Parteiobmann Spindelegger solle sich auf "das Vizekanzleramt und ein wichtiges Ressort" konzentrieren, fordert Neisser.
Die Großparteien SPÖ und ÖVP haben sich zu Koalitionsverhandlungen zurückgezogen und Stillschweigen vereinbart. Ab sofort sollen damit nur noch SPÖ-Chef Werner Faymann und ÖVP-Obmann Michael Spindelegger die Öffentlichkeit über die Entwicklungen auf dem Weg zu einer möglichen Neuauflage von Rot-Schwarz informieren. In diese Stille aber platzt nun der frühere ÖVP-Minister Heinrich Neisser.
Parteichef Michael Spindelegger solle den Parteivorsitz abgeben, meint Neisser, wie der ORF-"Teletext " und das Ö1-"Frühjournal " am Donnerstag berichten. Stattdessen solle er sich auf "das Vizekanzleramt und ein wichtiges Ressort" konzentrieren, schreibt der "Teletext".
Damit würde die Doppelfunktion von Spindelegger als Parteiobmann und Vizekanzler wegfallen, begründet Neisser seinen Vorstoß.
Von der neuen Regierung erwartet sich der Jurist übrigens eine Verwaltungsreform, sowie Neuerungen im Bereich der Pensionen und der Demokratie. Bewegung wünscht sich Neisser von der Volkspartei zudem im Bildungsbereich - und zwar in Richtung Gesamtschule.
Weihnachten also. Rund zwei Monate geben sich SPÖ und ÖVP für die Koalitionsverhandlungen Zeit, dann soll der Regierungspakt besiegelt und eine neue Form der Zusammenarbeit gefunden sein. Wirklich verhandelt wird seit dem 16. Oktober, und zwar in acht Untergruppen, in denen jeweils mehrere Themenbereiche zusammengefasst wurden. Doch was ist zu erwarten? DiePresse wagt eine Prognose. (Von Karl Ettinger, Thomas Prior und Christian Ultsch) (c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER) Dass ausgerechnet Wilfried Haslauer das Bildungsthema für die ÖVP verhandelt, hat erstens einen taktischen Hintergrund: Wenn der Salzburger Landeshauptmann eingebunden ist, kann er sich hinterher nicht über das Ergebnis beklagen. Zweitens ist Haslauers Nominierung natürlich auch ein Statement: Ja, die Volkspartei ist bereit, sich in Schulfragen zumindest ein Stück weit zu bewegen, könnte Parteiobmann Michael Spindelegger damit aussagen wollen. Denn Haslauer hat sich inhaltlich zwischen SPÖ (Gesamtschule) und Bundes-ÖVP (Gymnasium) positioniert: Das Gymnasium soll zwar erhalten bleiben, aber nur noch in der Oberstufe. In der Unterstufe hält der Landeshauptmann die Neue Mittelschule für ausreichend. Ausnahmen soll es nur noch für spezielle Gymnasien – zum Beispiel mit Musik- oder Sprachenschwerpunkt – geben. Mit diesem Schulkonzept könnte sich auch die SPÖ anfreunden bzw. die mutmaßlich nächste Unterrichtsministerin, nämlich Gabriele Heinisch-Hosek. Sie wurde von ihrer Partei wohl nicht zufällig für das Bildungsthema abgestellt. APA (Montage von Diepresse.com) Auf die Verhandler in der Arbeitsgruppe Finanzen wartet ein Himmelfahrtskommando. Die ÖVP ist mit der Bestellung von Oberösterreichs Landeschef, Josef Pühringer, zum Chefverhandler statt Finanzministerin Maria Fekter der SPÖ entgegengekommen. Ihm wird auf SPÖ-Seite Finanzstaatssekretär Andreas Schieder gegenübersitzen. Mit Pühringer hat die ÖVP einen Landespolitiker mit einem Kernpunkt der Verhandlungen betraut. Damit sind die starken schwarzen Landespolitiker von vornherein beim Geld miteinbezogen. Spätere Querschüsse Pühringers sind so unterbunden, allerdings wird er auch von vornherein keine Abstriche bei Länderwünschen machen. Schieder und die SPÖ wollen rasch eine Steuerreform. Pühringer hat am Mittwoch offengelassen, ob diese Teil des Koalitionspakts sein wird. Der Punkt Steuern ist aber als Arbeitsauftrag der Gruppe formuliert. Auch abgesehen davon wird eine Einigung besonders schwierig: Es soll das Budget 2014 ausverhandelt werden, gleichzeitig eine Entlastung und ein weiterer Schuldenabbau. Experten halten dies ohne Sparpaket für unmöglich. APA (Montage von Diepresse.com) Mit Sozialminister Rudolf Hundstorfer und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner treffen sich in der Arbeitsgruppe „Soziales“ alte Bekannte: Denn der Ex-ÖGB-Chef und der frühere Wirtschaftskammer-Generalsekretär haben schon seit 2008 vom Arbeitsmarkt bis zu den Pensionen Änderungen verhandelt. Meist ganz in der Manier der Sozialpartner – ohne laute öffentliche Nebengeräusche. Die von der Koalition gewählte Bezeichnung für die Projektgruppe „Länger gesund leben und arbeiten“ ist klarer Hinweis auf die gestellte Aufgabe. Ab 2014 treten Verschärfungen bei Hacklerfrühpensionen und Invaliditätspensionen in Kraft. Die künftige Regierung wird bis 2016 beobachten, ob die angestrebte deutliche Anhebung des faktischen Pensionsalters eintritt. Ein Schwerpunkt der Regierungsverhandlungen wird nun auf den Begleitmaßnahmen liegen. Bei der Pflege ist die Hauptfrage die Finanzierung ab 2016. Hundstorfer ist Fixstarter einer künftigen Regierung, Mitterlehner könnte bleiben, das Ressort wechseln oder es bleibt gar kein Platz mehr für ihn. APA (Montage von Diepresse.com) Befürworter der direkten Demokratie in der ÖVP sollen verdutzt den Kopf geschüttelt haben, als bekannt wurde, wer für die Partei die Verhandlungen auf diesem Gebiet führen soll. Denn Seniorenbund-Obmann Andreas Khol, früher Nationalratspräsident, hat nie ein Hehl daraus gemacht, dass er zu viel direkte Demokratie für gefährlich hält. Sein Verhandlungspartner Hans Niessl ist diesbezüglich aufgeschlossener, aber auch nicht gerade radikal. Große Reformansätze sind also nicht zu erwarten. Spannender wird der zweite Themenblock dieser Gruppe, die Staatsreform. Tendenziell dürfte der Föderalismus gestärkt werden. Dafür gibt es – neben Erwin Pröll und Michael Häupl – zwei weitere Indizien. Erstens: Niessl ist Landeshauptmann des Burgenlandes, er wird sich und seinesgleichen nicht schwächen, indem er plötzlich dem Zentralismus das Wort redet. Zweitens: Die neue Westachse in der ÖVP, bestehend aus den Landeshauptleuten von Salzburg, Tirol und Vorarlberg, hat die Wien-Lastigkeit der Politik beklagt. Sie wird, nein: Sie muss wohl in irgendeiner Form erhört werden. APA (Montage von Diepresse.com) Die Nominierung von Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl als ÖVP-Verhandler für die Untergruppe Wachstum, in der über Wirtschaft, Arbeit und ländlichen Raum beraten wird, war eine Überraschung. Mit Leitl muss damit jener ÖVP-Politiker ran, der mit seinem Ausspruch vom „abgesandelten“ Standort Österreich der ÖVP im Wahlkampf Probleme bereitet hat. Vizekanzler ÖVP-Obmann Michael Spindelegger möchte damit zweierlei erreichen: Leitl soll somit selbst bei der SPÖ – sein Verhandlungspartner ist Sozialminister Rudolf Hundstorfer – Verbesserungen für den Standort herausholen. Zudem ist Leitl als möglicher Kritiker eines neuen Koalitionspakts von vorneherein in die Verhandlungen eingebunden. ÖVP-intern heißt es, Leitl habe auch selbst Interesse am Posten des Wirtschaftsministers. Zwischen Leitl und Hundstorfer gibt es grundsätzlich Übereinstimmung über konjunkturbelebende Maßnahmen. Streitpunkt wird sein, wie davon die Betriebe und wie die Arbeitnehmer profitieren. Leitl verhandelt noch dazu mit dem Kapitel ländlicher Raum auch gleich für die Bauern mit. APA (Montage von Diepresse.com) Die Gruppe „Zukunft“, in der sich Infrastrukturministerin Doris Bures (SPÖ) und Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz (ÖVP) gegenübersitzen, behandelt ein breites Themenspektrum. Die Bereiche Umwelt/Energie, Forschung und Jugend werden wohl schnell abgehakt sein: Wer sollte etwas gegen erneuerbare Energien und eine höhere Forschungsquote haben? In der Integrationspolitik ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sich die SPÖ auf die ÖVP zubewegt (etwa in der Frage, ob Kinder vor dem Schuleintritt Deutsch können müssen), zumal sie erneut viele Stimmen an die FPÖ verloren hat. Schwieriger dürfte eine Einigung im Bereich Infrastruktur (Stichwort ÖBB) werden, vor allem aber in der Familienpolitik, in der sich ideologische Gräben zwischen den Parteien auftun: Einen Kinderfreibetrag von 7000 Euro will etwa die SPÖ nicht. Ein Adoptionsrecht für Homosexuelle lehnt die ÖVP ab. Möglich ist, dass man sich auf den Papamonat für alle (eine SPÖ-Forderung) einigt. Und auf ein zweites Gratiskindergartenjahr – wenn die SPÖ nicht länger auf dem Zusatz „verpflichtend“ besteht. APA (Montage von Diepresse.com) Gut möglich, dass sich Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) und Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ), die mit dem Block „Sicherheit und Rechtsstaat“ betraut wurden, zuerst der Landesverteidigung widmen. Immerhin ist die Grundsatzentscheidung in diesem Bereich schon getroffen: Die Bevölkerung hat sich im Jänner für die Wehrpflicht entschieden – und die Reform des Grundwehrdienstes ist bereits ausgearbeitet. Jetzt muss sie nur noch umgesetzt werden. Und daran wird der Koalitionsvertrag wohl nicht scheitern. Auch das Kapitel Polizei, in dem es vor allem um Personalfragen geht, dürfte vergleichsweise schnell abgehakt sein. Problematischer wird der Justizbereich. Dem Vernehmen nach wünscht sich SPÖ-Chef Werner Faymann einen unabhängigen Justizminister, doch die ÖVP legt sich quer. Dieser Dissonanz entsprang das Gerücht, wonach die Ressorts Verteidigung und Justiz getauscht werden könnten. Widerlegt wurde das noch nicht. Bestätigt aber auch nicht. APA An der Außenpolitik werden die Koalitionsgespräche kaum scheitern. Die beiden Verhandler haben ein korrektes Verhältnis, und große Streitthemen sind nicht absehbar. Aufseiten der ÖVP geht mit Reinhold Lopatka ein Favorit fürs Amt des Außenministers an den Start. Der bisherige Staatssekretär wird in alter diplomatischer Tradition auf Kontinuität setzen. Große Würfe und Projekte sind nicht zu erwarten. Im EU-Teil des Regierungspakts wird wohl das Wörtchen Subsidiarität vorkommen – und vielleicht auch ein Zieldatum für EU-Beitritte der ausständigen Westbalkanländer. Lopatka wird sicher auch darauf hinweisen, dass nach dem Abzug der Blauhelme vom Golan derzeit weniger österreichische UN-Soldaten international im Einsatz sind als in der Sicherheitsdoktrin vorgesehen. Bei seinem Gegenüber, Josef Cap, wird er auf wenig Widerspruch stoßen. Vom langjährigen SPÖ-Klubchef sind keine überraschenden Akzente zu erwarten. Innerparteilich spürt er etwas Druck, auf eine höhere Entwicklungshilfe zu pochen. Doch da wird es letztlich auf den Zustand der Staatsfinanzen ankommen. APA (Montage von Diepresse.com) (Red.)
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