Taus: "Auch die Marktwirtschaft wird aufhören"

(c) Clemens Fabry
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Ex-ÖVP-Chef Josef Taus rät zu staatlichen Eingriffen, lobt die Regierung Faymann, verteidigt Engelbert Dollfuß und gesteht, den Beruf eines Politikers nie angestrebt zu haben. Ein Gespräch zum 80. Geburtstag.

Die Presse: Ihre größten Erfolge haben Sie eigentlich erst als Unternehmer gefeiert. Davor, als ÖVP-Obmann, hatten Sie mit Bruno Kreisky einen unüberwindbaren Gegner. Warum hatten Sie gegen ihn keine Chance? Oder hätte es doch eine gegeben?

Josef Taus: Ich war auch schon vorher in der Wirtschaft, als Generaldirektor der Giro. Gegen Kreisky wollte ich ja gar nicht antreten. Ich hatte auch nicht die geringste Absicht, Parteiobmann zu werden. Nach Hermann Withalms Rücktritt war ich schon vorgeschlagen worden – und ich habe abgelehnt. Und als Karl Schleinzer dann verunglückte, haben sie gesagt: Jetzt musst du! Gegen Kreisky hatte ich keine Chance. Das einzige, was mir möglich erschien, war, ihm die Absolute zu nehmen. Über Kreiskys Talente braucht man nicht zu diskutieren: Er war einfach gescheit und geschickt. Aber wie viele große Politiker – Konrad Adenauer, Helmut Kohl, Willy Brandt, Winston Churchill – hat auch er von Wirtschaft nichts verstanden.

Sie waren also immer mehr Unternehmer als Politiker?

Ich habe als Hilfsarbeiter angefangen.

Als Unternehmer haben Sie sich dann erfolgreich in der Welt des Kapitalismus bewegt. Als bekennender Christlich-Sozialer haben Sie jedoch auch immer wieder Kritik am Kapitalismus geübt. Wie passt das zusammen?

Gut. Das marktwirtschaftliche System hat sich bisher als das erfolgreichste erwiesen. Die Planwirtschaft ging daneben, der Marxismus hat sich nicht durchgesetzt. Aber auch die Marktwirtschaft wird irgendwann zu existieren aufhören, es gibt nichts Ewiges, das Menschen machen. Jedenfalls kann die Marktwirtschaft einer relativ großen Anzahl an Menschen ein relativ gutes Leben sichern.

Sie haben einmal gesagt, Sie seien „Keynesianer“? Ein Attribut, das heutzutage eher Sozialdemokraten zugeschrieben wird.

Aber wo denn? Keynes hat seine Arbeiten geschrieben, um den Sozialismus zu verhindern und die Marktwirtschaft zu sichern.

Was halten Sie von dessen Antipoden Hayek?

Er war ein großer Ökonom, ein großer Liberaler. Aber man muss heutzutage schon sagen: Die Konzentration des Eigentums, der Produktionsmittel, in immer weniger Händen, das geht nicht. Das hält eine demokratisch konzipierte Marktwirtschaft nicht aus.

Der Staat soll also aktiv in die Wirtschaft eingreifen?

Es bleibt ihm nichts anderes übrig. Sie sehen ja, wie rasch die Amerikaner und Engländer reagiert haben in der jüngsten Krise. Blitzschnell haben sie verstaatlicht – General Motors, die Royal Bank of Scotland. Wiewohl ich die Staatsmacht dann auch wieder begrenzen muss, wenn sie den Freiheitsraum der Menschen einschränkt.

Wie beurteilen Sie die aktuelle Regierung Faymann-Spindelegger?

Ach Gott, das Kabinett Faymann wird immer schlechtgemacht. In Wahrheit hatten sie eine der schwierigsten Situationen seit dem Staatsvertrag. So schlecht haben sie es nicht gemacht. Da braucht man nicht immer zu jammern. Zu sagen, das sei alles furchtbar, ist unfair. Auch unsere Minister machen das nicht so schlecht.

Hat Spindelegger eine Chance?

Jeder hat eine Chance.

Welches Verhältnis hatten bzw. haben Sie zu Wolfgang Schüssel?

Er ist einer der intelligentesten Politiker, den die ÖVP je hatte.

Hat er auch Fehler gemacht, beispielsweise nicht hingesehen oder nicht hinsehen wollen, was in den einzelnen Ministerien so lief – Stichwort Buwog?

Jeder macht Fehler. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass Schüssel nur eine Spur korrupt war. Vom Typ her schon nicht. Er kommt aus der katholischen Hochschülerschaft, lebt völlig bescheiden, noch immer in der gleichen Wohnung. Und was soll er denn machen? Er kann ja nicht in jedes Ministerium hineinschauen. Da muss er sich schon verlassen können.

Was halten Sie von Frank Stronach?

Er hat als Werkzeugmacher – das ist ein wichtiger Beruf, das kann nicht jeder – in Amerika große Karriere gemacht. Und auf seine alten Tage probiert er nun eben noch einmal das, was ihm in Kanada politisch nicht gelungen ist.

Sie sind gleich alt wie Stronach und ebenfalls erfolgreicher Unternehmer – Sie könnten also auch noch ein politisches Comeback wagen.

Nein. Ich habe Politik zwar gern, als Hobby, aber als Beruf war das für mich nie erstrebenswert. Wenn ich gerufen wurde, habe ich eine Zeit mitgemacht.

Glauben Sie, dass Ihr Besuch bei Helmut Elsner an der Côte d'Azur Ihrer Partei vor der Nationalratswahl 2006 geschadet hat?

Nein, der Besuch war reiner Zufall. Ich war in der Nähe bei einem alten Freund.

Umstritten war Ihre Rolle beim Kauf des bulgarischen Handybetreibers Mobiltel und dem Weiterverkauf an die Telekom Austria – gemeinsam mit Ihrem Geschäftspartner Martin Schlaff.

Das war eine völlig glatte Geschichte, ich hatte auch keine umstrittene Rolle. Ich habe Martin Schlaff damals gar nicht gekannt. Die Bawag hat uns bekannt gemacht und ich wurde ersucht, bei der Sanierung der Firma mitzumachen. Das tat ich. Ich war dort der Vertreter der Bawag und Aufsichtsratspräsident und habe mitgeholfen, die Mobiltel erfolgreich zu sanieren. Und dann hat das eben die Telekom gekauft. In die Verhandlungen war ich nie eingebunden.

Waren Sie für die Wehrpflicht oder für das Berufsheer?

Ich war eher auf Wehrpflicht-Linie, weil ich – so komisch das jetzt klingt – die alte sozialdemokratische Position, die jetzt auch noch Heinz Fischer vertreten hat, für wichtig für die Ruhe im Land halte. Es ist gut, wenn jeder junge Mann ein paar Monate für sein Vaterland was tut. Und eine Berufsarmee hat eben doch so eine Art Landsknecht-Status. Möglicherweise ist auch ein Bürgerkrieg mit einer Berufsarmee leichter zu machen.

Am 4. März jährt sich übrigens zum 80. Mal die Ausschaltung des Parlaments, eine Zäsur, die dann in den Bürgerkrieg mündete. Wären Sie dafür, das Dollfuß-Bild im ÖVP-Parlamentsklub abzuhängen?

Nein. Ich habe das seinerzeit auch verhindert. Engelbert Dollfuß war das erste prominente Opfer des Nationalsozialismus.

Aber er hat auch eine Diktatur, den Ständestaat, errichtet.

Der Ständestaat ist dann leider etwas totalitär geworden, das war keine glückliche Phase für die Republik. Aber in Wahrheit war es ein Versuch, die Selbstständigkeit des Landes zu erhalten.

Zur Person

Josef Taus, geboren am 8. Februar 1933, studierte Jus und war Staatssekretär im Kabinett Klaus, danach ÖIAG-Chef und Generaldirektor der Girozentrale. 1975 wurde er Obmann der ÖVP, er verlor zwei Nationalratswahlen gegen Bruno Kreisky, 1979 trat er als Parteichef ab. Bis 1991 saß er im Nationalrat. Mehr Fortüne hatte Taus als Unternehmer: Er managte zuerst die Constantia-Holding, gründete später die MTH-Gruppe und sanierte damit Firmen wie Libro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.02.2013)

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