Experte: „Unterschiedliche Pflegekosten extrem ungerecht“

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Experte sieht den Zugriff auf Geld von Angehörigen in der Steiermark als „ganz großen Stachel im Fleisch“. Sozialminister hält Pflegefinanzierung bis 2016 für gesichert.

Wien/Wels/Ett. Für Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) ist die Finanzierung der Pflege bis 2016 geklärt. Die betroffenen Menschen bleiben allerdings im Unklaren, ob es mit dem dafür notwendigen Pflegefondsgesetz vor der Nationalratswahl auch zur Angleichung der je nach Bundesland völlig unterschiedlichen Kosten für mobile Pflegeleistungen kommt.

„Das wird als extrem ungerecht empfunden“, betont Martin Greifeneder, Sozialrichter am Landesgericht Wels, der Spezialist für Pflegegeldfragen ist, im Gespräch mit der „Presse“. Für den Sozialminister steht die Sicherung der Finanzierung bis 2016 im Vordergrund. Im ORF-Radio bestätigte Hundstorfer am Karfreitag einen Bericht der „Presse“: Demnach gibt es dafür 650 Millionen Euro zusätzlich für die Länder, die seit Jahren mit steigenden Ausgaben für die Pflege kämpfen. Für 2015 sind 300 Millionen, für 2016 dann 350 Millionen Euro vorgesehen – aus allgemeinen Steuermitteln, wie im Sozialressort erläutert wird. Die Weichen dafür wurden grundsätzlich mit dem Stabilitätspakt zwischen Bund und Bundesländern bis 2016 gestellt, Hundstorfer hat damit auch die Zustimmung von Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) in der Tasche.

Einheitliche Qualität, dann Geld

Politisch keineswegs einverstanden ist der ÖVP-Seniorenbund. Dessen Vizechefin Ingrid Korosec nahm den „Presse“-Bericht zum Anlass, um Bedingungen für die nach Ostern geplanten Verhandlungen über das Pflegefondsgesetz zu stellen: „Wenn der Bund Geld für eine Landesaufgabe hergibt, müssen einheitliche Qualitätskriterien gewährleistet sein.“ Außerdem dürfe das Geld nur für Pflege verwendet werden. Korosec reagiert damit darauf, dass zuletzt in einem Bundesland Pflegemittel nicht zur Gänze ausgeschöpft wurden und im Gesetzesvorhaben nun keine Bestimmung mehr für eine Rückzahlung nicht verwendeter Pflegemittel enthalten ist. Für beträchtliche Aufregung sorgt überdies die Absicht des Gewerkschaftsbundes (ÖGB), der mittels Leitantrags beim Bundeskongress im Juni ein „Verbot“ der 24-Stunden-Betreuung hilfsbedürftiger Menschen durch Pflegekräfte auf Selbstständigenbasis fordern wird. Das ist brisant, weil derzeit der weitaus größte Teil der 24-Stunden-Betreuung in dieser Form organisiert ist.

24-Stunden-Hilfe: „Hände weg“

Der ÖVP-Seniorenbund lehnte den ÖGB-Vorstoß glatt ab: „Hände weg von der 24-Stunden-Betreuung!“ Denn diese funktioniere.

Der ÖGB reagierte mit einer Klarstellung: Darin bekräftigte er freilich nur, wie am Karfreitag berichtet, dass sich das Verbot auf die 24-Stunden-Betreuung auf Selbstständigenbasis beziehe, um „die Bedingungen sowohl für die betreuenden Personen als auch für die gepflegten Menschen zu verbessern“. Experte Greifeneder sieht jedoch eine ganz wichtige Verbesserung für pflegebedürftige Menschen mit der Reform des Pflegegeldes 2012 durch den Sozialminister bereits in die Wege geleitet.

Einheitliche Bögen für Gutachten

Es gibt inzwischen einheitliche Begutachtungsbögen. Zuvor ist von Rechnungshof und Volksanwaltschaft beklagt worden, dass aufgrund der Unterschiede für die Gutachten Personen je nach Bundesland unterschiedlich als pflegebedürftig eingestuft wurden. Die Folge: Sie erhielten je nach Land Pflegegeld in unterschiedlicher Höhe. Eine zweite Verbesserung ist im Gesetz vorgesehen und in Umsetzung: eine Akademie zur einheitlichen Ausbildung der Gutachter. Für den Experten Greifeneder sind das „gewaltige Fortschritte“. Ein „ganz großer Stachel im Fleisch“ (Greifeneder) für Betroffene bleibt aber. Die Steiermark wird künftig als einziges Bundesland einen Regress verlangen und auf Geld von Angehörigen zugreifen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.03.2013)

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