Wie schwarze Parteikassen funktionieren

Analyse. Ein neues brisantes Gutachten listet detailliert Zahlungsflüsse aus dem Bereich der Telekom Austria zu den Großparteien ÖVP und SPÖ auf. Gegen drei parteinahe Agenturen wird von der Justiz ermittelt.

Wien. Nur nicht anstreifen – so lautete zuletzt die Devise der beiden Regierungsparteien in der Telekom-Affäre. Bisher klappte das – schließlich mussten sich in drei Prozessen bisher nur Telekom-Manager, Banker und ehemalige Politiker von FPÖ und BZÖ verantworten. Jetzt, vier Wochen vor der Nationalratswahl, wird es für ÖVP und SPÖ eng. Denn in einem neuen Gutachten finden sich Details über umfangreiche Geldflüsse aus der Telekom an die beiden Großparteien. Der PR-Profi Peter Hochegger, der als Drehscheibe von der Telekom zur Politik diente, dazu im „Presse“-Interview: „Es liegt auf der Hand, dass Geld in die ÖVP und auch zur SPÖ geflossen ist.“

1 Was sagt das Gutachten zur Parteienfinanzierung?

Sachverständiger Mathias Kopetzky hat im Auftrag der Staatsanwaltschaft Wien gesondert 16 Projekte mit einem Volumen von neun Millionen Euro unter die Lupe genommen. Sie firmieren unter dem Titel Valora, weil sie über die Firma Valora von Peter Hochegger abgewickelt worden sind. Weder die internen Ermittler der Telekom noch die Justiz hat nachweisbare Gegenleistungen gefunden. Abgerechnet wurde, wie Kopetzky aufzeigt, über Scheinrechnungen. Das System war einfach: Die mutmaßlich illegale Parteienfinanzierung floss nicht direkt, sondern – abgesehen von der Valora – meist über zwischengeschaltete Werbefirmen, die wiederum einer Partei nahestanden. So etwa wurde bei der FPÖ die Media-Connection von Gernot Rumpold benützt, beim BZÖ war es die Agentur Schmied. Im Fall der ÖVP sticht die Media-Select hervor, bei der SPÖ soll es der Echo Verlag gewesen sein.

2 Welche Verbindung besteht zwischen Media-Select und der ÖVP?

Die Media-Select ist Teil der Media.at-Gruppe, zu der auch die Omni-Media gehört. Sie dient auch heute noch als Schaltagentur für große Werbeetats. Die Verbindung zur ÖVP läuft über den Geschäftsführer der drei Firmen: Michael Fischer. Er war bis Mitte 2007 Direktor der ÖVP und galt als enger Vertrauter von Ex-Vizekanzler Wilhelm Molterer. Fischer wechselte nahtlos in die Telekom, wo er bis 2011 eine Managementfunktion bekleidete. Seither ist er beurlaubt.

3Wer zahlte via Media-Select an die ÖVP?

Laut Gutachten sollen in den Jahren 2005 und 2006 – Kanzler war damals Wolfgang Schüssel – 190.800 Euro von der Telekom über die Valora an die Media-Select gegangen sein. Weitere 72.960 Euro zahlten demnach zudem die Lotterien und überdies 50.000 Euro Raiffeisen Oberösterreich. In der Media-Select wurde laut Gutachten „parallel zur normalen Buchhaltung“ ein eigenes ÖVP-Konto geführt. Die Media-Select verrechnete demnach eine (nicht nachweisbare) Leistung der Valora und erhielt dafür Geld, das dem ÖVP-Konto gutgeschrieben wurde. Die Media.at teilte der „Presse“ auf Anfrage dazu mit, sie könne zum „gegenständlichen Thema keinerlei Statements abgeben“. Es handle sich um ein „laufendes Verfahren“.

4 Wie ist der derzeitige Stand der justiziellen Aufarbeitung?

Derzeit wird in der Causa Media-Select und auch rund um die der ÖVP nahestehende Werbeagentur White House sowie den Echo Verlag ermittelt. Und zwar wegen des Verdachts der Abgabenhinterziehung und Beteiligung daran. Beschuldigt sind Michael Fischer und andere, deren Namen die Staatsanwaltschaft Wien nicht nennt. Für alle gilt die Unschuldsvermutung. Fischer wurde bereits als Beschuldigter einvernommen. Laut Behördensprecherin Nina Bussek warte man zuerst den Abschlussbericht der Finanzbehörde ab. Danach werde eine rechtliche Beurteilung der Sachlage vorgenommen. Diese könne auch einen Untreuevorwurf hervorbringen.

5 Wie läuft die gesamte Telekom-Causa weiter?

Die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt im größten Korruptionsskandal der Zweiten Republik gegen insgesamt 40 Personen. Die umfangreiche Causa wurde in mehrere Teilbereiche aufgegliedert. Der erste Fall drehte sich um die Kursmanipulation, die Telekom-Führungskräften Boni von in Summe neun Millionen Euro brachten. Verurteilt wurden nicht rechtskräftig die Ex-Telekom-Vorstände Rudolf Fischer und Stefano Colombo sowie Ex-Telekom-Prokurist Josef Trimmel und Banker Johann Wanovits. Im zweiten Fall ging es um die Zahlung von 600.000 Euro an die FPÖ. Verurteilt wurden – ebenfalls nicht rechtskräftig – Rudolf Fischer sowie die Ex-FPÖ-/BZÖ-Politiker Gernot Rumpold und Arno Eccher.

6 Wie geht die Justiz im Telekom-Verfahren weiter vor?

Der nächste Prozess läuft schon: Es geht um die Zahlung von 960.000 Euro an das BZÖ im Wahlkampf 2006. Angeklagt sind außer Fischer und Hochegger der Werber Kurt Schmied, die BZÖ-Politiker Klaus Wittauer und Arno Eccher, der ehemalige Pressesprecher von Ex-Justizministerin Karin Gastinger, Christoph Pöchinger. Die Werberin Tina Haslinger wurde schon bedingt verurteilt. Das Verfahren wird am 9. September fortgesetzt. Am 10. September ist Michael Fischer als Zeuge geladen.

Auf einen Blick

Ein neues Gutachten des Gerichtssachverständigen Mathias Kopetzky birgt knapp vor der Nationalratswahl viel Brisanz. Es listet im Zuge der Ermittlungen in der Telekom-Korruptionsaffäre Geldflüsse an die ÖVP und die SPÖ auf. Als Drehscheibe zur ÖVP diente die Werbeagentur MediaSelect, wo Ex-ÖVP-Direktor Michael Fischer nach wie vor Geschäftsführer ist. Fischer arbeitet auch in der Telekom, er ist aber beurlaubt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.08.2013)

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