Gewerkschaft: Der (begrenzt) starke SPÖ-Arm

Tonangebend beim SPÖ-Kurs: ÖGB-Präsident Erich Foglar (l.) mit Kanzler Faymann beim Wiener Mai-Aufmarsch.
Tonangebend beim SPÖ-Kurs: ÖGB-Präsident Erich Foglar (l.) mit Kanzler Faymann beim Wiener Mai-Aufmarsch.(c) APA/HANS PUNZ (HANS PUNZ)
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Die roten Arbeitnehmervertreter haben Faymann auf Kurs Richtung Reichensteuer gebracht. Selbst wenn ihr Einfluss in der SPÖ gestiegen ist: ÖGB-Präsident Foglar und FSG-Chef Katzian erlitten auch Abfuhren.

Wien. Gleich zweimal kommt Bundeskanzler und SPÖ-Vorsitzender Werner Faymann heute, Dienstag, zur Gewerkschaft in das Wiener Austria Center: zuerst zur Fraktionstagung der roten Gewerkschafter (FSG), und um 17 Uhr spricht er dann bei der offiziellen Eröffnung des ÖGB-Bundeskongresses.

Die SPÖ-Gewerkschafter werden den Regierungschef freundlicher empfangen als bei der FSG-Tagung Ende Juni 2009. Damals musste sich Faymann herbe Kritik von SPÖ-Gewerkschaftern anhören, weil er sich zu wenig für Vermögensteuern einsetze und den steirischen SPÖ-Landeshauptmann Franz Voves in dieser Frage in der Partei zu wenig unterstütze.

Seit dem Start der „Gerechtigkeitskampagne“ vor dem SPÖ-Bundesparteitag 2010 haben sich die Zeiten geändert. Nun sind Vermögensteuern Fixpunkt im SPÖ-Wahlprogramm, mit dem Faymanns Verbleib im Kanzleramt am 29.September gesichert werden soll. Jetzt besteht der Unterschied noch darin, ab wann Vermögende steuerlich stärker zur Kassa gebeten werden sollen. Wenn es nach dem SPÖ-dominierten Gewerkschaftsbund ÖGB geht, wäre das ab 700.000 Euro der Fall, nach dem SPÖ-Modell käme die „Reichensteuer“ ab einer Million Euro. Die Erbschaftssteuer käme laut ÖGB-Leitantrag ab 150.000 Euro.

Renaissance nach „Bannfluch“

Die wichtigste Änderung im Verhältnis zwischen SPÖ und ÖGB sowie der FSG-Fraktion hat schon mit der Übernahme von SPÖ-Vorsitz und Kanzleramt durch Faymann 2008 stattgefunden. Sein Vorgänger als Bundeskanzler und SPÖ-Parteichef, Alfred Gusenbauer, war als Konsequenz der Affäre um die damalige Gewerkschaftsbank Bawag auf Distanz gegangen und hatte Spitzenfunktionäre der Gewerkschaft von Nationalratsmandaten verbannt. Dieser Bannfluch ist längst passé, die FSG mit ihrem seit 2009 amtierenden Vorsitzenden Wolfgang Katzian ist nicht nur organisatorisches Rückgrat, sondern auch inhaltlich treibende Kraft. Während Gusenbauer von einer „Hochleistungsgesellschaft“ sprach, zeigt der Kompass der SPÖ seit der Finanzkrise 2008 verstärkt nach links in Richtung Arbeitnehmerinteressen.

Das gilt nicht nur für Vermögensteuern, bei denen Katzians Privatangestelltengewerkschaft seit Jahren treibende Kraft im ÖGB ist, sondern auch für das Credo von ÖGB-Präsident Erich Foglar. Er hat im Widerspruch zum Regierungskurs zuletzt immer lauter vor dem „Kaputtsparen“ in Österreich und in der EU gewarnt. Der 57-jährige, ruhige Ex-Chef der Metaller, der bei seinem Amtsantritt hauptsächlich als Kollektivvertragspartner der Wirtschaft bekannt war, macht nun Druck auf die Regierung für mehr staatliche Investitionen zum Ankurbeln der Wirtschaft.

Auf der Habenseite kann der ÖGB mit Foglar in der zu Ende gehenden Legislaturperiode einiges verbuchen, darunter die Einführung der Bankenabgabe, die bis 2016 befristete Solidarabgabe von Spitzenverdienern, das Hinausschieben kräftiger Einschnitte bei den 2008 noch ausgeweiteten Hacklerfrühpensionen auf 2014.

Die Macht des starken SPÖ-Arms in Form der Gewerkschaft ist dennoch begrenzt. 2014 erfolgt mit dem Pensionskonto eine Umstellung – allerdings mit Abfederungen – auf tatsächlich eingezahlte Beiträge, ein System, das 2003/04 noch mit Streiks bekämpft worden ist. Die angepeilte Angleichung der Rechte der Arbeiter an jene der Angestellten im Arbeitsrecht schlummert mangels Drucks des SP-Klubs, ausgenommen kleiner Nachbesserungen im Parlament.

Den Gewerkschaftswunsch, 24-Stunden-Betreuung auf Selbstständigenbasis zu verbieten, hat Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ), der vor Foglar ÖGB-Präsident war, glatt abgeschmettert. Selbst der mächtige schwarze Chef der Beamtengewerkschaft, Fritz Neugebauer, holte sich beim Vorstoß für Gehaltsverhandlungen für den öffentlichen Dienst vor dem Sommer von der Regierungsspitze eine glatte Abfuhr.

ÖVP-Reibebaum im Wahlkampf

Umso mehr fällt dieser Tage auf, wenn sich ÖVP-Politiker flächendeckend auf den neuen Forderungskatalog beim ÖGB-Kongress einschießen. Hintergrund dafür ist: Die SPÖ soll am Gängelband des ÖGB erscheinen, die beiden führen Österreich gemeinsam ins wirtschaftliche Abseits. Dabei ist weniger auffallend, dass nicht nur der ÖVP-Wirtschaftsbund über Milliardenwünsche des Sozialpartners ÖGB wettert, sondern auch ÖVP-Obmann Michael Spindelegger. Dieser kommt aus dem schwarzen Arbeitnehmerflügel und war zwei Jahre lang auch ÖAAB-Chef.

Spindelegger hat zwar in der Vorwoche mit den Vorschlägen für „leistbares Leben“ versucht, der SPÖ Konkurrenz zu machen. Er verteidigt aber vor allem den Sparkurs der Regierung und ist bemüht, das Image der ÖVP als Wirtschaftspartei zu wahren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.06.2013)

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