In den Bundesländern gibt es einen Trend zu neuen Regierungsformen abseits der Großen Koalition. Und immer öfter sind die Grünen mit an Bord.
Wien. Politischen Kartografen könnte das Jahr 2013 eine Menge Arbeit bescheren. Die ersten Korrekturen auf der Landkarte sind bereits nächste Woche in Kärnten vonnöten: Erstmals in der österreichischen Geschichte wird nicht nur eine Regierung aus SPÖ, ÖVP und Grünen paktiert, sondern auch die erste Dreiparteien-Koalition auf Landesebene.
Österreich wird also bunter – aber nicht nur wegen Kärnten. Seit geraumer Zeit ist ein Trend zu alternativen Regierungsformen abseits der Großen Koalition zu beobachten. Zum einen. Zum anderen scheinen sich die Grünen in der Regierungsrolle immer mehr zu gefallen – als wollten sie sich in den Ländern für größere Aufgaben empfehlen.
Denn Kärnten ist bereits das dritte Land, in dem die Grünen mitregieren. In Oberösterreich sind sie seit 2003 Juniorpartner der ÖVP. Das koalitionäre Klima ist nach wie vor intakt, weil beide Partner den Pragmatismus über die Ideologie stellen. Strittige Entscheidungen, etwa in der Energie- oder Verkehrspolitik, werden regelmäßig in die freie Abstimmungszone ausgelagert.
Dass sie auch mit der SPÖ können, zeigen die Grünen seit 2010 in Wien, wiewohl die Stadtregierung zuletzt eher unglücklich agierte (Stichwort Volksbefragung). Zum Schaden der SPÖ, wie sich in Umfragen zeigt, während die Grünen von diesem Bündnis profitieren. Generell erfreut sich aber auch die SPÖ gerade an einem Stimmungshoch. Kärnten ist – neben Wien, der Steiermark, Salzburg und dem Burgenland – das fünfte Bundesland, in dem sie den Landeshauptmann stellt. Auch das gab es noch nie.
Fraglich ist allerdings, ob Gabi Burgstaller die Finanzaffäre übersteht und am 5. Mai Salzburg halten kann. Eine Imas-Umfrage, die am Freitag in der „Krone“ publiziert wurde, prognostiziert beiden Regierungsparteien starke Verluste – und eine knappe Entscheidung um Platz eins. Die SPÖ stürzt demnach auf 26 bis 28 Prozent ab, die ÖVP auf 27 bis 29 Prozent. Nutznießer sind alle anderen, vor allem aber die Grünen: Sie haben gute Chancen, die FPÖ von Platz drei zu verdrängen.
Eine Neuauflage von Rot-Schwarz wird es in Salzburg jedenfalls nicht geben. Das Verhältnis zwischen Burgstaller und ÖVP-Chef Wilfried Haslauer ist dem Vernehmen nach zerrüttet. Beide schauen sich bereits nach neuen Partnern um. Infrage kommen ohnehin nur zwei, nämlich FPÖ und Grüne.
Große Koalition in keiner Landeshauptstadt
Überhaupt ist die Große Koalition ein Auslaufmodell geworden, zumindest auf regionaler Ebene. Man findet sie noch im Burgenland, in der Steiermark (wo die budgetäre Not einen Reformeifer bewirkt hat) und – mit der ÖVP als Seniorpartner – in Tirol. Wobei auch dort eine Wahl ansteht. In den Landeshauptstädten sucht man sie jedoch vergebens. In St. Pölten regiert die SPÖ absolut, in Eisenstadt die ÖVP. In Graz haben SPÖ, ÖVP und FPÖ einen Arbeitspakt beschlossen. Eine echte Dreierkoalition gibt es in Innsbruck, wo die ÖVP-nahe Liste „Für Innsbruck“ mit der SPÖ und den Grünen regiert.
In Klagenfurt brach die blau-rote Koalition im Vorjahr auseinander. Seither stellt die FPK eine Minderheitsregierung – zuletzt beim Budget mit ÖVP-Unterstützung. In Linz und Salzburg setzt die regierende SPÖ ebenso auf das „freie Spiel der Kräfte“. Und Bregenz wird seit 2005 schwarz-grün regiert.
Bleibt die Frage, was diese Entwicklungen für den Bund bedeuten? Die Grünen wollen nach der Wahl im Herbst jedenfalls mitregieren. Als Wahlziel hat Parteichefin Eva Glawischnig „15 Prozent plus“ ausgegeben, insgeheim hofft man auf noch mehr.
„Die Regierungsbeteiligungen in den Ländern nützen uns, weil wir uns dort beweisen können“, sagt Bundesgeschäftsführer Stefan Wallner. Die Befürchtung, dass man alsbald dem Establishment zugerechnet werden und Stimmen an Protestparteien verlieren könnte, hegt er nicht: „Wir werden von Leuten gewählt, die Veränderung wollen.“ Optimistisch stimmt Wallner auch, dass die Grünen bei den Landtagswahlen in Kärnten und Niederösterreich verstärkt ins bürgerliche Milieu vorgedrungen sind. Als Beispiel nennt er die starken Zugewinne im Wiener Umland. In Klosterneuburg beispielsweise legten die Grünen auf fast 19 Prozent zu.
Die Wahrscheinlichkeit für eine Zweiparteien-Regierung mit grüner Beteiligung ist dennoch gering. SPÖ oder ÖVP müssten stark gewinnen – und danach sieht es nicht aus. Eine Dreierkoalition nach Kärntner Vorbild hat Glawischnig bereits ausgeschlossen. Was dann? Mit der FPÖ will die SPÖ nicht. Schwarz-Blau wird sich sehr schwer ausgehen. Und Frank Stronach mag nicht regieren. Bleibt also nur eines: die Große Koalition.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.03.2013)