Faymann / Spindelegger: "Wir werden die neue Regierung verkleinern"

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Kanzler Faymann und Vizekanzler Spindelegger ziehen im Doppelinterview mit der "Presse" Bilanz über die Legislaturperiode, bedauern den "Tiefpunkt" Lehrerdienstrecht und sind uneins über den Termin der nächsten Steuerreform.

Nach fünf Jahren Koalition wirken Sie beide wie ein älteres Ehepaar, das sich auseinandergelebt hat, aber nicht auseinandergeht, weil Sie keine Alternative sehen. Trügt dieses Bild?

Werner Faymann: Wir haben das Land durch die Krise geführt, das hat uns zusammengebracht, auch wenn es Dinge gibt, die uns trennen. Aber zeigen Sie mir ein anderes Land, das eine so geringe Arbeitslosigkeit, so stabile Wirtschaftsdaten und eine so stabile Regierung hat.

„Ist Faymann der richtige Kanzler für dieses Land? - Nein“: Herr Vizekanzler, das sind Ihre Worte. Wollen Sie mit Herrn Faymann nicht mehr zusammenarbeiten?

Michael Spindelegger: Wir sind ja nicht verheiratet, um Himmels willen. Wir sind in verschiedenen Parteien, wir sind unterschiedliche Persönlichkeiten. Trotzdem haben wir ein großes gemeinsames Projekt umgesetzt, das Sanierungspaket. Wir gestalten Frühpensionen anders, wir haben die Gesundheitsreform auf den Weg gebracht, das muss uns erst einmal jemand nachmachen.

In vielen Rankings hat Österreich verloren, bei der Wettbewerbsfähigkeit, in Bildungsvergleichen. Steht das Land dort, wo es hingehört?

Faymann: In einigen Positionen auf jeden Fall, bei der Arbeitslosenrate etwa. Im Bildungsbereich muss man unterscheiden zwischen PISA und dem internationalen Lob für unsere duale Ausbildung. Bei der Wettbewerbsfähigkeit müssen wir aufholen, das stimmt. Selbstzufrieden brauchen wir nicht zu sein. Aber man kann darauf, wie Österreich dasteht, stolz sein.

Spindelegger: Die Frage der Wettbewerbsfähigkeit ist zukunftsentscheidend. Wir haben mit der Eindämmung der Frühpensionen die richtigen Maßnahmen gesetzt. Aber wir brauchen noch mehr strukturelle Maßnahmen, wie Unternehmertum fördern, industriefreundliches Klima und keine neuen Steuern, auch damit wir die hohen Standards halten können. Wir haben, etwa mit dem Familienpaket, das wir uns nach der Wahl vorstellen können, gezeigt, dass wir gemeinsame Ziele haben.

Sie erwecken den Eindruck, dass das Land auch nach der Wahl die Große Koalition braucht.

Faymann: Ich würde nicht sagen, dass eine Große Koalition nur in Krisenzeiten gut für das Land ist. Aber wenn es darum geht, dass man mit den Bundesländern Reformen für die nächsten fünf Jahre schnürt, ist eine Zusammenarbeit von zwei Parteien, die in den Ländern stark repräsentiert sind, von Vorteil. Wenn man Wachstum anstrebt, ist es auch gut, wenn die Regierungsparteien in der Sozialpartnerschaft stark repräsentiert sind.

Spindelegger: Der Wähler entscheidet, dann sehen wir weiter.

Können Sie garantieren, dass es 2014 oder die gesamte Periode mit Ihnen kein weiteres Sparpaket geben wird?

Faymann: Es wird 2014 kein Sparpaket geben – schon gar nicht wegen des jetzt beschlossenen Konjunkturpakets. Was ich Ihnen nicht sagen kann, ist, was passieren würde, wenn morgen unerwartet die gesamte Weltwirtschaft völlig zusammenbricht. Aber mit den Reformen, die auf dem Weg sind, brauchen wir 2014 kein Sparpaket.

Spindelegger: Ich will 2014 kein Steuererhöhungsprogramm, und ich will es in der ganzen nächsten Periode nicht. Ich bin gegen neue Steuern. Um wettbewerbsfähiger zu werden, brauchen wir eher weniger Steuern, weniger Staat und mehr Unternehmer, die Arbeitsplätze schaffen.

Ist das als Ankündigung von Steuersenkungen zu verstehen?

Spindelegger: Das geht seriöserweise nur bei einem ausgeglichenen Budget. Daher gibt es eine Steuerreform erst, wenn der Spielraum hergestellt ist. Nach unserem Pfad erreichen wir 2016 ein ausgeglichenes Budget, 2017 einen Überschuss. Wenn das vorher gelingt, weil die Wirtschaft anspringt, wunderbar, dann geht es vorher.

Faymann: Da liegen wir ein bisschen auseinander, denn ich sage, wenn wir Reiche ab einem Vermögen von einer Million Euro besteuern, können wir die Arbeitnehmer früher entlasten.

Stößt die Große Koalition da nicht an ihre Grenzen? Die ÖVP lehnt ja neue Steuern ab.

Faymann: In dieser Periode haben wir die Bankenabgabe eingeführt, Wertpapier-KESt, Stiftungs- und Konzernbesteuerung verändert, die Immobilienwertzuwachssteuer eingeführt. Jetzt liegen wir bei der Reichenbesteuerung ein bisschen auseinander, das ist ein Unterschied, da müssen wir uns auf etwas einigen.

Spindelegger: Diese Steuern waren für die Konsolidierung notwendig. Insgesamt haben wir aber 76 % aus Ausgaben und nur 24 % über neue Steuern aufgestellt. In der nächsten Periode müssen wir die Wirtschaft ankurbeln. Das gelingt sicher nicht, wenn ich sage, passt auf, wenn ihr ordentlich verdient, werdet ihr noch Vermögensteuer zahlen müssen. Daher bin ich für Arbeitsplätze und gegen neue Steuern.

Fühlen Sie sich vom Kanzler in Ihrem Wunsch, die Wettbewerbsfähigkeit anzukurbeln, verstanden?

Spindelegger: Das ist mein Plan.

Faymann: Da werden wir auch zusammenkommen.

Bleiben wir bei der Bilanz dieser Regierungsperiode. Was war Ihr größter Wurf?

Faymann: Unsere Antwort auf die Finanzmarktkrise. Wir haben mit einer Steuerreform, Investitionen und dem Sanierungspaket Maßnahmen gesetzt, die im Gegensatz zu anderen Ländern nicht zu Massenprotesten geführt haben.

Spindelegger: Dieses Sanierungspaket ist der große Wurf. Das hat unglaubliche Milliarden bewegt, aber wenige Österreicher.

Was war der Tiefpunkt?

Faymann: Das Lehrerdienstrecht. Ich erinnere mich an ein Gespräch mit damals noch Josef Pröll als Vizekanzler, in dem wir die zwei Stunden mehr Unterricht durchsetzen wollten. Und am Ende der Periode ringen wir noch immer darum, ob wir das Dienstrecht zustande bringen. Daraus müssen wir lernen: Wenn man sich am Anfang einer Periode etwas vornimmt, muss man beharrlicher bleiben, auch wenn es großen Widerstand gibt.

Spindelegger: Der einzige Trost ist, dass das in den vergangenen 20 Jahren niemandem gelungen ist. Aber das ist keine Entschuldigung, ich will das Lehrerdienstrecht auch zum Abschluss bringen.

In Salzburg hat die ÖVP erstmals ein Bündnis ohne die SPÖ geschmiedet – und ohne bei der FPÖ anzustreifen. Haben Sie Angst vor „Kenia“, Herr Bundeskanzler?

Faymann: Nein. Ich glaube nicht, dass man mit dem Herrn Stronach auf Bundesebene eine Regierung bilden sollte. Er mag ja zum Zuhören amüsant sein, aber eine stabile, verlässliche Regierung kann ich mir mit ihm nicht vorstellen. Wenn ich eine Regierung bilde, werde ich eine Konstellation anstreben, für die ich das Gold des Herrn Stronach nicht brauche.

Wie halten Sie's mit Stronach, Herr Vizekanzler?

Spindelegger: Da wissen wir noch gar nicht, mit wem wir es zu tun haben, er selbst geht in keine Koalition. Ich bleibe bei dem, was ich immer gesagt habe. Zuerst wird gewählt, dann gezählt, dann wird eine Koalition gebildet und ein Koalitionsabkommen unterzeichnet.

Stronach ist auch ein Profiteur der Politikverdrossenheit. Sie haben bei der Konsolidierung symbolische Akte des Sparens auch in der Politik versprochen, etwa die Verkleinerung des Parlaments. Damit wird es nichts.

Faymann: Wir haben gesagt, wir gehen mit gutem Beispiel voran und verkleinern die Regierung um zwei Staatssekretäre. Diesem Beispiel sind Nationalrat und Bundesrat nicht gefolgt. Das muss man akzeptieren. Wir werden die nächste Regierung verkleinern.

Spindelegger: Das gilt auch für mich.

Das Interview wurde von den Chefredakteuren der Bundesländerzeitungen und der „Presse“ geführt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.06.2013)

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