"Eine Farce": Wulff kämpft vor Gericht

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Ex-Bundespräsident Christian Wulff nennt die Vorwürfe am ersten Prozesstag "abwegig".

Hannover. Der Andrang vor dem Landgericht Hannover ist enorm. Hunderte Journalisten hatten sich angemeldet, 70 haben Platz im Gerichtssaal. Nicht alle Tage kommt es vor, dass ein früherer Bundespräsident als Angeklagter vor Gericht muss. Genauer: Es passiert erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik. Im Februar 2013 trat Christian Wulff zurück, weil Staatsanwälte wegen Korruptionsverdacht gegen ihn ermittelten. Am Donnerstag begann sein Prozess.

Bis April soll er dauern, 46 Zeugen sind an 22 Verhandlungstagen geladen – darunter Prominente wie die Schauspielerin Maria Furtwängler und ihr Mann, der Verleger Hubert Burda. Dazu Politiker, Leibwächter, Rezeptionisten. Und natürlich Bettina, die Exfrau. Viel Aufwand also, der in keinem Verhältnis zur Anklage zu stehen scheint: Um nur 753,90 Euro geht es im einzigen gerichtsfesten Vorwurf. Um diesen Betrag soll der mitangeklagte Filmproduzent David Groenewold den damaligen Ministerpräsidenten von Niedersachsen und seine Frau bei einem Wochenende auf dem Oktoberfest in München eingeladen haben. Zwei Monate später bat Wulff bei Siemens um Sponsoring für ein Filmprojekt Groenewolds.

Die Staatsanwaltschaft ging von Bestechung aus. Der Richter ließ zur Hauptverhandlung nur den geringeren Vorwurf der Vorteilsannahme zu. Schon ein halber Sieg für Wulff, der auf Freispruch und die vollständige Wiederherstellung seiner Ehre setzt. Auch die öffentliche Meinung dreht sich: Wulff wird immer öfter als Opfer gesehen, teils einer Medienkampagne, teils seiner eigenen ungeschickten Halbwahrheiten.

Gestern sagte er eine Stunde lang ruhig und konzentriert aus: Nie habe er sich etwas schenken lassen, mit Groenewold verbinde ihn eine echte, langjährige Freundschaft, und „auch Politiker haben ein Recht auf Freunde“. Die Anklage sei „eine Farce“, die Vorwürfe „abwegig“. Der 54-Jährige erzählt auch, wie er gelitten habe unter der Durchleuchtung seines Lebens und dem Verlust jeglicher Privatsphäre: „Die persönlichen Schäden werden bleiben, wahrscheinlich ein Leben lang.“ (gau)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.11.2013)

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