Ein Viertel mehr Bezieher von Sozialgeld

(c) Clemens Fabry
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Der Kreis der Empfänger einer sozialen Mindestleistung bei den Arbeitslosen wächst. Deutlich mehr als die Hälfte der Betroffenen kommt aus Wien.

Wien. Es sind die neuesten Zahlen, und sie sorgen für Zündstoff in der sozialpolitischen Diskussion. Immer mehr Menschen in Österreich erhalten eine soziale Mindestsicherung, das 2010 eingeführte Sozialgeld für Personen mit geringem oder keinem Einkommen. Exakte aktuelle Daten liegen der „Presse“ für arbeitsfähige Personen vor, die beim Arbeitsmarktservice (AMS) arbeitslos gemeldet sind. 81.872 davon haben im Vorjahr zumindest einmal eine Mindestsicherung erhalten. Das bedeutete laut AMS gegenüber dem Jahr davor einen Anstieg um 16.976 Personen beziehungsweise 26 Prozent.

Insgesamt ist die Gruppe der Bezieher einer Mindestsicherung, die für Alleinstehende maximal 837 Euro brutto pro Monat ausmacht, jedoch noch viel größer. Denn diese wird etwa auch an Pensionisten ausbezahlt. Die Gesamtzahl lag 2011 bei 193.000, ein aktueller Wert fehlt.

Zunahme auch heuer im Mai

Die Statistiken des Arbeitsmarktservice signalisieren jedenfalls insgesamt eine Zunahme im vergangenen Jahr und auch heuer im Mai gegenüber 2011. Außerdem bestätigen die Daten eine weitere Entwicklung: Die mit deutlichem Abstand größte Zahl der Bezieher einer Mindestsicherung kommt aus der Bundeshauptstadt Wien.

Bundesweit betrug demnach der durchschnittliche Stand an Beziehern einer Mindestsicherung bei den beim AMS gemeldeten Arbeitslosen im vergangenen Jahr 28.119. Das waren im Durchschnitt um rund 7000 mehr als im Jahr 2011 mit 21.154 Betroffenen. Im heurigen Jahr gab es eine weitere Steigerung. Im Mai dieses Jahres waren 31.512 von 251.000 beim AMS arbeitslos gemeldeten Personen als Bezieher einer Mindestsicherung registriert. Ein Mitgrund für diesen Zuwachs ist allerdings auch der Anstieg der Arbeitslosenzahlen insgesamt.

Häufig nur eine Teilzahlung

Außerdem wurde nur bei einem Teil die volle Höhe der Mindestsicherung ausbezahlt. In der Mehrzahl der Fälle wurde das Arbeitslosengeld auf das höchste Sozialgeld aufgestockt. So wurden im Vorjahr 19.970 Arbeitslose teilweise unterstützt, 8149 erhielten die volle Mindestsicherung.

Die Daten zeigen: In Wien gibt es den weitaus größten Teil der Bezieher der Mindestsicherung. 2012 waren es im Durchschnitt 18.491 der österreichweit 28.119 beim AMS beschäftigungslos Gemeldeten. Zum Vergleich: In Niederösterreich waren es im Schnitt die zweitmeisten mit 2907, dahinter rangierte die Steiermark mit 2240.

Als Begründung wird angeführt, dass Betroffene in der Anonymität einer Großstadt weniger Scheu hätten, eine Mindestsicherung zu beantragen. In ländlicheren Regionen werde der Bezug noch stärker als „Stigmatisierung“ gesehen. Ein Grund sei außerdem, dass es in Wien mehr Menschen mit Migrationshintergrund gibt.

Tausende arbeiten wieder

Die ÖVP hat in der Vergangenheit die Stadt Wien attackiert, dass diese nicht streng genug gegen Missbrauch vorgehe und zu wenige ins Berufsleben zurückkehrten. Die SPÖ-dominierte Wiener Stadtregierung hat diese Vorwürfe entschieden zurückgewiesen.

Nach der AMS-Statistik kommt es auch in Wien in tausenden Fällen dazu, dass arbeitsfähige Bezieher einer Mindestsicherung wieder Beschäftigung aufnehmen. Im Jahr 2012 war das bundesweit bei 14.879 Personen der Fall, bei rund der Hälfte davon, 7295, in Wien.

Auf einen Blick

Mindestsicherung. Diese löste ab September 2010 die Sozialhilfe ab und macht für Alleinstehende monatlich 837,63 Euro brutto aus. Viele Bezieher erhalten nicht die volle Summe, sondern es werden bestehende niedrigere Einkünfte (etwa Arbeitslosengeld, Pension) auf diesen Betrag aufgestockt. Vermögen bis zu einer Untergrenze von knapp 4000 Euro ist vor dem Bezug aufzubrauchen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.07.2013)

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