Jobwettlauf verdrängt Frauenpension

Jobwettlauf verdraengt Frauenpension
Jobwettlauf verdraengt Frauenpension(c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
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Beim Nationalratswahlkampf in der Regierung, rechnen SPÖ und ÖVP einander Arbeitsplatzstatistiken vor und brisante Pensionsfragen werden zum „Nebenschauplatz“ erklärt.

Wien. „Traumfänger“, „Einsturzstraße“: Es ist nicht die Tagesordnung des sommerlichen Ministerrats, es handelt sich um 19 Plakate von Siegerprojekten der Jugendinitiative „future spirit“, die an diesem Montag im Bundeskanzleramt ein Spalier für die Regierungsmitglieder bilden. Es könnten zumindest Anspielungen auf die bisherigen, ergebnislosen Bemühungen der Regierung um ein neues Lehrerdienstrecht sein. Weil Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) bei einem Scheitern nicht allein dastehen will, wird dieses als „Großprojekt“ deklariert, das man gemeinsam „stemmen muss“ (Dienstrecht siehe Seite8).

Was die rot-schwarze Bundesregierung bei diesem Ministerrat sonst offiziell stemmt, also absegnet, ist nicht so schwer: die Zielsteuerungsvereinbarung zur Gesundheitsreform, die Verkleinerung des Bundesrates um einen Mandatar. Bei der umstrittenen Liste mit 80 neuen Richtern für das Bundesverwaltungsgericht besteht dann die Hauptaufgabe der Regierungsspitze darin zu versichern, dass es keine parteipolitische Einflussnahme gegeben hat (siehe Analyse unten).

Die Regierungsgeschäfte sind in gut 20 Minuten erledigt. Bundeskanzler Werner Faymann sagt anschließend dennoch, es sei „eine Reihe von wichtigen Fragen“ besprochen worden. Dafür nimmt der Nationalratswahlkampf knapp zwei Monate vor dem 29.September im Kanzleramt umso breiteren Raum ein. Allerdings ist der Wille, über brisante Themen wie eine raschere Anhebung des Frauenpensionsalters zu diskutieren, bei SPÖ und ÖVP ganz unterschiedlich ausgeprägt. Bei der Frage, wie sich der Wirtschaftsstandort Österreich und die Arbeitsplätze entwickelt haben, artet das Ganze dann in offene gegenseitige Sticheleien aus.

Faymann: Mit mir keine Änderung

Pensionsthemen sind in Wahlkampfzeiten heikel. Das weiß auch Spindelegger. Zuletzt hat der ÖVP-Chef mit der Aussage aufhorchen lassen, bei den Koalitionsverhandlungen werde er eine frühere Erhöhung des Frauenpensionsalters einbringen. Schon vor dem Ministerrat ist er um Beruhigung bemüht und weicht aus: Neben der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft sei alles andere ein Nebenschauplatz. Für die SPÖ ist es ein unverhofftes Wahlkampfthema, das gern aufgegriffen wird. Dabei hat SPÖ-Sozialminister Rudolf Hundstorfer Ende 2011 selbst offen über eine frühere Anhebung des Frauenpensionsalters nachgedacht, ist nach Schelte des Gewerkschaftsbundes und der SPÖ-Frauen inzwischen aber wieder davon abgerückt.

Das Datum 2024 sei in der Verfassung festgeschrieben, stellt Faymann fest. Danach verspricht er ohne Umschweife: „Mit mir als Bundeskanzler wird es hier keine Änderung geben.“ Der danebenstehende Vizekanzler versucht, der Aussage die Dramatik zu nehmen und macht einen Rückzieher: „Es ist beschlossene Sache.“ Der Beschluss gelte, aber natürlich „bleibt das auf der Tagesordnung“. Er wisse, dass dies „eine nette Sommerdiskussion“ sei, es sei aber ein „völliger Nebenschauplatz“.

Zum koalitionären Hauptschauplatz wird der Streit um mehr Jobs – angeheizt durch die jüngste Studie des Finanzministeriums, wonach seit 2008 Konzerne 70.000 Arbeitsplätze abgesiedelt haben. „Die ÖVP ist dafür, dass wir neue Arbeitsplätze schaffen und keine neuen Steuern“, ätzt Spindelegger in Richtung SPÖ. Der Bundeskanzler verkündet hingegen stolz, von 2009 bis 2013 seien insgesamt 113.533 Arbeitsplätze geschaffen worden, allein 19.647 von Juni 2012 bis Juni 2013.

„Es hätten mehr sein können“

„Es hätten aber auch viel mehr sein können“, beharrt der ÖVP-Chef trotzig und verweist auf mehr als 700 Vorschläge von Experten für Verbesserungen. Faymann kontert mit Daten, die ÖVP-Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner im Februar genannt habe: Demnach hätten sich im Vorjahr zehn Prozent mehr internationale Unternehmen angesiedelt als 2011: „Von dem weiß ich das. Die Studie kenne ich nicht“, ergänzt er süffisant. Spindelegger bleibt hartnäckig: Die steigende Arbeitslosigkeit sei dennoch ein Fingerzeig, mehr zu tun. Experten Seite14

Auf einen Blick

Ministerrat. Die Bundesregierung hat am Montag die Ernennungsliste mit 80 neuen Richtern für das Bundesverwaltungsgericht beschlossen. In der Regierungssitzung wurde außerdem der Vorschlag zur Verkleinerung des Bundesrates von 62 auf 61 Mandatare ab September als Konsequenz aus der Volkszählung 2011 beschlossen. Die nächste Sitzung des Ministerrats ist für 13.August vorgesehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.07.2013)

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