Wie das Demokratie-Begehren floppt

Demokratie Begehren
Demokratie Begehren(c) APA/HERBERT PFARRHOFER (HERBERT PFARRHOFER)
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Dass „Demokratie jetzt!“ um die Behandlung im Parlament zittern musste, lag nicht nur am desinteressierten Volk. Auch Strukturmängel machten der Bewegung zu schaffen.

Wien. Es war so etwas wie der Lackmustest für die direkte Demokratie, denn bis Montag stand mit dem Begehren „Demokratie jetzt!“ auch das Instrument des Volksbegehrens selbst auf dem Prüfstand. Und so viel konnte schon in den Tagen davor gesagt werden: Ein Erfolg wird das selbst ernannte Volksaufbegehren – für mehr direkte Demokratie, gegen Listenwahlrecht und Parteienherrschaft – nicht, im Gegenteil.

Bis zum Schließen der letzten Eintragungslokale am Montagabend um 20 Uhr in Wien mussten die Proponenten zittern, ob sie überhaupt die Hürde von 100.000 Unterschriften nehmen würden. Erst dann muss ein Volksbegehren im Nationalrat behandelt werden, nur zwei Volksbegehren („Pro Fahrrad“ 1995, „Raus aus Euratom“ 2011) verfehlten dieses Ziel bisher.

Am Ende schien es auch für „Demokratie jetzt!“ knapp nicht zu reichen (endgültige Daten lagen zu Redaktionsschluss noch nicht vor). Ein Flop ist das überparteiliche Begehren mehrerer Altpolitiker in jedem Fall: Denn was zählt es, wenn das Volk – dessen ureigene Interessen die Proponenten zu vertreten behaupten – das Volksbegehren ignoriert oder boykottiert? Mehrere Faktoren dürften zu dem schütteren Ergebnis beigetragen haben:

Die „Altherrenpartie“: Mit Ex-Vizekanzler Erhard Busek (ÖVP), Ex-Minister Friedhelm Frischenschlager (einst FPÖ, heute Liberale) oder dem Ex-EU-Abgeordneten Johannes Voggenhuber (Grüne) betrieben Altpolitiker das Begehren, die jahrelang Teil des politischen Systems waren, das sie nun vehement bekämpfen. Damit wären sie unglaubwürdig, meinten Kritiker. Fakt ist: Junge Prominente engagierten sich kaum (mehr) für „Demokratie jetzt!“, das ab 2012 von der Bewegung „Mein Österreich“ geplant und umgesetzt wurde.

•Kein Rückhalt in den Parteien:
In ihrer jeweiligen politischen Heimat ernteten die Proponenten bestenfalls ein mildes Lächeln, wenn sie mit ihren Forderungen anrückten: vom personalisierten Wahlrecht über verpflichtende Volksabstimmungen, sobald ein Volksbegehren 300.000 Unterstützer hat, bis zu einer unabhängigen Justiz.

Was die Parteien selbst davon halten? Auf solche Anfragen von „Mein Ö“ erhielten die Altpolitiker in der Regel keine Antworten. „Mein Österreich“-Initiator Wolfgang Radlegger, einst Salzburger SPÖ-Landesparteichef, spricht dennoch von einem Teilerfolg: Immerhin würden sich heute mehrere Lager um Demokratiepakete bemühen. Ob sie es mit den Reformen auch wirklich ernst meinen, bezweifelt er freilich.

•Mangelnde Ressourcen: Nicht nur an (professionellem) Personal im Hintergrund mangelte es der Bewegung, sondern auch an Geld: Gerade einmal 80.000 Euro hat die Bewegung angeblich in das Volksbegehren investiert. „Anstatt uns große Inserate leisten zu können, haben wir aufs Internet gesetzt“, sagt Radlegger.

Ein Wermutstropfen für ihn: Mehrere Proponenten hätten ihr privates Geld in das Projekt gesteckt, dabei habe man auch 30.000 Euro Schulden angehäuft. Vom Staat bekäme man aber nur wenige tausend Euro zurück – sofern das Demokratie-Begehren die Hürde von 100.000 Unterschriften nimmt. „Hannes Androsch hatte für sein Bildungsvolksbegehren immerhin mehr als zwei Millionen zur Verfügung“, sagt Busek.

•Drohende Schubladisierung: Weil aber auch Begehren wie jenes des SPÖ-Politikers Androsch 2011 (trotz 383.724 Unterstützern) in die „Schubladen“ der Politiker gewandert seien, sei das Volk heute „Volksbegehren-müde“, glaubt Busek ebenso wie Voggenhuber. Das habe sich auch beim gleichzeitig zum Demokratie-Begehren abgehaltenen Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien (siehe Bericht) gezeigt: „Da sagen sich die Leute: Es nutzt eh nix“, so Radlegger.

Keine Kandidatur im Herbst

Dass man auf falsche Inhalte gesetzt hat, glauben die Proponenten nicht – im Gegenteil: Man wolle weiter auf Reformen pochen. Unter anderem geplant ist eine Internetplattform, auf der Politiker aller Parteien Rede und Antwort stehen sollen. Vom Tisch sein dürfte eine Kandidatur von „Mein Ö“ bei der Nationalratswahl im Herbst.

Auf einen Blick

Von 15. bis 22. April liefen zwei Volksbegehren: „Demokratie jetzt!“ forderte ein neues, personalisiertes Wahlrecht, mehr direkte Demokratie, unabhängige Justiz und Medien. Das „Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien“ wollte kirchliche Privilegien per (Verfassungs-)Gesetz bekämpfen und zielte auf eine strikte Trennung von Kirche und Staat ab.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.04.2013)

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