Der Südtiroler Erbe

Er ist 41 Jahre jung, einem breiten Publikum im Land erst seit zwei Jahren bekannt: Arno Kompatscher geht als Favorit in das heutige Kandidatenrennen um die Spitzenposition für die Landtagswahlen.

Arno Kompatscher ist „mein“ Bürgermeister (von Völs am Schlern, wo auch ich geboren wurde). Und wenn sich die Umfragen kurz vor dem Rückzug seines stärksten Mitbewerbers SVP-Obmann Richard Theiner bewahrheiten – 65 Prozent für Kompatscher, 35Prozent für Theiner –, kann der dritte im Bunde, Elmar Pichler-Rolle, wohl höchstens davon ausgehen, wieder in den Landtag einzuziehen, und Kompatscher wird „mein“ Landeshauptmann werden.

Das Zeug dazu hat er. Ob er der „neue Durnwalder“ wird, wie die Südtiroler Wochenzeitung „FF“ jüngst coverte, bleibt abzuwarten – und nicht zu hoffen. Nicht, weil Durnwalder einen schlechten Job gemacht hätte, aber die Zeiten sind andere geworden. Das scheint dem Kandidaten klar zu sein. Gemäß seinem Politverständnis schaut der Völser dem Volk aufs Maul und tourt zwei Monate durchs Land, per Citroën 2, Fahrrad oder Öffis. „Da habe ich alle Verbände und Organisationen von der Kultur bis zum Zivilschutz besucht, in Österreich würde man das klassisch die Sozialpartner nennen, und mir bei etwa 40 Treffen angehört, was die Leute bewegt und was sie zur Änderung des Landes beitragen können“, sagt Kompatscher. Denn die bisherige politische Elite habe vieles gut gemacht, aber einiges müsse geändert werden.

Er hört hin und stellt den Leuten auf seiner Tour stets gleiche Fragen. Was läuft gut oder schlecht? Was sind die brennendsten Probleme? Was tun? Was können Sie beitragen? Ein Schelm, wer da an Populismus denkt.

Kompatscher, seit 2004 Geschäftsführer der Seis-Seiser Alm Umlaufbahn AG, seit 2005 Bürgermeister der Gemeinde Völs am Schlern und seit 2011 Präsident des Südtiroler Gemeindeverbandes, hat sich einiges abgeschaut von seinem Amtskollegen in Florenz, Matteo Renzi. Dieser hat es als Linksdemokrat geschafft, auch die Mitte und manch rechte Kreise von seiner Politik zu überzeugen und wirkt von der Ferne wie ein Jünger Toni Blairs. Die Zeit der Linken und Rechten ist vorbei.

Kompatscher ist in der Südtiroler Volkspartei eher der Wirtschaft zuzuordnen und lässt sich ebenso wenig festnageln, wie dies Luis Durnwalder wollte, der erkennbar aus der Bauernschaft kam und trotzdem breite Zustimmung unter allen Bevölkerungsschichten genoss. In dem Fall gibt es Parallelitäten zwischen den beiden: der junge Mann, der antritt, das Erbe der Südtiroler nicht nur zu verwalten, sondern den geänderten Zeiten anzupassen. Das hat auch Durnwalder gemacht, und es ist ihm gelungen.


Begrenzte Amtszeit. An einem Punkt rüttelt Kompatscher gleich vorweg: Eine Amtszeit von zwei Perioden sei genug, das zeige auch die gut funktionierende US-Demokratie. Im neuen Landeswahlgesetz soll festgeschrieben werden, dass ein Südtiroler Landeshauptmann dreimal wieder gewählt werden darf. Durnwalder hat fünf Legislaturperioden auf dem Buckel und hätte wohl noch weitergemacht, wenn ihn nicht ein paar unschöne Affären um die Landes-Energieholding SEL auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt hätten.

Er hat dem Neuen ein gut geführtes Land hinterlassen, aber kommen wir nun zu den Antworten: Die größte Stärke des Landes ist zugleich eine große Schwäche. „Wir sind Schnittpunkt zweier Kulturen, nutzen dies aber viel zu wenig“, erzählt Kompatscher von den Gesprächen mit den Menschen. Was die Südtiroler nach wie vor auszeichne, sei ihre große Leistungsbereitschaft.

Eine weitere große Stärke ist der Landeshaushalt, mit 4,6Milliarden Euro mehr als üppig. Gleichzeitig ortet der Kandidat hier eine der größten Schwächen, „da der große Haushalt alles finanziert“. Es werde zwanghaft alles öffentlich finanziert, und es hätte „sich eine Beitragsmentalität mit extremen Fehlallokationen breitgemacht“. Er gibt offen zu, was ein Politiker normalerweise lieber verschweigt: „Wir haben sehr viel öffentliches Geld. Wir bekommen mehr als 90Prozent des Haushaltes von Rom finanziert und geben trotzdem immer dem bösen Staat die Schuld, wenn etwas nicht funktioniert.“

Da ortet der Hobbyläufer auch eine große Schwäche seines kleinen Volkes: „Wir glauben, wir sind der Nabel der Welt und jammern auf hohem Niveau.“ Wo der gemeine Südtiroler beim Jammern recht hat, das ist beim Steuerdruck, der zwischen 50 und 60 Prozent liegt und den Unternehmen schleichend die Wettbewerbsfähigkeit nimmt. Dagegen hat Kompatscher ein probates Mittel: Steuern senken, Beiträge streichen.


Sparen. Er hat viel vor und sagt den Leuten die Wahrheit: „Die Gießkanne wird es nicht mehr geben.“ Langfristig rechnet der Jurist sogar damit, bis zu 20 Prozent weniger Geld im öffentlichen Haushalt verwalten zu können. Das ist viel Geld und muss erst einmal woanders eingespart werden. Dazu will der Kandidat den Landeshaushalt von Grund auf neu schreiben und jede Aufgabe neu begründen – gemäß dem Prinzip des „Zero Base Budgeting“. Gleichzeitig will er die Landesverwaltung reorganisieren und spricht offen darüber, dass es im Verhältnis zu anderen Ländern einen sehr hohen Anteil von Landesangestellten gibt, rund 40.000 verwalten die Anliegen von 500.000 Südtirolern.

Bleibt abzuwarten, was Kompatscher von all seinen Ideen durchzusetzen vermag, und zu hoffen, dass er sich nicht zu schnell davon abhalten lässt. Frau Nadja und seine sechs Kinder werden ihn daran erinnern, als seine kritischsten Unterstützer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.04.2013)

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