Schwächeanfälle & Burn-out: Wenn Spitzenpolitik belastet

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Wissenschaftsminister Töchterle erlitt einen Kollaps. Er ist nicht der Einzige, dem der Job zusetzt.

Wien. Es war ein gefundenes Fressen für den Boulevard. Schlagzeilen wie „Dramatischer Zwischenfall“, „Kreislaufkollaps im Parlament“ und „Einlieferung ins AKH“ prangten angesichts des Schwächeanfalls von Wissenschaftsministers Karlheinz Töchterle (ÖVP) auf den Titelseiten der Gratisblätter. Töchterle verließen am Mittwoch nach der Ministerratssitzung die Kräfte. Ganz so dramatisch – wie teils beschrieben – war die Situation zwar nicht. Dass dem Minister der Job zu schaffen macht, ist aber schon seit Längerem ersichtlich. Töchterle wirkt müde.

Sein Terminkalender als Rektor der Universität Innsbruck war wohl weniger dicht gedrängt als es jener als Spitzenpolitiker nun ist. Ein gewöhnlicher Arbeitstag des 63-jährigen Ministers beginnt zwischen 7.30 und acht Uhr. Was folgt, ist ein abwechslungsreiches und jedenfalls sehr dichtes Programm: Verhandlungen, Treffen mit Experten, Podiumsdiskussionen, Interviews und Pressekonferenzen. Außerdem häufen sich die Abendtermine. Nicht selten wirkt der Minister dabei geistig abwesend und erschöpft. Auch an den Wochenenden sind berufliche Verpflichtungen keine Seltenheit. Die Termine führen die Politiker dabei nicht nur quer durch Österreich, sondern durch die ganze Welt. In der Woche vor seinem Kollaps war Töchterle etwa in Brasilien und Chile unterwegs. Das Programm war straff: Neun Flüge in sieben Tagen nahm der Minister auf sich.

Dass den Politikern die Gesundheit angesichts des stressigen Alltags einen Strich durch die Rechnung macht, ist nichts Ungewöhnliches. Im Nationalratswahlkampf 2008 war es FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, der zusammenbrach. Auch Ex-Bundeskanzler Viktor Klima (SPÖ) wurde während des Wahlkampfs im Jahr 1999 durch gesundheitliche Probleme zur Pause gezwungen. Die Diagnose: Lungenentzündung. In diesem Wahlkampf war die SPÖ generell nicht vom Glück gesegnet. Denn wenige Tage nach Klimas Spitalsaufenhalt erlitt der damalige Finanzminister Rudolf Edlinger (SPÖ) einen Kreislaufkollaps.

Entscheidung gegen 100-Stunden-Woche

Für die größten Schlagzeilen in diesem Zusammenhang sorgte in den vergangenen Jahren aber ein anderer: Josef Pröll. Der ehemalige Vizekanzler und ÖVP-Chef wurde 2011 mit einer Lungenembolie in die Innsbrucker Uni-Klinik eingeliefert. Bereits wenige Wochen später gab er seinen Rücktritt bekannt. Bezeichnend war seine Abschiedsrede: „Die vergangenen acht Jahre – die letzten drei davon ganz besonders – waren von besonderer Intensität geprägt“, sagte Pröll. Und weiter: „Ich habe mich nicht gegen die Politik, aber für meine Gesundheit und meine Familie entschieden.“

Auch ein Blick in andere Länder zeigt: Politiker stoßen häufig an ihre Grenzen. Der frühere italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi erlitt während seiner Amtszeit gleich mehrere Schwächeanfälle. Der ehemalige französische Präsident Nicolas Sarkozy wurde wegen eines Kollapses 2009 sogar mit dem Hubschrauber ins Krankenhaus geflogen. Er gestand: „Ich hatte keinen Saft mehr, das kann jedem passieren.“

Passiert ist das auch Matthias Platzeck, dem Ministerpräsidenten Brandenburgs. Er übernahm neben seiner Funktion als Ministerpräsident zwischenzeitlich auch den Vorsitz der SPD. Eine Doppelbelastung, die er nicht lange aushielt. Es folgte ein Nerven- und Kreislaufzusammenbruch, zwei Hörstürze und schließlich die Diagnose: Burn-out.

Mit dieser Diagnose ließ auch der oberösterreichische Landesrat Rudi Anschober aufhorchen. Er nahm im vergangenen Jahr eine dreimonatige Auszeit von der Politik. Bei seiner Rückkehr sprach er von seiner „persönlichen Energiewende“: 100-Stunden-Arbeitswochen wird er nicht mehr machen. Auch Töchterle trat in den vergangenen Tagen bereits leiser und verschob sogar die Einigung bei der neuen Lehrerausbildung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.03.2013)

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