Millionen, Kniffe, Risken: Was das Konjunkturpaket bringt

Konjunkturpaket
Konjunkturpaket (c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
  • Drucken

Die Regierung hat ein Konjunkturpaket mit 1,5 Milliarden Euro bis Ende 2016 fixiert. Fast die Hälfte war schon früher zugesagt. Um 400 Wohnmillionen gab es sofort neuen Streit.

Wien. Für die Regierung war zuerst einmal kräftigt durchatmen angesagt: Nach den zuletzt offen ausgetragenen Differenzen hatten sich SPÖ und ÖVP in der Nacht auf Dienstag auf ein Bündel von Maßnahmen geeinigt, mit denen vor allem die Bauwirtschaft zusätzlich angekurbelt werden soll. Insgesamt kommt die Regierung nach ihrer Rechnung nunmehr bis Ende 2016 auf eine Summe von 1,58 Milliarden Euro (siehe Grafik).

Allerdings wurde dabei mit finanziellen Kunstgriffen gearbeitet, damit das Konjunkturpaket stattlicher wirkt. Denn beinahe die Hälfte der Mittel, nämlich 700 Millionen Euro, stammen aus Maßnahmen, die von Regierungsseite bereits einmal angekündigt worden sind und nun teilweise vorgezogen werden. Das gilt etwa für den Ausbau der Pflege oder der Kinderbetreuung: Dafür werden schon heuer 50 Millionen bzw. 71Millionen Euro frei gemacht.

Darüber hinaus werden Rücklagen in den Ministerien aufgelöst, deren Gesamthöhe vorerst nicht beziffert wurde, und die damit künftig fehlen werden. Erlöse wie jene aus der Versteigerung der Funkfrequenzen, die im Budget eingeplant waren, werden für den Bau zusätzlicher Wohnungen abgezweigt.

Die Geldspritze birgt Risken für das Budget. Rein rechnerisch würde sich das Budgetdefizit jährlich um 0,16 Prozentpunkte erhöhen. Das Fragezeichen: Die Regierung hofft, dass durch mehr Beschäftigung mehr Steuern und Abgaben hereinkommen und die Mehrausgaben so kompensiert werden. Die Koalition bekräftigte daher nach dem Ministerrat, dass es, wie geplant, 2016 ein Nulldefizit geben soll. Kanzler Werner Faymann schloss via ATV ein Sparpaket im Jahr 2014 aus. Das Budget wird aber erst nach der Wahl erstellt. Was ist geplant?Was sind die Haken?

• Wohnbau: Zusätzlich zur Wohnbauförderung stellt der Bund 2014 einmal rund 276 Millionen Euro für den öffentlichen Wohnbau zur Verfügung. Die Länder können diese Mittel nur dann abrufen, wenn sie mehr Wohnungen bauen als im Durchschnitt der vergangenen Jahre. Auf diese Weise sollen 14.000 zusätzliche Wohneinheiten entstehen. Das Geld dafür soll aus der Versteigerung der Mobilfunkfrequenzen kommen und war von Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) schon im Budget verplant. Der Betrag muss also erst wieder eingebracht werden.

Das zweite große Fragezeichen: Für die Jahre 2014 und 2015 werden den Ländern jeweils 200 Millionen Euro für den Wohnbau in Aussicht gestellt. Das muss im nächsten Finanzausgleich allerdings erst verhandelt werden. Prompt gab es nach dem Ministerrat einen neuen Konflikt darüber. Das Finanzministerium erklärte der „Presse“, diese 400 Millionen seien nicht akkordiert.

Einig ist man sich bei den gemeinnützigen Bauträgern, die derzeit Rücklagen bis zu fünf Jahre bilden können. Diese Frist wird – als Bauanreiz – auf drei Jahre verkürzt.

• Kinderbetreuung:
Für den Ausbau von Kindergärten sind satte 350 Millionen Euro fixiert, 50 Millionen Euro davon werden auf heuer vorgezogen. Ein Kniff, denn das Ausbauprogramm bei der Kinderbetreuung wurde gerade erst vor einer Woche von SPÖ und ÖVP vereinbart und schon für die Zeit nach der Nationalratswahl vermeldet.

• Pflegeausbau: Für diese ebenfalls schon beschlossene Maßnahme werden 71 Millionen ins heurige Jahr vorgezogen. Das Problem: Bei der Pflege ist mittel- und längerfristig völlig unklar, wie das notwendige Geld aufgebracht werden kann.

Hochwasserschutz: Die Mittel für die Hochwasserschutzmaßnahmen entlang der Donau werden früher ausgeschüttet und um vier Jahre vorgezogen. Bis 2019 investieren Bund, Länder und Gemeinden 400Millionen. Im Bundesbudget schlägt das 2014 bis 2019 mit jeweils zehn Millionen Euro zu Buche. Für produzierende und touristische Betriebe wird außerdem ein zinsfreies Kreditvolumen von 400 Millionen Euro aus dem ERP-Fonds (Europäisches Wiederaufbauprogramm) zur Verfügung gestellt.

Verkehr: Das Hochwasser hat auch an den Schienen beträchtlichen Schaden hinterlassen. Daher sollen bereits im nächsten Jahr 70 Millionen Euro in die Reparatur fließen. Die Kosten für die Sanierung der Felbertauernstraße (33 Millionen) teilen sich Bund und Tirol. Projekte zur Erhöhung der Tunnelsicherheit werden vorgezogen. Die Asfinag investiert 2014 und 2015 je 60 Millionen.

Unternehmensförderung: Für kleinere und mittlere Unternehmen, die wegen der schwachen Wirtschaftslage nur wenig Investitionskapital haben, legt die Regierung sogenannte Überbrückungskredite auf. Die Garantien werden mit 50 Millionen Euro (bzw. maximal zwei Millionen pro Betrieb) begrenzt. Das Budget wird zur Förderung innovativer Investitionen auf 20 Millionen Euro verdoppelt.

Die Regierung war beim Ministerrat bemüht, ihren jüngsten „Krieg der Worte“ und die „Lizitationspolitik“ (Sozialminister Rudolf Hundstorfer, SPÖ) herunterzuspielen: „Einziger Gewinner“ sei die Wirtschaft.

Konjunkturpaket
Konjunkturpaket(C) DiePresse

Bedenken der Wirtschaftsforscher

Wirtschaftsforscher meldeten Bedenken an. So warnte der Chef des Instituts für Höhere Studien, Christian Keuschnigg, es werde nur ein Teil sofort wirksam, das Paket komme „eigentlich zu spät“. Für den Grazer Volkswirt Michael Steiner handelt es sich um keinen „großen Wurf“. Wifo-Experte Marcus Scheibelecker bewertete das Paket zwar grundsätzlich positiv, es müsse schnell umgesetzt werden und eine budgetäre Mehrbelastung durch andere Einsparungen abgefangen werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.06.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Leitartikel

Hochkonjunktur für unbezahlte Wahlgeschenke

Es ist geschehen, was viele befürchtet haben: Die Regierung nimmt die Alpine-Pleite zum Anlass, um Unsummen in fragwürdige Konjunkturpakete zu stecken.
Experte Konjunkturpaket belastet Budget
Politik

Experte: Konjunkturpaket belastet Budget doch

Wirtschaftsprofessor Michael Steiner kritisiert die "kurzfristige Perspektive" der Milliardenspritze. Für IHS-Chef Keuschnigg kommt das Paket "eigentlich zu spät".
Reaktionen Bekannte Massnahmen erneut
Politik

Opposition: "Bekannte Maßnahmen erneut verkauft"

Arbeiter- und Wirtschaftskammer sehen in dem Paket einen "guten ersten Schritt". Verhaltener fällt die Reaktion der Opposition aus.
Regierung will Milliarden Euro
Politik

Regierung will 1,6 Milliarden Euro in Konjunktur pumpen

Bis 2016 soll unter anderem verstärkt in Wohnbau, Hochwasserhilfe und Pflege investiert werden. 800 Millionen davon sind "frisches Geld", der Rest stammt aus Maßnahmen, die vorgezogen werden sollen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.