Die Schlüsselspieler im neuen Koalitionspoker

(c) Clemens Fabry
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SPÖ und ÖVP beraten am heutigen Montag über Koalitionsverhandlungen. In beiden Parteien hängt dabei viel von einer kleinen Gruppe aus Bundes- und Landespolitikern ab.

Wien. Zwei Wochen nach der Nationalratswahl wird es jetzt ernst mit den Regierungsverhandlungen. In den Sitzungen der Parteivorstände von SPÖ und ÖVP soll dafür heute, Montag, am späten Nachmittag grünes Licht gegeben werden. In der SPÖ ist alles klar: Bundeskanzler SPÖ-Chef Werner Faymann, seit vergangenem Mittwoch von Bundespräsident Heinz Fischer mit dem Auftrag für „zügige“ Verhandlungen für eine Regierungsbildung ausgestattet, hat sich auf Gespräche mit dem bisherigen Koalitionspartner ÖVP festgelegt. Offiziell wird heute das rote Verhandlungskomitee beschlossen.

Im ÖVP-Vorstand wird Vizekanzler und Parteiobmann Michael Spindelegger über seine Gespräche mit den anderen Parlamentsparteien berichten. Danach wird die Entscheidung zur Aufnahme von Verhandlungen mit der SPÖ erwartet. Die Vorbereitungen für rot-schwarze Koalitionsgespräche sind bereits in den vergangenen Tagen von Faymann und Spindelegger erfolgt.

>> Grafiken: Rot-schwarzer Verhandlungspoker

Seit den Verlusten für die bisherigen Regierungspartner bei der Wahl am 29. September hat sich bereits gezeigt, dass es für beide Parteichefs kein Spaziergang in Richtung einer Neuauflage einer SPÖ-ÖVP-Regierung wird. Zu vielfältig sind die Interessen einzelner Gruppierungen bei Rot und Schwarz, zu groß ist gegenseitiges Misstrauen, das erst abgebaut werden muss.

Unbehagen über Rolle als Juniorpartner

In der ÖVP ist das Unbehagen gegenüber der Fortsetzung von Rot-Schwarz stärker, die Unzufriedenheit, weiter als Juniorpartner mit der SPÖ zu regieren, größer. In der ÖVP hat sich eine Kluft zwischen den Bundesländern aufgetan: Die Skepsis steigt, je weiter es in den Westen geht. Einhelliger Tenor ist jedenfalls: So wie bisher darf es nicht weitergehen.

In der SPÖ herrscht mehr Einigkeit, dass es eine Neuauflage von Rot-Schwarz nach 2006 und 2008 geben soll. Das Parteiestablishment ist ganz auf dieser Linie. Allerdings wollen die Sozialdemokraten „nicht um jeden Preis“ mit der ÖVP abschließen. Für Faymann wie Spindelegger wird ausschlaggebend sein, wie einige rot-schwarze Spitzenpolitiker auf die weitere Entwicklung in den kommenden Wochen reagieren:


Michael Häupl. Der Wiener Bürgermeister und SPÖ-Chef ist nach wie vor der mächtigste Mann in der Sozialdemokratie. Selbst wenn er nicht in einem SPÖ-Verhandlungskomitee ist, hat er eine Schlüsselrolle inne. Häupl hat kein Hehl daraus gemacht, dass er für Rot-Schwarz ist, und sich damit hinter Bundeskanzler Faymann gestellt. Der Wiener SPÖ-Chef hat zwar erklärt, die SPÖ werde in Opposition gehen, wenn die ÖVP einen zu hohen Preis für einen Wiedereintritt in die Regierung verlange. Die Oppositionsalternative ist allerdings nur eine verbale Drohung: Häupl wird versuchen, ein Hochtreiben des Preises schon im Laufe der Verhandlungen abzublocken. Darüber hinaus gibt es auch eine Achse über die Parteigrenzen hinweg zu Niederösterreichs ÖVP-Landeshauptmann Erwin Pröll, einem erklärten Großkoalitionär. In der Wiener SPÖ werden auch Bemühungen um eine Urabstimmung über einen Koalitionsvertrag mit dem Argument abgewehrt, das schwäche Faymanns Position in den Regierungsverhandlungen.

Wolfgang Katzian. Der Vorsitzende der SPÖ-Gewerkschafter ist loyal gegenüber Bundeskanzler und Parteichef Werner Faymann. Katzian gibt sich zwar als Gewerkschafter kämpferisch, sieht aber ebenso wie ÖGB-Präsident Erich Foglar die besten Chancen, Interessen der Arbeitnehmer in einer rot-schwarzen Regierung gestützt auf die Sozialpartner umzusetzen. Gewerkschafterstimmen aus den Bundesländern für Gespräche mit der FPÖ stießen vorerst auf wenig Echo. Das war aber erst der Anfang: Katzian wird im Laufe der Koalitionsverhandlungen dennoch eine Schlüsselrolle zukommen. Er muss Faymann den Rücken freihalten, wenn in den Verhandlungen zu erwartende Zugeständnisse an die ÖVP, die Arbeitnehmer betreffend, publik werden. Im Jahr 2000 war die Weigerung des damaligen SPÖ-Gewerkschaftschefs Rudolf Nürnberger für die ÖVP der endgültige Anlass für das Scheitern der Verhandlungen mit dem damaligen SPÖ-Bundeskanzler Viktor Klima.

Gabriele Heinisch-Hosek. Die Frauen- und Beamtenministerin, die außerdem Chefin der SPÖ-Frauen ist, zählt zum inneren Kreis um Bundeskanzler Faymann. Die Niederösterreicherin wird nach dem Rückzug von Unterrichtsministerin Claudia Schmied die entscheidende Verhandlungsrolle in Bildungsfragen spielen. Änderungen im Bildungswesen werden neben dem Thema Steuern zu den heikelsten Punkten bei den Koalitionsgesprächen zählen. Mit dem Abschied Schmieds ist eine Art personelle Vorleistung an die ÖVP erbracht. Dennoch: Faymann steht auch innerparteilich stark unter Druck, dass gegenseitige Blockaden in der Regierung speziell im Bereich des Schulwesens beendet werden müssen. Heinisch-Hosek liefert sich damit bei den Regierungsverhandlungen auch mit der ÖVP-dominierten Lehrergewerkschaft ein Fernduell. Als amtierende Beamtenministerin ist sie auch noch Blitzableiter bei einem weiteren Sparkurs im öffentlichen Dienst.

Erwin Pröll. Für den niederösterreichischen ÖVP-Landeshauptmann gilt Ähnliches wie auf SPÖ-Seite für Michael Häupl. Er ist der mächtigste Mann in den Reihen der ÖVP. Sein weiteres Vorgehen und Verhalten werden ausschlaggebend für den Niederösterreicher Michael Spindelegger sein. Allerdings hat sich innerhalb der ÖVP eine Allianz der drei Landeshauptleute von Salzburg, Tirol und Vorarlberg gebildet, die gemeinsam innerparteilich auch ein Gegengewicht zur Dominanz Prölls bilden wollen. Der niederösterreichische Landeshauptmann hat deutlich gemacht, dass er für eine neue rot-schwarze Koalition auf Bundesebene eintritt, weil er diese nach den Wahlverlusten für lernfähig hält. Spannend dürfte vor allem der Einfluss Niederösterreichs bei der künftigen Verteilung der Regierungsämter werden. Von etwaigen Experimenten mit einer rein rechnerisch möglichen Dreierkoalition von ÖVP-FPÖ-Stronach hat Pröll schon lang vor der Wahl abgeraten. Inzwischen ist auch anderen in der Partei angesichts des Chaos beim Team Stronach die Lust auf diese Variante vergangen.

Günther Platter. Der Tiroler ÖVP-Chef hat mit der Verteidigung des Landeshauptmannpostens bei der Landtagswahl im heurigen Frühjahr neues Selbstbewusstsein getankt. Gemeinsam mit seinen schwarzen Landeshauptmannkollegen in Salzburg und Vorarlberg, Wilfried Haslauer und Markus Wallner, wird er seinen Einfluss bei den Koalitionsverhandlungen stärker geltend machen. Das äußert sich nicht nur in einem Forderungspaket des Trios, das Parteiobmann Spindelegger für die Koalitionsgespräche schon übergeben wurde. In den drei schwarzen Bundesländern im Westen sind die Vorbehalte gegen eine Neuauflage von Rot-Schwarz mit der ÖVP als Juniorpartner besonders groß. Daran ändert auch ein Umstand nichts, der die SPÖ hoffen lässt: Mit ihrem Wunsch nach einer Öffnung in Richtung gemeinsame Schule der Zehn- bis 14-Jährigen und dem Erhalt der Gymnasien mit Schwerpunktausbildungen sind die drei Landeschefs näher bei Faymann als bei Spindelegger. Die ÖVP-Westallianz verlangt auch, dass der Landwirtschaftsminister nicht mehr aus Ostösterreich kommt.

Johanna Mikl-Leitner. Die ÖVP-Innenministerin sitzt als Vertraute des niederösterreichischen Landeshauptmannes Erwin Pröll am Verhandlungstisch. Zugleich ist sie jedoch eine der engsten Mitstreiterinnen von Vizekanzler Spindelegger und damit für ihn die wichtigste Frau im Team – anders als Finanzministerin Maria Fekter und Justizministerin Beatrix Karl, die als Ablösekandidatinnen gelten. Mikl-Leitner kommt außerdem in ihrer Funktion als Chefin des schwarzen Arbeitnehmerbundes ÖAAB entscheidende Bedeutung zu. Die Niederösterreicherin verhandelt zwar nicht direkt die Bildungsfragen. Sie ist als Vertreterin des Arbeitnehmerflügels dennoch das schwarze Gegenüber von SPÖ-Ministerin Heinisch-Hosek, wenn es um die Belange der ÖVP-dominierten Lehrerschaft geht. Zugleich ist sie das schwarze Pendant zu SPÖ-Gewerkschafter Katzian. Etwaige Veränderungen im Sozialbereich hängen vom Sanktus der ÖAAB-Chefin ab, das gilt auch für Maßnahmen im Bereich des Arbeitsrechts und für die Pläne für eine Steuerreform. Denn die Eckpunkte für eine Steuerreform werden ebenfalls im Rahmen der Regierungsverhandlungen festgelegt, auch wenn die Umsetzung erst im Laufe der Legislaturperiode erfolgt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.10.2013)

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