunst und Kultur bis hin zur Umwelt. Aber eines müssen wir trotzdem verstehen: Wenn die Wirtschaft nicht funktioniert, funktioniert gar nichts.

Ich würde trotzdem gern über Gesellschaftspolitik reden, zum Beispiel über das Thema Migration.

Österreich ist wie ein kleines Boot, und jeder will da rauf. Aber wenn es zu voll ist, gehen wir alle unter.

Ist das Boot, wie Sie es nennen, schon voll?

Es ist ziemlich voll.

Sind Sie für einen Zuwanderungsstopp?

Ich bin für Selektion. Wir sollten nur mehr Zuwanderer aufnehmen, die auf dem Arbeitsmarkt gebraucht werden. Ausnahmen sollte man nur für nahe Familienangehörige machen.

Ist das nicht populistisch? Erstens entspricht das bereits der gängigen Praxis, zweitens sind Sie auch ein Migrant, haben in Kanada eine Chance bekommen – und genutzt.

Ich bin kein Populist, ich bin Realist. Kanada ist ein so großes Boot, das kann Millionen aufnehmen und ist immer noch halb leer. Aber Österreich muss aufpassen, dass es seine Kultur nicht verliert. Wenn in Kanada Migranten über das Land schimpfen, sagt man ihnen: Wenn es euch nicht passt, dann geht zurück, wo ihr hergekommen seid.

Jetzt klingen Sie wie ein FPÖ-Politiker.

Ich habe im ärmsten Slumviertel von Baltimore, wo eigentlich nur Schwarze leben, eine technische Schule gebaut, damit sie eine Chance bekommen und sich dann besser integrieren können. Ich habe also bewiesen, dass ich nicht den leisesten Funken Diskriminierung in mir habe. Aber in Österreich wurde die Integrationspolitik vernachlässigt.

Haben Sie Verbesserungsvorschläge?

Die Leute müssen unsere Kultur annehmen und unsere Sprache lernen. Wenn zu viele ausländische Kinder in den Schulklassen sind, bremst das alles.

In Wien werden Schüler mit schlechten Deutschkenntnissen in Vorschulklassen unterrichtet. Ist das der richtige Weg?

Ich finde, Zuwanderer sollten das selbst bezahlen. In Amerika ist das dein Problem. Dort heißt es: Lerne Englisch, wenn du hier leben willst. Wir haben schon genug finanzielle Probleme. Man sollte eine Deutschprüfung bestehen müssen, bevor man einwandern darf.

Vermutlich wollen Sie auch nicht, dass der Arbeitsmarkt für Asylwerber geöffnet wird.

Asylwerber tun einem leid. Aber wir sind ein kleines Land, das zuerst die eigenen Leute berücksichtigen muss. Ich sage nicht grundsätzlich Nein, aber man sollte auch hier sehr selektiv vorgehen.

Wie muss man in der Frauenpolitik vorgehen? Braucht es eine Quote, damit mehr Frauen in Führungspositionen kommen?

Nein, ich bin für natürliche Selektion. Und die Frauen müssen das selbst wollen. Wir haben bei Magna wenig Frauen im Management, obwohl ich vieles probiert habe. Ich habe Werbevideos drehen lassen, um mehr Frauen zu animieren, bei uns Werkzeugmacher zu lernen. Aber es ist mir nicht gelungen.

Haben Sie eine Erklärung dafür?

In technischen Berufen ist es schwierig, Frauen zu bekommen, weil die Erziehung seit Jahrhunderten gleich ist: Wird ein Mädchen geboren, legt man ihm eine Puppe in den Kinderwagen – ein Bub bekommt einen Lastwagen.

Und damit muss man sich abfinden?

Nein. Aber den Familien können wir nichts vorschreiben. Wir müssen in den Schulen ansetzen. Man muss den Mädchen mehr Selbstvertrauen geben, ihnen sagen: Ihr könnt das. Die meisten Frauen sind gescheiter als die Männer. Traurigerweise muss eine Frau doppelt so gescheit sein wie ein Mann, damit sie die gleiche Stelle bekommt.

Deshalb fordern viele eine Frauenquote.

Aber so etwas wäre falsch. Wir müssen die Eigenverantwortung promoten.

Was sagen Sie zu den Vorwürfen gegen den deutschen FDP-Politiker Rainer Brüderle?

Was hat er gemacht?

Er hat zu einer Journalistin unter anderem gesagt, mit ihrer Figur könnte sie auch ein Dirndl ausfüllen. Sie hat darüber geschrieben und eine Debatte über Sexismus ausgelöst.

Das ist eine sehr untergriffige Bemerkung, das hat in unserer Gesellschaft keinen Platz.

Sind Sie dafür, dass homosexuelle Paare standesamtlich heiraten dürfen?

Ich hätte kein Problem damit. Wenn sich zwei Erwachsene verbinden wollen, ist das ihr gutes Recht. Der Staat hat im Schlafzimmer nichts verloren.

Sollen homosexuelle Paare auch Kinder adoptieren dürfen?

Ich weiß nicht, ob ich da zustimmen würde, weil es nicht natürlich ist. Sie können vielleicht gute Eltern sein, aber ein Kind braucht Mutter und Vater.

Sie reden gern über Werte. Zählt Respekt auch zu Ihren Werten?

Natürlich. Wenn du von den Arbeitern nicht respektiert wirst, hast du als Manager keine Chance.

Vor wem haben Sie Respekt?

Ich respektiere Nelson Mandela, er ist eine einzigartige Person. Er hat so viel Leid erdulden müssen und ist trotzdem sachlich geblieben, weil er das Beste für die Menschen wollte. Ich habe auch vor Michail Gorbatschow großen Respekt. Er hat sein Leben riskiert, um Russland liberaler zu machen.

Ihre Kritiker werfen Ihnen oft Respektlosigkeit vor, meistens nach Fernsehauftritten. Brechen Sie bewusst Regeln?

Regeln werden von Menschen gemacht und wieder verändert. Wenn eine Regel dumm ist, respektiere ich sie nicht.

Sind die Regeln im Fernsehen dumm?

Jedes Mal, wenn ich beim ORF bin, gibt es eine negative Geschichte über Mag-na. Außerdem werden immer andere Fragen gestellt, als ausgemacht war. Und nach ein paar Minuten sagt der Interviewer schon wieder „Danke“. Ich will aber erklären, warum ich hier bin.

Sie werden eingeladen, weil Sie neuerdings Politiker sind. Halten Sie nichts von journalistischer Freiheit?

Journalisten haben das Recht, alle Fragen zu stellen. Aber die im ORF sind nicht positiv, sondern Verhinderer.

Wollen Sie eigentlich Kanzler werden?

Ich brauche kein Amt und keine Auszeichnungen, ich habe schon fast alle, die es gibt. Wenn ich mir alle umhänge, kann ich gar nicht schwimmen gehen.

Aber wenn jemand Ihre Partei wählen soll, würde er gern wissen, was Sie vorhaben.

Ich werde ein Mandat annehmen, damit ich im Parlament sprechen kann.

Werden Sie Klubobmann, wenn Ihre Partei in den Nationalrat gewählt wird?

Das muss nicht unbedingt sein, das werden wir dann sehen.

Würden Sie auch in eine Regierung gehen?

Wir sind keine Protestpartei, wir wollen das System ändern und sind deshalb für jedes gute Regierungsprogramm offen. Aber die Werte müssen passen.

Gibt es denn eine Partei, mit der Sie sich eine Koalition vorstellen können?

Zurzeit nicht. Man muss zwar anerkennen, dass auch der Herr Strache das System anprangert. Die meisten trauen sich das ja nicht. Aber ich verstehe von der Wirtschaft schon mehr als er.

Welche Personen in Ihrer Partei halten Sie für ministrabel?

Wir werden in den nächsten Monaten sehr gute Leute vorstellen, sagen wir: ein Schattenkabinett.

Können Sie schon Namen nennen?

Nein, das braucht noch Zeit. Im Mai werden wir vielleicht so weit sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.02.2013)

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