Demokratiepaket in der Warteschleife

Demokratiepaket Warteschleife
Demokratiepaket Warteschleife(c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
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Volksbefragungen. Die Koalition will keinen Beschluss mehr vor der Nationalratswahl: Die Neuregelung der Bürgerbeteiligung müsse eingehend diskutiert werden.

Wien/Maf/Apa. Die Aufwertung der Volksbegehren kommt nun doch nicht mehr vor der Nationalratswahl zustande. SPÖ und ÖVP haben beschlossen, dass sie über das Demokratiepaket erst nach der Nationalratswahl am 29.September beraten wollen. Damit sind verpflichtende Volksbefragungen nach erfolgreichen Volksbegehren vorerst vom Tisch.

Eigentlich hätte das Vorhaben schon Anfang Juli im Parlament beschlossen werden sollen. SPÖ, ÖVP und die Grünen hatten sich auf ein gemeinsames Paket geeinigt. Doch nach einer Intervention von Bundespräsident Heinz Fischer, der eine Begutachtung eingefordert hatte, war eine erste Verzögerung zustande gekommen: Nach einer sechswöchigen Begutachtung sollten die Stellungnahmen eingearbeitet und das Paket im September in einer Sondersitzung beschlossen werden. Das ist nun auch abgesagt.

Viele Stellungnahmen erwartet

ÖVP-Klubchef Karlheinz Kopf begründet die Verzögerung mit den zu erwartenden sehr kontroversiellen Stellungnahmen, die man nicht in aufgeheizter Wahlkampfstimmung diskutieren könne. Für SPÖ-Klubchef Josef Cap ist das eine „realistische Sichtweise“. Cap glaubt nämlich an eine Fülle von Stellungnahmen, und die dürfe man nicht negieren, sondern müsse sie entsprechend diskutieren.

Dies werde wohl mehrere Wochen in Anspruch nehmen, und erst dann könne man die Parteiengespräche wieder aufnehmen. Überdies sei es nicht günstig, wenn solche Verhandlungen wenige Wochen vor dem Wahltag geführt würden, wo man sich prononciert zu verschiedensten Themen zu äußern habe und wohl anderes wie Beschäftigung und Bildung im Vordergrund stünde. Einerseits würde die Behandlung dann in einer „sehr wahlkampfbestimmten Form“ stattfinden, andererseits würde das Demokratiepaket auch von anderen Materien zugedeckt.

Geht es nach Cap, könnte sich der Beschluss überhaupt in die Länge ziehen. Denn bei „gründlicher Behandlung“ ist für ihn denkbar, dass das Demokratiepaket erst umgesetzt wird, wenn schon eine neue Regierung im Amt ist. Schließlich handle es sich um eine Materie mit vielen Detailfragen, die das ganze politische System betreffe: „Das kann schon länger dauern.“

Skeptiker setzen sich durch

Damit haben sich die Skeptiker im Wesentlichen durchgesetzt. Cap hat die Aufwertung der Volksbegehren immer schon kritisch gesehen. Und auch Kopf galt – im Gegensatz etwa zu seinem Parteikollegen Staatssekretär Sebastian Kurz – als Skeptiker, was mehr Bürgermitbestimmung betrifft.

Kern des Demokratiepakets ist die Bestimmung, dass von mindestens zehn Prozent der Stimmberechtigten unterstützte Volksbegehren einer Volksbefragung unterzogen werden müssen, wenn der Nationalrat die Forderungen nicht umsetzt. Bei Verfassungsgesetzen liegt die Hürde bei 15Prozent. Nicht abgestimmt werden darf über EU-Gesetze und über Vorhaben, die den Grund- und Menschenrechten widersprechen. Ob eine Volksbefragung zugelassen wird, entscheidet die Bundeswahlbehörde, als Berufungsinstanz ist der Verfassungsgerichtshof vorgesehen. Die Koalition könnte das Vorhaben gemeinsam mit den Grünen umsetzen. Die anderen Oppositionsparteien kritisieren die viel zu hohe Hürde von zehn bzw. 15 Prozent. Im Vorfeld der Verhandlungen hatte sich die Opposition – einschließlich der Grünen – auf einen Vorschlag mit einer Vier-Prozent-Hürde geeinigt.

Dass die Koalition jetzt auch die abgespeckte Variante nicht beschließen will, erzürnt die grüne Verfassungssprecherin Daniela Musiol. „Dass das verschoben wird, bevor überhaupt die Stellungnahmen im Begutachtungsverfahren eingegangen sind, ist bezeichnend“, so Musiol zur „Presse“. Die Koalition wolle das Vorhaben abwürgen.

Kritik kommt auch von den anderen Oppositionsparteien. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache sieht den Beleg dafür, dass es SPÖ und ÖVP nie ernst gewesen sei. Für den stellvertretenden BZÖ-Obmann Herbert Scheibner hat die ÖVP kleinlaut beigegeben und ist vor der SPÖ in die Knie gegangen.

Auf einen Blick

Demokratiereform. Sollen Volksbegehren weiter in aller Regel mehr oder weniger folgenlos im Nationalrat zu den Akten gelegt werden können? Oder sollen derartige Willenskundgebungen der Bürger ab einer bestimmten Beteiligung dazu führen, dass zu den Anliegen eine Volksbefragung zwingend stattfinden muss? Diese Fragen sind unentschieden und bleiben es bis auf Weiteres. Denn SPÖ und ÖVP haben das Demokratiepaket, wie sie es nennen, auf die Zeit nach der Nationalratswahl am 29.September verschoben. Wahlkämpfe eigneten sich nicht für derartige Themen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.07.2013)

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