Buch: Hannes Androsch, der neue Liberale

Hannes Androsch, der neue Liberale
Hannes Androsch, der neue Liberale(c) Brandstätter
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Der frühere SPÖ-Finanzminister hält ein Plädoyer für die Marktwirtschaft - und Reformen für unabdingbar. Seine Thesen hat er mit zahlreichen historischen Verweisen versehen. Und er spricht sich für einen EU-Beitritt der Türkei aus.

Die blutige, umfassende Gegenreformation sei schuld, schreibt Hannes Androsch. Sie hätte, da sich Widerstand und Erneuerung eben nicht auszahlen würden, eine Untertanenmentalität hervorgebracht und im Gegensatz zu den protestantischen Ländern mit ihrer Förderung der Eigenverantwortung auch die Industrialisierung im Habsburger-Staat behindert.

„Durch katholisch-monarchische Traditionen und einen verdrängten Liberalismus sind die Österreicher wenig geneigt, Reformen einzufordern – und schon gar nicht, darüber öffentlich polarisierende Debatten zu führen.“ Es sind historische Verweise wie diese, die Hannes Androschs Buch „Das Ende der Bequemlichkeit“ lesenswert machen.

Dass Österreich „abgesandelt“ wäre, so weit würde der ehemalige SPÖ-Vizekanzler in seinem Befund zwar nicht gehen. Aber das Land sei auf dem Weg dorthin – wenn nicht alsbald Reformen folgen würden. Österreich falle in namhaften internationalen Rankings zurück, während vergleichbare Länder wie Schweden und die Schweiz ganz vorn liegen würden. Vor allem den schwedischen Umbau des Sozialstaats empfiehlt Androsch zur Nachahmung.

„Überdehnter Wohlfahrtsstaat“

Mitunter fällt es schwer zu glauben, dass der Autor Androsch nach wie vor Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Österreichs ist, richtet sich doch ein großer Teil seiner Kritik an der vorherrschenden Reformunwilligkeit an die seit Jahren regierende SPÖ. Immer wieder beklagt er das Fehlen des Liberalismus in diesem Lande. Und hält ein Plädoyer für Marktwirtschaft und Globalisierung. Die Subventions- und Sozialquote sei zu hoch, die Staatsschulden und die Verwaltungskosten ebenso. „Der überdehnte Wohlfahrtsstaat hat dazu geführt, dass nicht nur in unserem Land eine gewisse Bequemlichkeit, Wehleidigkeit und ein Anspruchsdenken mit Vollkaskomentalität entstanden ist.“

Lob hat Androsch für die Integrationspolitik parat: Diese Frage sei trotz hohen Migrantenanteils bisher „erstaunlich geschmeidig“ gelöst worden. Selbstredend widmet sich der Volksbegehreninitiator auch der Bildungspolitik: Nicht Prüfungsergebnisse sollten zählen, sondern die Fähigkeit, sich dem schnellen Wandel in der digitalen Gesellschaft anzupassen. Die Kinder sollten „innovation ready“, nicht so sehr „college ready“ gemacht werden.

In der Europapolitik spricht sich Androsch für mehr Macht für den Kommissionspräsidenten und einen hauptamtlichen Präsidenten der Eurozone aus. Und er empfiehlt einen EU-Beitritt der Türkei.

Freilich vergisst Hannes Androsch auch nicht darauf, sich selbst zu loben: Als Verfechter jener Hartwährungspolitik, die er als Finanzminister gegen den Willen Bruno Kreiskys durchgesetzt hat und die der Grundstein für den Wohlstand der jüngeren Vergangenheit gewesen sei. Ein Wohlstand, den er nun gefährdet sieht.

Zum Buch

Hannes Androsch
Das Ende der Bequemlichkeit.
7 Thesen zur Zukunft Österreichs

Brandstätter, 144 Seiten, 19,90 Euro

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.08.2013)

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