Front gegen höheres Pensionsalter

Front gegen hoeheres Pensionsalter
Front gegen hoeheres Pensionsalter(c) REUTERS (Christian Hartmann / Reuters)
  • Drucken

Ein neues Gutachten erhöht den Druck auf die Koalitionsverhandler. Die Wirtschaft will auch über das gesetzliche Pensionsalter reden, Sozialressort und ÖGB blocken ab.

Wien. Mitten in den laufenden Koalitionsverhandlungen liefert das jüngste Gutachten der Pensionskommission neuen Zünd- und Diskussionsstoff. Vor allem zwischen der Wirtschaftskammer auf der einen Seite und dem Sozialministerium sowie den Arbeitnehmervertretern von Gewerkschaftsbund und Arbeiterkammer auf der anderen Seite öffnet sich damit eine neue Kluft. Im Wirtschaftsministerium wollte man sich wegen der vereinbarten Verschwiegenheit zu den Koalitionsverhandlungen vorerst nicht zu den Konsequenzen aus dem Gutachten äußern.

Die Schwierigkeiten laut Gutachten: Das tatsächliche Pensionsantrittsalter von derzeit 58,4 Jahren steigt, wie berichtet, auch längerfristig langsamer als vorgesehen, nämlich auf 61 Jahre bis 2060. Schon bisher hinkt die Entwicklung hinterher, im Vorjahr hätte das faktische Pensionsantrittsalter bereits um ein halbes Jahr höher – bei 59Jahren – liegen sollen. Damit werden laut Expertise vor allem ab 2025 die notwendigen Zuschüsse aus dem Bundesbudget zu den Pensionen stark wachsen.

Wirtschaft ist gegen Zuwarten

Das führt jetzt während der Regierungsverhandlungen zur Frontstellung. Denn die Wirtschaftskammer möchte auch die Debatte über eine Anhebung des gesetzlichen Pensionsalters vorantreiben. Dieses liegt derzeit für Frauen im ASVG bei 60 Jahren, für Männer im ASVG sowie männliche und weibliche Beamte im Bundesdienst bei 65Jahren. Martin Gleitsmann, der Leiter der Sozialabteilung in der Wirtschaftskammer, fordert im Gespräch mit der „Presse“ jedenfalls weitere Änderungen, um die frühen Pensionierungen in Österreich einzudämmen.

Er argumentiert, dass sich vor allem durch den Bericht der Pensionskommission von Mitte Oktober, wonach das faktische Pensionsalter hinter dem Referenzwert von 59Jahren zurückgeblieben ist, die Notwendigkeit für rasche Eingriffe statt eines Zuwartens ergibt. „Wie in vielen anderen Ländern hätte ein höheres gesetzliches Pensionsalter auch in Österreich eine positive Auswirkung auf das tatsächliche Antrittsalter“, prognostiziert Gleitsmann. Zuletzt hatte sich der Chef des Instituts für höhere Studien (IHS), Christian Keuschnigg, im „Presse“-Interview für eine schrittweise Erhöhung des gesetzlichen Pensionsalters um jeweils zwei Monate pro Jahr ausgesprochen.

Lebenserwartung steigt weiter

Hintergrund für diese Forderung ist, dass die Lebenserwartung ständig steigt. Das neue Gutachten der Pensionskommission geht von einem Anstieg bis 2060 um etwa 4,5 Jahre aus. Damit erhöht sich bei einem frühen Pensionsantritt wie in Österreich zugleich die Bezugsdauer der Pension, das ist einer der Gründe für steigende Finanzierungsschwierigkeiten.

Im Sozialministerium, im ÖGB sowie beim SPÖ-Pensionistenverband wird allerdings eine Erhöhung des gesetzlichen Pensionsalters strikt abgelehnt. Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) setzt weiter darauf, dass schon erfolgte Reformmaßnahmen (von denen ein Teil erst 2014 zum Tragen kommt) doch zu einem späteren Pensionsantritt führen werden. Die Regierung habe schon „an vielen Rädchen gedreht“, wurde der „Presse“ erklärt. Zugleich wird der Hebel verstärkt angesetzt, damit ältere Beschäftigte länger im Beruf bleiben. Ausständig ist dabei das seit Langem geforderte Bonus-Malus-System mit Anreizen für Betriebe, die ältere Mitarbeiter im Job halten, und „Strafen“ für Unternehmen, in denen Ältere hinausgeworfen werden.

„Tinte ist noch nicht trocken“

Volle Schützenhilfe gibt es dabei von Arbeiterkammer und Gewerkschaftsbund (ÖGB). Deren Argument: Eine Anhebung des gesetzlichen Pensionsalters führe zu höherer Arbeitslosigkeit. ÖGB-Präsident Erich Foglar kann die Forderungen nach weiteren Reformen schon gar nicht mehr hören, während ein Teil der beschlossenen Maßnahmen noch nicht in Kraft sei: „Es ist noch nicht einmal die Tinte trocken, schon schreit der Nächste.“

Für den Obmann des ÖVP-Seniorenbundes, Andreas Khol, sind nach der neuen Prognose „wieder die apokalyptischen Reiter auf dem Weg“. Die Daten seien etwa viel besser als etwa noch 2003/04 vor den Pensionsreformen. Allerdings räumte auch er ein, wenn es nicht gelinge, das faktische Pensionsantrittsalter wie geplant rasch anzuheben, „sind weitere Reformen nötig, sonst aber nicht“.

Die Neos mit Parteichef Matthias Strolz bekräftigen ihre Forderung nach einem Solidarbeitrag für alle Pensionen über 5000 Euro im Monat sowie nach einer rascheren Angleichung des Frauenpensionsalters vor 2024. Außerdem werden sie im Parlament schon heute, Montag, eine Enquete beantragen. (ett)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.10.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Pensionen
Österreich

Weiter zu früh in Pension - Budgetkosten schnellen nach oben

Die Österreicher treten laut Gutachten längerfristig mit 61 Jahren die Pension an. Das verschärft vor allem ab 2025 die Finanzprobleme.
Senior mit Rose - old man with a rose
Außenpolitik

Weiter zu früh in Pension: Viel höhere Budgetkosten

Die Österreicher treten laut Gutachten längerfristig mit 61 Jahren die Pension an. Das verschärft vor allem ab 2025 die Finanzprobleme.
Pensionisten in Österreich
Österreich

Pensionsexperte: "Ältere Arbeitnehmer eindeutig zu teuer"

Unzählige Baustellen sieht OECD-Experte Christopher Prinz in der österreichischen Pensionspolitik. Dass das Antrittsalter bald deutlich ansteigen wird, glaubt er aber nicht.
Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner
Innenpolitik

Pensionsantritt: Wirtschaftsminister ist für flexiblere Lösung

Die Seniorenvertreter warnen die künftige Bundesregierung vor "waghalsigen Experimenten".
IHS-Chef Christian Keuschnigg
Österreich

Jedes Jahr 60 Tage länger arbeiten

Österreicher müssen pro Jahr zwei Monate länger arbeiten, fordert IHS-Chef Christian Keuschnigg. Rezepte für finanzierbare Pensionen gibt es längst. Das hieße aber arbeiten bis 72, sagt das Sozialministerium.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.