Die Flügel der Neos-Liberalen

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Neos(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Wie aus Neos, JuLis und LIF eine Parlamentspartei wurde. Und warum die kleinen ideologischen Unterschiede den dauerhaften Erfolg der Schwarz-Grünen in Pink gefährden könnten.

Neustiftgasse, zwischen Neubaugasse und Myrthengasse, mitten in Bobostan im siebenten Bezirk – oder sollte man besser sagen: in Neostan? Im Erdgeschoß der Sozialmarkt, vor dem die Menschen morgens Schlange stehen, vis-à-vis die Greißlerin Ott, stadtbekanntes Original und Symbol für den Kampf um die Sonntagsöffnung (sie hält einfach offen). Und im Penthouse, wenn man so will, die „Neosphäre“, Zentrale der neuen Parlamentspartei.

Bei der ersten Mitgliederversammlung seit dem Wahlsonntag am vorigen Mittwoch wird der Erfolg hier noch einmal ausgiebig beklatscht. Auch ein „New York Times“-Artikel mit Neos-Bezug wird herumgereicht. Es gibt Stakkato-Applaus für Parteichef Matthias Strolz. Wahlkampfmanagerin Grace Pardy feiert die einzelnen Bundesländerteams ab. Pardy, früher für die Marketing-Agenden bei Coca-Cola und Levi's zuständig, soll sich künftig weiter um Kampagnen und den Markenkern der Neos kümmern. Zum neuen Geschäftsführer wurde an diesem Abend Feri Thierry bestellt, bekannt als ÖVP-Dissident und Lobbyistenvertreter. Die Zahl der Neos-Mitglieder steigt indes stetig: Allein am Montag nach der Wahl traten 114 Leute bei. Insgesamt haben die Neos bereits mehr als 900 Mitglieder.


Liberale Nuancen. Natürlich sind alle Neos liberal, ungeteilt liberal. Sie mögen es gar nicht, auseinanderdividiert zu werden, in Linksliberale und Rechtsliberale. Aber es gibt sie eben doch, die feinen Unterschiede. Zwischen Niko Alm, dem Initiator des Anti-Kirchenprivilegienvolksbegehrens, und dem christlichen Flügel um den Anwalt und Neos-Hausjuristen Karl-Arthur Arlamovsky, der sich dagegen sträubt, die „Homo-Ehe“ statt der „Homo-Partnerschaft“ ins Programm aufzunehmen. Oder zwischen dem eher sozial-liberalen Hans Peter Haselsteiner, der für eine Millionärssteuer eintritt – allerdings eh erst ab der 50. Million –, und ausgewiesenen Wirtschaftsliberalen wie dem Gastronomen Sepp Schellhorn, der Steuererhöhungen ganz ablehnt.

Schellhorns (Nicht-)Mandat führte auch zu einer ersten kleinen Dissonanz im allgemeinen Wahltrubel. Sein Einzug in den Nationalrat galt eigentlich als fix. Doch einerseits ging sich das zehnte Mandat knapp nicht aus, andererseits hatten die Neos unerwartet viele Mandate auf Landesebene gewonnen, nur nicht in Schellhorns Heimat Salzburg. Dennoch wäre ein Mandat drinnen gewesen, hätte nicht das LIF ein zweites bekommen. Neben Parteichefin Angelika Mlinar zieht nun auch ihr Stellvertreter Michael Pock ein.

Der rechtsliberale Flügel, auch die JuLis, hätten lieber Schellhorn im Nationalrat gesehen. Oder Claudia Gamon, die für die JuLis derzeit im Studentenparlament sitzt. Allerdings: Im Kooperationsvertrag zwischen den Neos und dem LIF war dem Liberalen Forum explizit ein zweites Mandat zugesichert worden. Und ohne das LIF, vor allem aber das Geld ihres langjährigen Förderers Hans Peter Haselsteiner, hätte es wohl nicht gereicht, die Vierprozent-Hürde zu überspringen.

Mühen der Ebene. Es ist das Erfolgsgeheimnis der Neos – das allerdings auch den Keim für künftige Konflikte in sich birgt: Drei verschiede Räder – die eigentlichen Neos, das LIF und die JuLis – haben im Wahlkampf reibungsfrei ineinandergegriffen. Die Aufbruchstimmung, die Chance, es tatsächlich schaffen zu können, verband. Nach der Euphorie folgen nun die Mühen der Ebene. „Den Kindern die Flügel heben“, ist Matthias Strolz' Lieblingsmetapher. Entscheidend für den dauerhaften Erfolg der Neos wird sein, deren Flügel nicht auseinanderdriften zu lassen, sondern miteinander zu verbinden.

Ein erster Schritt ist bereits getan: Die LIF-Mitglieder haben einer Fusion mit den Neos zugestimmt. Allerdings wird sie nicht von heute auf morgen stattfinden. Die JuLis haben ihre Rolle gefunden: Sie werden die Jugendorganisation der Neos spielen. Mit ihrem Chef, Nikolaus Scherak, haben sie einen Vertreter im Nationalrat. Neben ihm wird mit dem Vorarlberger Neos-Chef Gerald Loacker übrigens ein Mitglied des Mittelschülerkartellverbands sitzen.

Die JuLis (Junge Liberale) sind ideologisch stark an der deutschen FDP orientiert, nach deren Jugendorganisation sie sich benannt haben. Das LIF steht in der Tradition der früheren Heide-Schmidt-Partei, weltanschaulich liegt der Fokus unter Angelika Mlinar mittlerweile aber viel stärker auf wirtschaftsliberalen Aspekten. Wobei sich diesbezüglich auch ein Niko Alm nicht von einem Sepp Schellhorn unterscheidet. Unternehmertum verbindet eben.

Nicht die reine Lehre. Die Neos selbst, gegründet von ÖVP-Dissidenten, sehen sich eher in der moderateren Mitte angesiedelt. Schon liberal, aber nicht der reinen Lehre verpflichtet. Dieses breiter angelegte Konzept, verkörpert von Parteichef Matthias Strolz, dem „Bauernbuben aus Wald am Arlberg“, war letztlich wohl auch für den Wahlerfolg ausschlaggebend.

So sind die Neos in ihrer Gesamtheit heute eine relativ bunte Truppe. „Adrette Bürgerstöchter mit perfekt manikürten Händen“, die „Sprösslinge der Döblinger und Hietzinger Regimenter“ will der „Falter“ auf der Neos-Siegesfeier am Sonntag ausgemacht haben. Mag sein. Es waren aber auch sehr viele dort, die jeder grünen Wahlparty alle Ehre gemacht hätten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.10.2013)

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