Wasserlügen: Pipelines nach Italien, Privatisierung in Wien

Wasserluegen Pipelines nach Italien
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Die nationalen Wasserressourcen sind im EU-Vertrag ausdrücklich geschützt, dennoch wurde von Haider über Strache bis zur Wiener SPÖ versucht, aus der Angst der Bevölkerung um das heimische Wasser politisches Kapital zu schlagen.

Wien. Er hat es ernst genommen. Der Salzburger Agrarlandesrat Josef Eisl (ÖVP) hat 1997 vorgeschlagen, dass Landwirte als neue Einnahmequelle Wasser in die EU exportieren sollten. Der Sturm der Entrüstung war groß. Eisl ruderte später zurück. Seit FPÖ-Obmann Jörg Haider kurz vor der EU-Volksabstimmung 1994 die Gefahr für das heimische Wasser thematisierte, bewegt es die Geschichte der innerösterreichischen EU-Debatte. Nicht weniger als ein Dutzend Mal entstanden Gerüchte, die EU wolle Österreichs Wasser ableiten.

Kurz vor dem EU-Beitritt wetterte der damalige FPÖ-Parteichef Haider nicht nur gegen Blutschokolade und Schildlaus-Joghurt, sondern behauptete auch, dass nach der Aufnahme in die EU das österreichische Wasser in die Po-Ebene gepumpt werden müsse. Bundeskanzler Franz Vranitzky (SPÖ) reagierte bei öffentlichen Debatten zum EU-Beitritt auf solche Behauptungen äußerst sauer: „Der Blödsinn kann gar nicht groß genug sein, um Unsicherheit zu erzeugen.“

Die Gerüchte vom Wasser, das von Österreich nach Italien oder Spanien gepumpt werden soll, bekamen aber auch in der Folge immer wieder Nahrung – und nicht nur aus Österreich. Schon im ersten Jahr der EU-Mitgliedschaft bereitete die EU-Kommission ein Papier für eine Wasserstrategie vor. Obwohl es lediglich darum ging, dass jedes Mitgliedsland einen eigenen Wasserplan entwickeln sollte, um die Versorgung über Jahrzehnte sicherzustellen, wurde dies erneut als Angriff auf Österreichs Wasser interpretiert. Als noch dazu ein spanischer Europaabgeordneter die Forderung aufstellte, europaweite Wassernetze zu schaffen, war innenpolitisch der Teufel los. Boulevardmedien berichteten von Pipelines, die quer durch Europa gebaut würden. Die Forderung des spanischen Abgeordneten fand zwar weder im EU-Parlament noch in einer anderen EU-Institution Gehör, dennoch forderte die FPÖ eine Garantieerklärung der Bundesregierung, dass die Republik die Verfügungsgewalt über ihr Wasser behalten werde.

Die Tatsache, dass Österreich über seine Wasserressourcen selbst bestimmt, wurde in den 18 Jahren EU-Mitgliedschaft weder von der EU-Kommission noch von den EU-Partnerländern infrage gestellt. Bereits zum Zeitpunkt des Beitritts garantierte der EU-Vertrag ein Vetorecht jedes Mitgliedstaates bei Entscheidungen zu Wasserressourcen. Um die innenpolitische Debatte zu beruhigen, setzte sich die damalige Bundesregierung im Jahr 2000 bei den Verhandlungen zum Nizza-Vertrag dafür ein, dass der Übergang zu Mehrheitsentscheidungen in der EU ausdrücklich nicht Wasserressourcen betreffen dürfe. Diesem Wunsch wurde zwar entsprochen, die innenpolitische Beruhigung blieb aber aus.

Als Kärntner Landeshauptmann setzte sich Jörg Haider gemeinsam mit weiteren Landeshauptleuten in den Folgejahren für den „Schutz des österreichischen Wassers“ ein. FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache warnte 2008 davor, dass die neuerliche Änderung des EU-Vertrags dazu führen werde, dass andere Länder auf Österreichs Wasser zugreifen könnten. „Man fordert von wasserreichen EU-Ländern ,Wassersolidarität‘“, behauptete Strache. Wieder musste Spanien als Betreiber solcher angeblicher Begehrlichkeiten herhalten. In Wahrheit gab es weiterhin keinen Plan für eine europaweite Vermarktung von Wasser oder eine verpflichtende Wassersolidarität unter Mitgliedstaaten.

Auch der heute gültige Lissabon-Vertrag schützt Wasserressourcen explizit. Dennoch reichte im vergangenen Jahr die Nachricht über eine neue EU-Richtlinie zu öffentlichen Dienstleistungen aus, um das sensible Thema Wasser wieder einmal aufzukochen. Diesmal warnte nicht nur die FPÖ vor einem Verkauf heimischen Wassers, sondern griff auch die Wiener SPÖ mit ihrer Volksbefragung das Thema einer möglichen Privatisierung von Wasserversorgern auf. Dass es in der Richtlinie lediglich darum geht, die Ausschreibung sämtlicher öffentlicher Dienstleistungen zu regeln und nirgendwo die Forderung nach Privatisierung enthalten ist, spielte in der Debatte kaum eine Rolle.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.03.2013)

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