Weniger Euroskeptiker als bisher im Parlament

Heinz-Christian Strache
Heinz-Christian Strache(c) REUTERS (DOMINIC EBENBICHLER)
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Nach einem Wahlkampf ohne EU-Thema werden voraussichtlich 53 Abgeordnete im Nationalrat das Lager der EU- und Euro-Skeptiker vertreten – zwei weniger als bisher.

Wien. Im vergangenen August, kurz vor dem Start des Intensivwahlkampfs holte FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache noch einmal den Rat des niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders ein. In Wien vereinbarten die beiden eine enge Kooperation. Möglicherweise hat Wilders dabei Strache auch vor einer harten Kampflinie gegen EU und Euro gewarnt, denn er selbst war damit nicht gut gefahren. Im vergangenen Jahr trat Wilders im Wahlkampf für einen Euro-Austritt ein und verlor schließlich neun seiner 24 Abgeordnetensitze im niederländischen Parlament.

Die vorhandene EU-Skepsis, so wurde am Beispiel Niederlande klar, kann nicht mit Radikalforderungen bedient werden. Denn der Bevölkerung ist sehr wohl bewusst, dass etwa ein einseitiger Euro-Ausstieg negative Auswirkungen auf Wirtschaft und Arbeitsplätze ihres Landes haben könnte. Insoweit mag nicht verwundern, dass der FPÖ-Chef im Wahlkampf kaum noch seine einstige Forderung nach einem Referendum über den Euro-Austritt wiederholte. Das EU-Thema wurde umschifft wie eine gefährliche Klippe.

Der Meinungsforscher Peter Ulram hat in seinem jüngsten Buch „Politik und Krise“ belegt, dass derart populistische Forderungen in Zeiten der Krise nicht zum Erfolg führen. Am Höhepunkt der Krise 2009 hätten sich denn auch Arbeitslose und jene, die eine konkrete Verschlechterung der Wirtschaftslage befürchten, von der FPÖ abgewandt.

Potenzial an Skeptikern stabil

Insgesamt hat sich das Potenzial an EU-Skeptikern in Österreich nicht wirklich verändert. Ein Drittel (33%) stimmte 1994 gegen den EU-Beitritt. Etwa ein Drittel hält die EU-Mitgliedschaft nach wie vor für einen Fehler. Ein Austritt ob aus der EU oder dem Euro ist nicht mehrheitsfähig. Die Unzufriedenheit mit der Europäischen Union hat sich hingegen deutlich verstärkt. Laut einer jüngsten Eurobarometer-Umfrage sind 52 Prozent der Österreicher der Ansicht, dass sich die EU in die falsche Richtung entwickelt habe. Das mag der Grund sein, warum auch die proeuropäischen Parteien kein Interesse an einer Europadebatte im Wahlkampf hatten. Mit EU-Skepsis war zwar keine Wahl zu gewinnen, mit einer prononciert proeuropäischen Haltung aber auch nicht.

Das Ergebnis der Nationalratswahl ist dennoch erstaunlich: Trotz Krise und einem bereits angekündigten nächsten Hilfspaket für Griechenland hat sich die Zahl der Abgeordneten aus euroskeptischen Parteien nicht erhöht. Hatten FPÖ, BZÖ und Stronach im Nationalrat bisher 55 Sitze, so werden die EU-Skeptiker des Landes künftig nur noch durch 42 Abgeordnete von der FPÖ und 11 von Stronach (insgesamt 53) vertreten sein. Ein Grund für den Rückgang ist das BZÖ, das den Wiedereinzug ins Parlament verpasst hat. Werden auch dessen Stimmen zum EU-skeptischen Lager hinzugezählt, so wird offensichtlich, dass sich das Potenzial an EU- und euroskeptischen Wählern gegenüber der letzten Nationalratswahl 2008 kaum verändert hat.

Realpolitisch von Bedeutung ist, dass es im künftigen Nationalrat eine klare Zweidrittelmehrheit an proeuropäischen Abgeordneten gibt. Bisher war das durch SPÖ, ÖVP und Grüne gegeben. Künftig zählen die Neos-Abgeordneten dazu. Diese Mehrheit wäre für eine Reform des EU-Vertrags notwendig. Dazu könnte es in den nächsten fünf Jahren durchaus kommen. Vor allem Deutschland drängt auf eine Anpassung der rechtlichen Grundlagen der EU, um bisherige Hilfskonstruktionen wie den Rettungsschirm ESM oder den Fiskalpakt juristisch wasserdicht und für den Verfassungshof in Karlsruhe unangreifbar zum machen.

AUF EINEN BLICK

Mehrheitsverhältnisse. Bisher hatte das EU-skeptische Lager 55 Abgeordnete (38FPÖ, 12 BZÖ, 5 Stronach) im Nationalrat, künftig sind es nach derzeitigem Stand nur noch 53 (42 von der FPÖ, 11 von Stronach). Hingegen gibt es eine klare Zweidrittelmehrheit an proeuropäischen Abgeordneten. Es sind derzeit 130. Diese Zweidrittelmehrheit wäre für eine Reform des EU-Vertrags notwendig. SPÖ, ÖVP und Grüne haben diese Mehrheit knapp. Doch auch die Neos-Abgeordneten werden zum proeuropäischen Lager gezählt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.10.2013)

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