Das Ende der Sozialistischen Internationale

Ende Sozialistischen Internationale
Ende Sozialistischen Internationale(c) EPA (THOMAS�FREY)
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In Leipzig wird am Mittwoch die „Progressive Allianz“ gegründet, eine neue Plattform für sozialdemokratisch orientierte Parteien aus aller Welt. Der neue Parteienverbund macht der Sozialistischen Internationale Konkurrenz.

Wien. Ort und Zeit sind mit Bedacht gewählt. Wenn sozialdemokratische Spitzenpolitiker Mittwoch im Leipziger Ring-Café, am Vorabend des 150-Jahr-Jubiläums der Gründung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins durch Ferdinand Lasalle, das Netzwerk „Progressive Allianz“ aus der Taufe heben werden, hat dies Symbolkraft.

Von Leipzig soll ein Signal der Erneuerung für die, zumindest in Teilen Europas in die Krise geratene Sozialdemokratie ausgehen. Und zugleich soll ein Weckruf für die seit Längerem erlahmte Sozialistische Internationale (SI) ertönen, die sich beharrlich gegen Reformen sperrt. Es dräut das Ende einer Institution.

Es sind vorwiegend Europas Sozialdemokraten, die der SI das Messer ansetzen. Hannes Swoboda, Chef der sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament und einer von rund drei Dutzend SI-Vizepräsidenten, skizziert die Ausgangslage: „Entweder die SI nimmt die Herausforderung an oder sie verschläft die Zukunft.“

Wie ein Gros der europäischen SP-Spitzenpolitiker plädiert er für eine Öffnung einer verstaubten Organisation, deren beste Zeiten unter Brandt, Kreisky & Palme passé sind. Die Nelke bzw. die Rose – die Parteisymbole – sind dahingewelkt.

„Die SI ist leider stumm geworden“, konstatiert Hans-Jochen Vogel, als Ex-SPD-Chef einer aus der alten Garde. Im Zeitalter der Globalisierung, im Zug der Finanzkrise spielt just die Sozialistische Internationale keine Rolle mehr. Seit dem Kollaps des Kommunismus erlitt die SI einen rapiden Bedeutungsverlust. Es ist auch ein Symptom für die Ideenlosigkeit im linken Lager, nur Tony Blair sorgte mit dem Konzept des „Dritten Wegs“ kurzzeitig für Furore. SI-Chef und Ex-Premier Georgios Papandreou ist spätestens seit der Griechenland-Krise selbst angeschlagen. Insbesondere der Gastgeber des Leipziger Reformforums agierte im Vorfeld als treibende Kraft für eine Neuorientierung. In Reden und Beiträgen walzte SPD-Chef Sigmar Gabriel über die Institution SI hinweg. Vernichtend ist der Tenor seiner Vorwürfe: „Uneffektiv, unmodern, erstarrt in Formalien, nicht reformfähig.“

Dass sie viel zu lange Mitglieder wie die früheren Regierungsparteien in Tunesien, Ägypten oder der Elfenbeinküste duldete – oder es im Fall Nicaraguas – immer noch tut, ist ihm ein Dorn im Auge. Er wolle „keine Kumpanei mit Despoten“, monierte Gabriel. Stattdessen soll sich die SI öffnen – unter anderem gegenüber den US-Demokraten, die aus Angst, als „sozialistisch“ abgestempelt zu werden, bis dato eine Mitgliedschaft scheuten.

Revolte der Reformer

Im Kreuzfeuer der Kritik steht der Generalsekretär, der Chilene Luis Ayala, der vielen als Blockierer gilt und der in seinen 24 Jahren im Amt seine Machtfülle ausgeweitet hat. Im Vorjahr wehrte er eine Revolte der Reformkräfte ab, die die einstige schwedische Parteichefin Mona Sahlin auf den Schild heben wollten.

Das misslang, seither drängen die Reformer aus Deutschland, Schweden, Großbritannien oder den Niederlanden auf eine Neuausrichtung. Deutschland und Österreich haben ihren Mitgliedsbeitrag radikal reduziert – auf je 5000 Pfund. Deutschland nimmt bei der SI offiziell nur noch einen Beobachterstatus wahr.

Vor einem halben Jahr nahm die „Progressive Allianz“ bei einem Treffen in Rom erstmals Gestalt an. Experiment, Alternative, Konkurrenz? Noch ist nicht klar, wohin sie sich entwickeln oder ob sie die SI ablösen wird. Sie soll der Sozialdemokratie eine wirksame Plattform verschaffen, um die Themenführerschaft wiederzuerlangen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.05.2013)

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