SPÖ-Vorstoß: Lebenslange Haft abschaffen

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SPoe Vorstoss Lebenslange Haft abschaffen(c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER)
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Die strengste Sanktion soll künftig nur noch 20 Jahre Haft sein, so sieht es das SPÖ-Justizprogramm vor. Die Justizministerin lehnt das ab. Doch manche Experten sehen in lebenslang eine menschenunwürdige Strafe.

Es sind umstrittene Passagen, die sich im neuen SPÖ-Justizprogramm zum Thema Strafrecht finden. Haftstrafen seien „grundsätzlich so kurz wie möglich“ zu sein, heißt es etwa. Denn es lasse sich aus Studien ableiten, dass strenge Sanktionen keinen Rückgang der Kriminalität bewirken. Suchtgifthändler sollten nur mehr bestraft werden, wenn sie in großem Ausmaß dealen. Und ganz generell schlägt das SPÖ-Programm das Streichen der lebenslangen Freiheitsstrafe aus dem Strafgesetzbuch vor.

„Denn wesentlich ist die Gefährlichkeit“, sagte SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim bei der Präsentation des Programms am Dienstag. Und wenn es sich um einen gefährlichen oder einen psychisch kranken Rechtsbrecher handle, könne dieser ohnedies auch nach Ende der Haft noch verwahrt werden, präzisierte der Linzer Strafrechtsprofessor Alois Birklbauer. Er arbeitete für die Sozialdemokraten die Details aus. Statt lebenslang soll die Höchststrafe für Kapitaldelikte wie Mord nach dem SPÖ-Plan 20 Jahre Haft sein.

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Politisch sorgten Jarolims Pläne rasch für Aufregung: Die SPÖ müsse verzweifelt sein, wenn sie Junkies und Schwerstkriminelle als Wähler gewinnen will, mutmaßte FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky. „Lebenslang muss lebenslang bleiben“, betonte BZÖ-Mandatar Gerald Grosz. ÖVP-Justizsprecher Michael Ikrath ortete eine Vorleistung der SPÖ für eine „linkslinke Koalition“. Auch Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) erklärte, dass die Abschaffung von lebenslang ebenso abzulehnen sei wie gelindere Sanktionen für Dealer.

Unter Experten herrscht Uneinigkeit zur Frage, ob lebenslang künftig Geschichte sein soll. „Ich würde die Abschaffung tendenziell begrüßen“, meint etwa der Innsbrucker Strafrechtsprofessor Klaus Schwaighofer. „Denn lebenslang ist eine Sanktion, die schwer mit den Menschenrechten in Einklang zu bringen ist“, sagt Schwaighofer im Gespräch mit der „Presse“. Ähnlich positiv sieht der Universitätsprofessor und Strafverteidiger Richard Soyer den Plan: „Die lebenslange Freiheitsstrafe ist eine Sanktion, die die Persönlichkeit des Menschen zerstört“, argumentiert er. Lebenslang sei „ein Tod auf Raten“ und „so kann eine Strafe nicht beschaffen sein“. Soyer meint, dass die Öffentlichkeit Verständnis für die Abschaffung von lebenslang haben würde: „Ich sehe keine unüberwindbaren Probleme, das ist nur eine Frage der Aufklärungsarbeit.“

Bei extremen Taten nötig

„Die Öffentlichkeit würde das nicht verstehen“, meint hingegen Helmut Fuchs, Vorstand des Instituts für Strafrecht an der Uni Wien. Denn es gebe „bestimmte extreme Taten“, bei denen lebenslang angemessen sei. Und das Gesetz sehe ohnedies vor, dass man Häftlinge nach 15 Jahren bedingt entlassen kann, auch wenn diese zu lebenslang verurteilt wurden. Von dieser Möglichkeit soll man auch Gebrauch machen, wenn die Voraussetzungen passen, meint Fuchs. Die Rückfallquote sei bei Leuten, die trotz des Urteils „lebenslang“ entlassen werden, sehr gering.

Es sei Aufgabe der Politik, Strafmaße festzulegen, da wolle man sich als Standesvertretung nicht einmischen, sagt Manfred Herrnhofer, Vizepräsident der Richtervereinigung. Ganz persönlich sei er aber skeptisch in Bezug auf Jarolims Plan: „Wer sich mit einem Verbrechen abseits der Gesellschaft stellt, kann auch das Recht verwirken, an ihr teilzunehmen“, betont Herrnhofer. Die Möglichkeit, jemanden zu lebenslang zu verurteilen, soll es weiterhin geben.

„Noch umstrittener“ sieht der Kärntner Richter den Plan, Drogendealer nicht mehr zu bestrafen, solange sie nicht in großem Maß ihre Geschäfte tätigen. „Schon jetzt ist die Gesetzgebung in diesem Punkt sehr liberalisiert“, sagt Herrnhofer. Das Prinzip Therapie statt Strafe für Täter gelte bereits, eine weitere Liberalisierung sei problematisch. Fuchs hält hingegen „einiges davon“, kleinere Drogendealer nicht mehr zu verurteilen, sofern sie selbst süchtig sind. Es handle sich schließlich um kranke Personen. Auch Anwalt Soyer kann Jarolims Ausführungen in diesem Punkt „viel abgewinnen“.

SPÖ-Zentrale beschwichtigt

Die SPÖ-Zentrale beschwichtigte nach Jarolims Ausführungen. Es handle sich nur um ein Zwischenergebnis des SPÖ-Justizprogramms. „Dieses ist nicht mit der Bundespartei akkordiert“, erklärte SPÖ-Geschäftsführer Norbert Darabos. Einige der präsentierten Vorschläge „sind in der Partei sicher nicht konsensfähig“, sagte Darabos, ohne auf einzelne Themen einzugehen. Darabos selbst hatte im Wahlkampf 2006 die Abschaffung der lebenslangen Haft abgelehnt. Damals sorgten die Grünen mit der Forderung nach dem Ende von lebenslang für Aufsehen. Jarolim sympathisierte 2006 mit der grünen Idee, damals freilich noch, ohne die Abschaffung von lebenslang in einem SPÖ-Programm verbrieft zu haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.05.2013)

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