Im Blindflug durch den Staatshaushalt

MINISTERRAT: PRESSEFOYER
MINISTERRAT: PRESSEFOYERAPA/ROLAND SCHLAGER
  • Drucken

Welche Ausgaben hat der Staat, welche Schulden? Eine einfache Rechnung, würde man glauben. Mitnichten. Für eine seriöse Finanzplanung fehlen die Instrumente.

Wien. Man muss Fohnsdorf nicht kennen, aber die kleine Gemeinde im steirischen Murtal ist ein Musterbeispiel dafür, wie man im Budget tricksen kann.

Die Gemeinde wies bei einer Rechnungshof-Prüfung 2010 Schulden von 21,56 Millionen Euro aus. Als die Prüfer etwas genauer in die Bücher schauten, fanden sie noch Leasingverbindlichkeiten über 4,14 Millionen Euro und bereinigte Kassenkredite von 2,8 Mio. Euro – womit man schon auf 28,5 Mio. Euro Schulden war. Zusätzlich hatte die Gemeinde aber noch Kostenfaktoren aus dem Budget ausgegliedert. Da dafür am Ende auch die Gemeinde geradestehen muss, schnellte somit die tatsächliche Gesamtschuld auf 57,8 Millionen Euro hoch – mehr als doppelt so viel, wie offiziell ausgewiesen.

Im Vergleich zu den Milliarden, die der Staat seit der Nationalratswahl „verloren“ hat, sind das Peanuts. Aber es zeigt etwas deutlich: Wie viele Schulden Österreich tatsächlich hat, ist unklar. Schlicht deswegen, weil für eine seriöse Finanzplanung die Instrumente fehlen.

Bilanzierung wie im 16. Jahrhundert

Kurz wird es technisch: Die öffentliche Hand verwendet als Bilanzierungssystem die Kameralistik, die im 16. Jahrhundert für die fürstliche Kammerverwaltung erfunden wurde. Sie misst nur Geldströme, aber keinen Ressourcenverbrauch. Nach der Logik der Kameralistik sind Kredite beispielsweise Einnahmen, weil ja Geld in die Kassa kommt. Dank dieses Rechnungswesens konnte auch das Land Salzburg die tatsächlichen Schulden durch die Spekulationen lange Zeit verstecken und geheim halten.

Das Budget 2013 ist das erste, das der Bund nach dem Prinzip der kaufmännischen Bilanzführung (also wie ein Unternehmen) erstellt hat. Die Bundesländer aber verwenden weiterhin die Kameralistik – außer die Steiermark, Salzburg, Kärnten und das Burgenland, die bis 2015 ebenfalls auf das kaufmännische Rechnungswesen umstellen.

Das Ergebnis: „Wir haben einen riesengroßen Zahlensalat, bei dem jeder unterschiedlich rechnet und etwa ein Bundesland Ausgaben für Spitäler einkalkuliert, ein anderes nicht“, erklärt ein Budgetexperte, der aufgrund der heiklen Materie nicht genannt werden will. Das sei nicht nur unbefriedigend, sondern mache auch eine gesamtstaatliche Budgeterstellung „sehr schwierig“.

Die Presse

Das aktuelle Budgetchaos erklärt das nicht. Aber das ist ohnehin eher ein politisches als ein rechnerisches. Im Budget gibt es nämlich relativ wenige Variablen, die Schwankungsbreiten bis zu 40 Milliarden Euro erklären könnten. Selbst das schwächelnde Wirtschaftswachstum, dem nun die Schuld am steigenden Defizit gegeben wird, ist es nicht. Ein Prozent bedeutet laut Finanzressort weniger Staatseinnahmen von etwas mehr als einer Milliarde Euro. Und für heuer wurde die Prognose von einem Prozent Wachstum auf 0,4 Prozent revidiert (für 2014 ging sie von 1,8 auf 1,5 Prozent zurück).

Selbst die in der Folge höhere Zahl von Arbeitslosen macht nicht solche Summen aus. Sie sind aber ein gutes Beispiel, wie optimistisch die Entwicklung dargestellt wurde: Im Budgetplan sind 280.000 Arbeitslose „eingeplant“, tatsächlich warnte das AMS vor einigen Tagen vor 450.000Arbeitslosen mit Ende 2014. Jeder Mensch ohne Arbeit wirkt sich auf den Staatshaushalt mit 27.700 Euro (Arbeitslosengeld, entgangene Sozialversicherung, weniger Steuereinnahmen) aus. Allein das sind pro Jahr 4,7 Milliarden Euro.

Weitere Infos:www.diepresse.com/budget

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.11.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.