Gesamtschule? „Sollten uns nicht verschließen“

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Mit dem Schuldenberg anderer Länder würde Markus Wallner (ÖVP) schlecht schlafen. Der Vorarlberger Landeshauptmann wünscht sich mehr Steuerautonomie – und Reformen im Bildungsbereich.

Die Presse: Würden Sie in der Haut Ihrer Kollegen Erwin Pröll und Gabi Burgstaller stecken, könnten Sie dann angesichts von Spekulationen und eines hohen Schuldenbergs noch ruhig schlafen?

Markus Wallner: Ich will nicht über andere urteilen, aber manches gibt natürlich Anlass zur Sorge. Die Vorfälle in Salzburg haben zurecht eine Debatte über Spekulation mit öffentlichem Geld ausgelöst. Wer nach Ursachen sucht, wird verschiedene finden. Mit Gesetzen hat das allerdings nicht so viel zu tun, sondern eigentlich mit Hausverstand.

Pröll und Burgstaller mangelt es an Hausverstand?

Es steht mir nicht zu, die Situation in anderen Ländern zu bewerten. Für einen Alemannen wäre es ungewohnt, mit einem Schuldenberg zu schlafen. Wir spekulieren nicht, wir gehen sorgsam mit unserem Geld um.

Verführen viele Schulden eher zur Spekulation?

Natürlich. Wenn man mit den Ausgaben nicht zurechtkommt, entsteht der Druck, mehr zu erwirtschaften. Das führt zu Vorgängen, die im Nachhinein betrachtet wohl nicht richtig waren. Gesamtstaatlich gesehen hat allerdings immer noch der Bund den höchsten Schuldenanteil, nicht die Länder.

Das könnte auch daran liegen, dass der Bund viel Geld an die Länder weitergeben muss.

Wir sind zu Reformen durchaus bereit.

Sie haben vorgeschlagen, den Ländern mehr Einnahmenverantwortung zu geben. An welche Steuern haben Sie da gedacht?

An die Körperschaftssteuer zum Beispiel. Ein Wettbewerb zwischen den Ländern könnte nicht schaden, solange er nicht ruinös ist. Wir könnten auch die Verantwortung für die Grundsteuer neu regeln. Das wäre sogar relativ einfach, weil Grund und Boden nicht mobil sind. Wir müssten aber sicherstellen, dass die Gesamtsteuerquote nicht steigt.

Würden die Länder sorgfältiger mit ihrem Geld umgehen, wenn sie selbst Steuern einheben?

Davon gehe ich aus. Es würde nicht schaden, wenn man diese Fragen dann mit der eigenen Wählerschaft diskutieren muss.

Wie stehen die Chancen, dass es dazu kommt?

Ehrlich gesagt wird das ganz schwer realisierbar sein, weil es keinen Länderkonsens gibt, in Wahrheit auch keinen Bundeskonsens – die SPÖ ist bekanntlich dagegen.

Wie stehen Sie denn zu dem Urteil, das der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte diese Woche gefällt hat: In gleichgeschlechtlichen Verbindungen sollte der eine Partner das leibliche Kind des anderen adoptieren dürfen.

Dieses Urteil ist natürlich umzusetzen.

Es gibt die Forderung, gleich einen Schritt weiterzugehen und homosexuellen Paaren auch die Adoption eines „fremden“ Kindes zu gestatten.

Man sollte nicht gleich überschießen. Ich halte es schon für richtig, von staatlicher Seite zu betonen, dass die Ehe zwischen Mann und Frau im Vordergrund stehen sollte.

Warum eigentlich?

Da sie jene Form ist, aus der auch Kinder entstehen können.

Ist Michael Spindelegger der richtige Spitzenkandidat für die Nationalratswahl?

Aus meiner Sicht schon. Ich glaube, er hat mehr Potenzial, als man vielleicht meint.

Manche in der ÖVP – Ihr Landsmann Karlheinz Kopf etwa – meinen, man könnte nach der Wahl auch in Opposition gehen, andere denken über eine Rechtsregierung nach. Was meinen Sie?

Von mir werden Sie nichts hören. Wir sollten uns nicht mit Spielereien beschäftigen, sondern alle Kraft in den Wahlkampf investieren. Außerdem sollte die Regierung noch Reformen einleiten, etwa im Bildungsbereich.

Die ÖVP ist beim Thema gemeinsame Schule gespalten. Tirol sympathisiert mit ihr, Niederösterreich lehnt sie ab. Wie lautet Ihre Position?

Wir sollten uns der Diskussion über die gemeinsame Schule nicht verschließen. Außerdem hat die Landesregierung gerade ein Forschungsprojekt gestartet: Wir wollen uns nicht mehr länger mit Überschriften beschäftigen, sondern mit den Grundsatzfragen der gemeinsamen Schule – Dienstrecht, Finanzierung etc. Außerdem hoffe ich, dass wir uns mit dem Bund bald über die Ganztagesbetreuung in den Schulen einigen können.

Können Sie das zeitlich konkretisieren?

Ich gehe davon aus, dass die Bund-Länder-Vereinbarung im Mai fertig sein wird.

Was bedeutet das für Schüler, Eltern und Lehrer?

Es soll am Nachmittag sowohl Unterricht als auch Betreuung geben. Im Detail muss das dann die jeweilige Schule entscheiden.

Ist die Große Koalition ein Modell der Zukunft?

Sie ist es dann, wenn sie deutlich mehr Reformkraft entwickelt. Im Bildungsbereich wäre das, wie gesagt, dringend nötig.

Das hört man seit Jahrzehnten. Warum soll das ausgerechnet in der nächsten Periode passieren?

Ich will der Bundesregierung nicht unterstellen, dass nichts passiert ist. Man hat einige Dinge in Bewegung gebracht, zuletzt beispielsweise eine Gesundheitsreform.

Da wurde aus der finanziellen Not eine Tugend.

Dennoch müssen wir anerkennen, dass die Koalition in diesem Punkt einen maßgeblichen Fortschritt erzielt hat.

Die Diözese Feldkirch ist seit eineinhalb Jahren bischofslos – die Entscheidung wird wohl unter dem neuen Papst getroffen. Dauert das zu lange?

Ich mische mich da nicht ein. Aber es würde uns guttun, wenn sich langsam etwas bewegt.

Haben Sie einen Personalwunsch?

Der ist, glaube ich, im Vatikan bekannt.

Wie darf man sich das vorstellen: Sie rufen in der päpstlichen Kurie an und sagen, wen Sie gern als Bischof hätten?

Nein, aber vor solchen Entscheidungen werden viele Persönlichkeiten befragt. Und nach meinem Kenntnisstand gibt es im Vorarlberger Kirchenvolk ganz klare Präferenzen.

Wie lautet Ihre Präferenz? Benno Elbs?

Nur so viel: Der jetzige Diözesanadministrator macht seine Arbeit ausgezeichnet.

Zur Person

Markus Wallner (ÖVP) ist seit Dezember 2011 Landeshauptmann von Vorarlberg. Davor war er Landesrat (unter anderem für Gesundheit und Soziales) und Stellvertreter von Landeshauptmann Herbert Sausgruber. Im ersten Halbjahr 2013 ist der 45-Jährige Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz.Wallner hat Politik und Geschichte studiert. Er ist verheiratet und Vater von drei Kindern. [Fabry]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.02.2013)

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