Ministerin Karl: SPÖ schützt Reiche im Gemeindebau

Die Presse
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Interview. Justizministerin Beatrix Karl kritisiert die Wohnpolitik Faymanns. Das Gerichtsjahr für Jungjuristen wird verlängert. Die Festplattenabgabe kommt vorerst nicht. Die Gesetzesbeschwerde ist "tot".

Die Presse: Frau Minister, Sie haben eine Expertengruppe eingesetzt, die bis 2014 das Strafgesetzbuch evaluiert. Gleichzeitig haben Sie aber selber entschieden, dass das Anfassen des Gesäßes nicht gerichtlich strafbar wird. Wie passt das zusammen?

Beatrix Karl: Ich habe mich bei diesem Thema klar positioniert. Denn man kann als Justizministerin jetzt nicht bei jeder Strafrechtsdiskussion ein Jahr lang keine Antwort geben. Die Expertengruppe arbeitet aber ohne inhaltliche Vorgaben.

In Begutachtung geschickt haben Sie auch bereits eine Novelle, mit der Mindeststrafen für Sexualdelikte erhöht werden. Experten haben das Vorhaben kritisiert. Kommt die Novelle trotzdem?

Ja, es wird keine inhaltlichen Änderungen mehr geben. Und Kritik gab es nur in einem Teil der Stellungnahmen. Meine Vorschläge werden aber etwa von Gerichten, Staatsanwaltschaften, Ländern und Sozialpartnern unterstützt.

Seit Jahresbeginn gilt das strengere Korruptionsstrafrecht. Ihre erste Bilanz?

Es gibt eine neue Bewusstseinsbildung. Die österreichische Mentalität, ein Auge zuzudrücken, gibt es nicht mehr.

Zuletzt meinten Abgeordnete aber, dass es in kleinen Korruptionsfällen keine Verurteilung geben sollte. Anlass war der Prozess gegen Mitarbeiter der Wiener Müllentsorgung, die sich bestechen ließen und dafür mehr Müll mitnahmen. Würden Sie in so einem Fall für eine Diversion (Geldbuße ohne Gerichtsprozess) plädieren?

Das ist genau ein Fall, in dem ich die Diversion für sinnvoll erachte. Bereits vor einem Jahr habe ich sie für minderschwere Fälle von Amtsmissbrauch vorgeschlagen.

Der damalige Entwurf hätte aber auch Diversion bei schwereren Korruptionsfällen möglich gemacht.

Der Fokus war immer auf die minderschweren Fällen des Amtsmissbrauchs gerichtet. Da wäre eine Diversion sinnvoll. Eine Regierungsvorlage wird sich in dieser Legislaturperiode zwar nicht mehr ausgehen. Aber wir haben noch zwei Justizausschüsse in dieser Legislaturperiode. Und es würde mich freuen, wenn von dort eine Initiative für eine Gesetzesänderung ausgeht.

Ex-Justizminister Dieter Böhmdorfer hat auch im Fall Ernst Strasser eine Diversion zur Diskussion gestellt. Heißt das nicht, man kann sich freikaufen?

Bei schweren Fällen von Schuld kann es keine Diversion geben. Die „großen Fische" sollen natürlich verurteilt werden.

Juristen haben sich besorgt gezeigt, weil das Gerichtsjahr für Jus-Absolventen von neun auf fünf Monate verkürzt worden ist. Gibt es eine Möglichkeit, das Gerichtsjahr wieder zu verlängern?

Ich möchte die Möglichkeit der Verlängerung stärker als bisher nützen. Ich habe die Präsidenten der Oberlandesgerichte angewiesen, dass sie jeden zweiten Rechtspraktikanten auf sieben Monate verlängern sollen. Wer gute Arbeit leistet, soll also um zwei Monate verlängert werden. Neu wird auch sein, dass Rechtspraktikanten künftig ein Zeugnis beantragen können. Auf diesem stehen die Stationen, die sie durchlaufen haben, und Beurteilungen durch die Richter.

Justizministerin SPoe schuetzt Reiche
Justizministerin SPoe schuetzt Reiche(c) Die Presse (Clemens Fabry)

Sie haben Vorschläge gemacht, mit denen Wohnen leistbarer werden soll. Warum kommen Sie erst im Wahljahr auf diese Idee?

Das Thema hat sich immer mehr zugespitzt. Es soll mehr gebaut werden, es soll den Leuten leichter möglich werden, Eigentum zu schaffen und Mieten sollen leistbar und transparent sein. Und man muss für Gerechtigkeit bei Gemeindebauwohnungen sorgen.

Kanzler Werner Faymann sagt, Sie wollen das Gehalt der Gemeindebaumieter kontrollieren und die Leute, wenn sie zu viel verdienen, „rausschmeißen". Sind Sie so herzlos?

Ich finde es herzlos, wenn auf der einen Seite Personen, die eine Sozialwohnung benötigen, jahrelang warten müssen und auf der anderen Seite der Bundeskanzler die Reichen im Gemeindebau schützt. Die Reichen sind plötzlich zu Schutzobjekten der SPÖ geworden. Und es soll ja niemand aus dem Gemeindebau ausziehen müssen. Ein Spitzenverdiener kann stattdessen den ortsüblichen Mietszins zahlen, der dann wiederum in den sozialen Wohnbau fließen soll.

Sie werden am Samstag zur steirischen ÖVP-Vizechefin gewählt. Was halten Sie von der Idee, den Ländern die Steuerhoheit zu geben?

Das hätte einen gewissen Charme. Aber man muss dies mit allen Vor- und Nachteilen zu Ende denken.

Kommt im Urheberrecht eine Festplattenabgabe?

Da liegen die Meinungen weit auseinander. In dieser Legislaturperiode kommt die Abgabe nicht.

Einig waren sich die Parteien aber bei der Gesetzesbeschwerde: Jeder Bürger sollte Gesetze, die ihn in einem Zivil- oder Strafprozess betreffen, noch beim Verfassungsgerichtshof anfechten können. Wird diese Idee nun umgesetzt?


Die Gesetzesbeschwerde würde Verfahren verlängern, weil jeder noch zum VfGH gehen würde. Das wäre kontraproduktiv und macht mich nicht glücklich.

Aber auch die ÖVP war dafür.

Der ÖVP-Verfassungssprecher war dafür. Ich meine aber, dass die Gesetzesbeschwerde in der ursprünglichen Form tot ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16. März 2013)

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