Auch die SPÖ und die Neos setzten diesmal stark auf einen Zielgruppenwahlkampf. Aber keine Partei macht das seit jeher so perfekt wie die FPÖ – aus Sicht der Zielgruppe freilich.
Wien. Erst äfft Heinz-Christian Strache Werner Faymann nach, in Mimik, Gestik und Rhetorik, dann Frank Stronach. Eine Pointe jagt die nächste. Wobei „Lieber ein Haus im Grünen als ein Grüner im Haus“ noch eine der besseren ist. Am Ende schmettert John Otti von der gleichnamigen Band dann „Liebe ist der Weg“ mit dem Refrain „H.-C., H.-C., für Österreich! Er kämpft für unser Recht und unsere Würde“. Gefolgt von tausenden rot-weiß-roten Papierschnipseln, die in die Luft geblasen werden.
Man kann diese Inszenierung wie beim FPÖ-Wahlkampfabschluss am vergangenen Freitag auf dem Wiener Stephansplatz peinlich finden. Wie die gesamte „Nächstenliebe“-Kampagne. Aber: Es ist ein perfekter Zielgruppenwahlkampf. Dem Publikum gefällt dies ganz offensichtlich. Und die FPÖ hat es mittlerweile auch gar nicht mehr nötig, mit dem Holzhammer, Marke „Pummerin statt Muezzin“, auf die Zuwanderungsproblematik hinzuhauen. „Nächstenliebe“ wird nun propagiert. Dass es dabei um den Allernächsten und nicht um den Zuwanderer aus Anatolien geht, ist mehr oder weniger selbsterklärend.
FPÖ-Generalsekretär und Kampagnen-Mastermind Herbert Kickl darf mit sich wieder einmal zufrieden sein. Die politisch-korrekten Gegner haben ihn diesmal zwar nicht in Grund und Boden verdammt, sondern vielmehr von oben herab belächelt.
Aber es nutzt halt nichts. Am Wahlabend steht erst recht die FPÖ mit einem Plus da. Diesmal waren es 3,9 Prozentpunkte.
„Die FPÖ hat wieder einmal, gegen alle Unkenrufe, speziell aus der Werbebranche, den Nerv der Bevölkerung getroffen“, liest der Demoskop Peter Hajek aus seiner Nachwahlanalyse heraus. Das Metathema „Nächstenliebe ist gleich Österreicher zuerst“ habe „voll gegriffen“ und sei das wichtigste Motiv gewesen, FPÖ zu wählen. Die weniger aggressive Tonalität des Wahlkampfes habe zudem die nötige Unterscheidung zum Team Stronach gebracht.
Arbeiter und Bildungsbürger
Fast alle Parteien hatten ihre Kampagnen diesmal sehr stark auf spezielle Zielgruppen ausgerichtet: So setzte die SPÖ intensiv auf die Arbeiter und Angestellten, ihre traditionelle Kernklientel. Und die Wahltagsüberraschung dieses 29.September, die Neos, sprachen konsequent und zielgerichtet bisherige LIF-Wähler, ÖVP-Wähler und Grünen-Wähler an. Vor allem im Internet und auf Get-together-Veranstaltungen wie den „Neos at home“-Abenden, die einen Multiplikationseffekt bedeuteten.
Was sich die SPÖ als staatstragende Partei und die Neos als Partei des Bildungsbürgertums aber nicht leisten können, war eine gewisse Skrupellosigkeit. Die FPÖ kann das. Selbst in ihren national-konservativ-bürgerlichen Wählerschichten ist es seit Langem akzeptiert, dass einfache, andere Bevölkerungsgruppen herabsetzende Botschaften sein müssen, um die sogenannten von der SPÖ übernommenen „Modernisierungsverlierer“ an die Partei zu binden.
Denn ist der Ruf erst ruiniert, dann wirbt es sich ganz ungeniert. Und Herbert Kickl agiert, von Selbstzweifeln kaum belastet, seit Jahren genau nach diesem Motto. Der Zweck, also der Wahlerfolg, heiligt die Mittel. Und mittlerweile kann er sich sogar schon eine augenzwinkernde „Nächstenliebe“-Kampagne leisten. Bei der ohnehin jeder weiß, was eigentlich gemeint ist.
Und so ist gerade Herbert Kickl einer der größten innerparteilichen Gegner einer Regierungsbeteiligung der FPÖ. Sie würde seine Geschäftsgrundlage ruinieren.
ZUR PERSON
Herbert Kickl (44), Generalsekretär der FPÖ und Kampagnenverantwortlicher. Der Schulkollege von Eva Glawischnig war schon Jörg Haiders Gag-Schreiber, nach der BZÖ-Abspaltung schloss er sich der Strache-FPÖ an. [ APA ]
("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.10.2013)