Zweierzellen für junge Gefangene

Analyse. Die Vergewaltigung eines 14-Jährigen löst erneut eine Debatte um jugendliche Häftlinge aus. Sofortmaßnahmen wie die Reduktion des Zellenbelags werden nicht reichen.

Strafvollzug ist nicht das Paradies. Aber gerade im Jugendstrafvollzug haben wir die besten Gefängnisse, die wir je hatten.“ Mit dieser Äußerung, die man angesichts des schweren sexuellen Missbrauchs eines 14-Jährigen in der Justizanstalt Wien-Josefstadt (der Bursch befand sich nicht im Strafvollzug, sondern war U-Häftling) von ÖVP-Justizministerin Beatrix Karl hörte, flammt die Debatte um die teils prekären Haftbedingungen neu auf.

Nach anhaltender Kritik („Zynismus“) reagierte Karl am Donnerstag: Sie schrieb dem Opfer einen Entschuldigungsbrief und empfahl dem Burschen, Entschädigung zu beantragen.

Wo liegen nun die Grundprobleme? Besonders kritisch ist die Lage jener 20 Jugendlichen (14- bis 18-Jährige), die derzeit im Jugendtrakt der Josefstadt einsitzen. Und damit ebendort, im größten Gefängnis Österreichs (aktueller Gesamtstand 1163 Insassen), wo sie eigentlich nicht sein sollten, da es für Jugendliche die Haftanstalt Gerasdorf, Niederösterreich, gibt. Entgegen Vorurteilen sind diese jungen Leute meist keine (mutmaßlichen) Schwerverbrecher, zum Beispiel Mörder, da solche meist rasch nach Gerasdorf kommen. Vielmehr besteht diese Gruppe aus nicht ganz so schweren Fällen. Durchschnittliche Verweildauer in der Anstalt: 40 Tage.

Zu den heiklen Punkten zählen erstens: die Belegung von Hafträumen mit mehreren Personen. Der Vergewaltigungsfall ereignete sich am 6. Mai in einer Vier-Personen-Zelle. Das spätere Opfer war zu einer Dreiergruppe „dazugesetzt“ worden. Dass dieses Trio – einer der drei galt sogar als besonders ruhiger Häftling – den 14-Jährigen kollektiv missbrauchen würde, war zwar nicht absehbar. Aber bei vier Personen ist die Gefahr schwerer innerer Spannungen eben groß.

Zweitens: die langen „Einschlusszeiten“. Wie berichtet sind manche Hafträume aufgrund der Personalnot bei der Justizwache an den Wochenenden mehr als 60 Stunden durchgehend verschlossen. In der Zeit gibt es keine Möglichkeit, etwa in den Werkstätten zu arbeiten – und somit der Enge zu entfliehen. Insofern stellt sich nun sogar ÖVP-Volksanwältin Gertrude Brinek gegen Karl: Wie Letztere denn darauf komme, dass die Volksanwaltschaft bei ihrer Prüfung keine Beanstandungen gefunden habe, wurde am Donnerstag rhetorisch gefragt. Sehr wohl habe man Mängel festgestellt. Etwa – und dies ist der dritte Punkt: fehlende Beschäftigungsmöglichkeiten der Insassen.

Eine Sofortmaßnahme des Justizressorts sieht vor, dass die Jugendlichen in der Josefstadt so umgruppiert werden, dass es nur noch (von Ausnahmen abgesehen) Zweiergruppen in den Zellen gibt. Längerfristig wird nur eine Verlegung der Insassen in betreute Jugendeinrichtungen (gesichert mit Fußfesseln) helfen. Derartige Modelle werden geprüft. Jugendrichter begrüßen dies.

Abhilfe tut not, denn: Der Fall des 14-Jährigen sticht zwar hervor, aber Übergriffe unter jungen Häftlingen werden immer wieder gemeldet. Erst vor zwei Wochen wurde einem Burschen von einem Zellengenossen viermal mit einem Besteckmesser in den Rücken gestochen. Das Opfer musste ins SMZ Ost eingeliefert werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.06.2013)

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