Der im Stich gelassene Minister

Affäre. Agrarminister Nikolaus Berlakovich ist gescheitert. Fachkompetenz konnte mangelnden politischen Instinkt und fehlenden Rückhalt im Bauernbund nicht aufwiegen.

Wien. Es war ein Empfang nach seinem Geschmack. Als Nikolaus Berlakovich voriges Jahr an der Seite von Bundespräsident Heinz Fischer einen Staatsbesuch in Kroatien absolvierte, war das für den Landwirtschaftsminister ein Heimspiel. Er wurde hofiert, umringt, parlierte auf Kroatisch mit seinen Amtskollegen und war – wie Beobachter erzählten – ganz in seiner Rolle. In der Rolle des kroatisch-stämmigen „Herrenbauern“, wie ihn ein Weggefährte bezeichnet.

In der Realpolitik spielt Berlakovich eine andere Rolle. Hier gilt er als uneinsichtiger Bauerntölpel, der für seine Agrarlobby über Bienenleichen geht. Da nützt es auch nichts, dass Berlakovich am Dienstag nach dem „Bienengipfel“ einen Fallrückzieher fabrizierte und sich dem EU-weiten temporären Verbot von Neonicotinoiden anschloss – flankiert von Forschungsprojekten zum Bienensterben sowie Programmen für Imker und betroffene Landwirte (siehe Artikel unten).

Das verkündete er mit steinerner Miene, also völlig anders, als er üblicherweise wahrgenommen wird: als freundlicher Herr, der sein Gegenüber (und Kameras) gern anlächelt. Und dabei häufig auch mit seinem unbestritten hohen agrarischen Wissen punkten kann. „Fachlich hat er mehr drauf als seine Vorgänger“, sagt ein Agrarexperte der „Presse“. Ein Umstand, der ihm jetzt auf den Kopf fällt. Denn „Sumsi-Gate“ dürfe einem politischen Profi einfach nicht passieren: Es müsse klar sein, dass ein Nein zum Verbot der Pestizide, die für das Bienensterben mitverantwortlich gemacht werden, politisch nicht machbar sei. Es fehle ihm das „politische G'spür“, sagt ein Intimus.

Berlakovich ist für die eigene Partei zum politischen Problembären geworden. Selbst ein an sich Verbündeter, der niederösterreichische Agrarlandesrat Stephan Pernkopf – Kabinettschef unter Josef Pröll –, sprach sich am Montag für ein Verbot der Pestizide aus.

Kein Bauernbund-Urgestein

ÖVP-Chef Spindelegger sagte: „Im Zweifel für die Bienen. Und stellte damit endgültig klar: Berlakovich ist nicht nur im eigenen Ressort isoliert. „Er hat in der Politik keine Freunde mehr, auch bei den Bauern hat er keinen Rückhalt mehr“, sagt ein Insider. Dem Minister wird angekreidet, dass er sein Ministerium nicht im Griff habe und entscheidungsschwach sei.

Das war in jüngster Zeit bei vielen Bereichen klar zu sehen – etwa bei der Aufregung um falsch vermessene Almflächen (für die die EU Fördergelder zurückfordert). Viele seiner Probleme hat Berlakovich von seinen Vorgängern geerbt – wie die blamable österreichische Klimaschutzbilanz. Er hat freilich noch ein zusätzliches Problem: Frühere Agrarminister konnten aus üppigen Fördertöpfen verteilen, Berlakovich muss hingegen kürzen.

Umso schlimmer ist daher, dass er – anders als seine Vorgänger im Ministerium – keinen starken Rückhalt in der ÖVP hat. Wilhelm Molterer war der Intimus von Kanzler Wolfgang Schüssel, Josef Pröll hatte Vizekanzler Molterer hinter sich. Molterer und Pröll waren zuvor Bauernbund-Direktoren. Es ist für einen Agrarminister kein Nachteil, die beste PR- und Lobbying-Maschinerie des Landes hinter sich zu haben – auch wenn sie nun gegen die Bienen eine seltene Niederlage erlitt.

Die „Causa Bienen“ wurde für den Großbauern aus dem Bezirk Oberpullendorf ein Desaster. „Dabei war die Sache im Ministerrat akkordiert“, erzählt ein Funktionär. Dass Berlakovich in Brüssel gegen ein Verbot von Neonicotinoiden eintritt, sei mit der SPÖ paktiert gewesen. „Eine Falle Marke Darabos“, mutmaßen einige „Dirty Campagning“ hinter der ganzen Sache.

Die einhellige Meinung unter Beobachtern ist, dass Berlakovich als Landwirtschafts- und Umweltminister Geschichte ist. Wenn auch nicht vor den Wahlen. Aber er habe ein politisches Ablaufdatum. Das weiß er auch selbst. Auf die Frage, inwiefern sein Image unter der Affäre gelitten habe, antwortete er: „Schauen Sie sich die Zeitungen an.“ Da musste Berlakovich selbst erstmals an diesem Mittag nach dem „Bienengipfel“ lächeln.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.05.2013)

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