Die Koalition hat sich auf ein Papier geeinigt, jetzt soll auch die Opposition bis zum Sommer mit ins Boot geholt werden.
Wien. Auslandseinsätze wie jener auf dem Golan sind die wesentliche militärische Aufgabe des Bundesheeres. Denn im Inland sind keine militärischen Bedrohungen mehr zu erwarten. Konventionelle Angriffe auf Österreich sind auf absehbare Zeit unwahrscheinlich geworden: Das alles steht in der neuen Sicherheitsstrategie, auf die sich die Koalition diese Woche geeinigt hat. Jetzt wird mit der Opposition verhandelt, noch im Sommer soll das Papier als Grundlage heimischer Sicherheitspolitik im Parlament beschlossen werden.
Die Fokussierung auf das Ausland ist nicht neu: Schon die Regierung Schüssel hatte die Konsequenzen aus dem Ende des Kalten Krieges gezogen und in ihrer Sicherheitsdoktrin den Schwerpunkt weg von der traditionellen Landesverteidigung hin zu friedenssichernden Maßnahmen im Ausland gelegt. Die neue Sicherheitsstrategie ändert das nur in Nuancen. Die Option eines Nato-Beitritts wurde gestrichen, im Ausland dürfen jetzt aber auch „robuste Einsätze“ – also solche mit höherem Gefahrenpotenzial – durchgeführt werden.
Statt konventioneller militärischer Gefahren ortet die Sicherheitsstrategie eine Reihe von neuen Bedrohungen: Terrorismus, Naturkatastrophen, Cyberkriminalität, Bedrohung strategischer Infrastruktur, das „Scheitern“ von Staaten, Drogenhandel, illegale Migration, Knappheit von Ressourcen, Klimawandel, Umweltschäden und Pandemien gehören dazu. Gab es früher einmal die viel zitierten „Panzerschlachten im Marchfeld“ (die in Wirklichkeit nie Teil der Sicherheitsstrategie waren, genau das wollte das Bundesheer im Kalten Krieg nämlich vermeiden), so steht nun eine Reihe von Bedrohungen im Vordergrund, die mit Panzern und Sturmgewehren nicht zu bekämpfen sind. Der Klimawandel erfordert eine bessere Umweltpolitik, Cyberkriminalität ist eher eine polizeiliche Aufgabe (wobei da die Aufgabenverteilung noch nicht endgültig fixiert ist) und internationale Konflikte, die sich in Form von Migrantenströmen auf Österreich auswirken, erfordern vor allem internationale Lösungen.
Die Koalition will die Sicherheitsstrategie auf jeden Fall vor dem Sommer beschließen. Sie bemüht sich aber um eine möglichst breite Basis – schließlich soll das Papier ja für mindestens zehn Jahre gelten und auch mögliche Koalitionswechsel überstehen. Die Opposition freilich ziert sich noch. Der grüne Sicherheitssprecher Peter Pilz will den Katastrophenschutz stärker verankert sehen und die Auslandseinsätze als „einzige verbliebene militärische Schlüsselaufgabe“ festlegen. Das von der Koalition vorgelegte Papier sei teilweise ein Rückschritt hinter die Bundesheerreform, so Pilz.
FPÖ: Militärische Fähigkeiten erhalten
Die Freiheitlichen haben genau den gegenteiligen Zugang: Das Militärische sei zu sehr „herunterdimensioniert“ worden, müsse aber in der Sicherheitsstrategie im Mittelpunkt stehen, sagt der Abgeordnete Peter Fichtenbauer. Und zwar nicht nur die Auslandseinsätze, sondern auch der Erhalt der militärischen Fähigkeiten im Inland. Denn niemand könne mit Sicherheit prophezeien, dass man diese nicht mehr brauchen werde.
SPÖ-Wehrsprecher Stefan Prähauser will der Opposition entgegenkommen – aber nicht um jeden Preis. „Wenn das BZÖ den Nato-Beitritt drinnen haben will, werden wir dem nicht nachkommen können“, erklärte Prähauser der „Presse“.
Das Koalitionspapier war schon vor zwei Jahren praktisch fertig, lag aber wegen der Berufsheerdebatte auf Eis. Jetzt wird die Wehrpflicht explizit in der Sicherheitsstrategie verankert.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.06.2013)