Wissen und Bildung verabschieden sich

Zahlreiche Bildungs- und Wissenschaftssprecher verlassen das Parlament.

Selten sind sich die Parteien so einig wie in diesem Fall: Bildung ist für die Zukunft des Landes wichtig – das würden sie wohl alle unterschreiben. In den Parteien selbst spiegelt sich diese Euphorie allerdings oft nicht wider. Es gibt beliebtere Posten als die des Wissenschafts- bzw. Bildungssprechers. Dementsprechend wird es für die Parteien nicht allzu einfach werden, die zahlreichen Abgänge in diesem politisch brisanten Bereich zu verkraften.

Besonders hart trifft es die ÖVP. Hier wirf sowohl Wissenschaftssprecherin Katharina Cortolezis-Schlager das Handtuch als auch Bildungssprecherin Christine Marek. Beide kandidieren nicht mehr für den Nationalrat und ziehen sich in die Privatwirtschaft zurück. Mit Cortolezis-Schlager verliert die ÖVP zwar eine sehr engagierte und durchaus renommierte Wissenschaftssprecherin, ihre innerparteilichen Ambitionen liefen aber stets ins Leere. Sie strebte zahlreiche Posten an – bekommen hat sie keinen einzigen davon. Das sei auch der Grund für ihren Rückzug, heißt es hinter vorgehaltener Hand.

Für Christine Marek war der Posten als Bildungssprecherin hingegen ohnehin schon der endgültige Schritt ins Abseits. Als Familienstaatssekretärin zählte sie quasi noch zu den Aushängeschildern der Partei. Schon der Wechsel an die Spitze der Wiener ÖVP war alles andere als von Erfolg gekrönt. Als Marek Ende 2012 Werner Amon nachfolgte und zur ÖVP-Bildungssprecherin wurde, verschwand sie nahezu von der Bildfläche. Marek setzte im Bildungsbereich weder Akzente, noch fiel sie durch besonderes Fachwissen auf. Während Amon als Verhandlungspartner von Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) immer wieder in Erscheinung trat, gab es derartige Auftritte von Marek nicht mehr.

Konkurrenz in der eigenen Partei musste sie dennoch nicht befürchten. Die Personaldecke in diesem Bereich ist in der ÖVP dünn. Es wird für die Volkspartei also schwer werden, gleich zwei geeignete Nachfolger zu finden.

Da hat es Kurt Grünewald leichter. Der lang gediente Wissenschaftssprecher der Grünen hat bereits eine Nachfolgerin gefunden. Für ihn wird höchstwahrscheinlich die ehemalige ÖH-Chefin Sigi Maurer die Wissenschaftsagenden übernehmen. Die 28-Jährige, die auf Platz sechs der grünen Bundesliste kandidiert, hat gute Kontakte, sie kennt das System und überzeugte bereits als Studentenpolitikerin mit ihrem Fachwissen. Einzige Befürchtung ihres Vorgängers Grünewald: Maurer, die nach zwei abgebrochenen Studien nun ihren Bachelor in Soziologie abschließt, könnte die nötige Anerkennung in der Wissenschaftsszene fehlen.

Um diese hat auch Martin Graf ständig gerungen. Der FPÖ-Wissenschaftssprecher und Dritte Nationalratspräsident machte sich in seiner Zeit als Geschäftsführer in den Austrian Research Centers (ARC) in Seibersdorf nicht nur Freunde. Im Gegenteil: Ihm wurde unter anderem vorgeworfen, Posten an nahestehende Burschenschafter vergeben zu haben. Mit seinem zweifellos großen Wissen im Bereich Wissenschaft konnte er diesen Vertrauensverlust nie wettmachen.

Im BZÖ sieht die Lage wiederum ganz anders aus. Ob Ursula Haubner Bildungssprecherin bleiben wird, hängt beim Bündnis Zukunft Österreich vor allem davon ab, ob es der Partei überhaupt gelingt, nach der kommenden Wahl im Nationalrat zu bleiben.

Während die anderen Parteien mit einem Abgang ihrer Bildungs- und Wissenschaftssprecher zu kämpfen haben, sitzen in der SPÖ beide – also Wissenschaftssprecherin Andrea Kuntzl und Bildungssprecher Elmar Mayer – auf einem sicheren Ticket für den Verbleib im Nationalrat. Doch allein, dass die beiden nicht ausscheiden, bringt der SPÖ noch nicht den entscheidenden Vorteil. Diesen wird es nur dann geben, wenn sowohl Mayer als auch Kuntzl ihr in den vergangenen Jahren erworbenes Wissen im Bildungsbereich einsetzen. Bei Kuntzl schien das in den vergangenen Monaten immer seltener der Fall zu sein. Ihre Stimme wurde im Wissenschaftsbereich kaum mehr gehört.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.07.2013)

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