OGH-Entscheid: Fußfessel für Ernst Strasser?

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Am Dienstag entscheidet sich, ob der frühere ÖVP-Innenminister wegen Bestechlichkeit ins Gefängnis muss.

Wien. „Es hat in der Zweiten Republik wenige Menschen gegeben, die dem Ansehen der Republik so viel Schaden zugefügt haben wie Sie. Darum war es notwendig, eine Strafe zu verhängen, die eine abschreckende Wirkung auf mögliche Nachahmungstäter hat.“ So begründete Richter Georg Olschak vom Straflandesgericht Wien Mitte Jänner dieses Jahres die Sanktion für den ehemaligen ÖVP-Innenminister Ernst Strasser: vier Jahre Gefängnis wegen Bestechlichkeit. Morgen, Dienstag, könnte sich dieses Urteil noch ändern. Das Strafmaß könnte gesenkt werden.

Morgen entscheidet nämlich ein Fünf-Richter-Senat des Obersten Gerichtshofs (OGH), der Senat 17 unter dem Vorsitz des OGH-Präsidenten Eckart Ratz, über die Rechtsmittel (Nichtigkeitsbeschwerde, Berufung) des einstigen Spitzenpolitikers. Die Höchstrichter könnten einen gerichtlichen Schlusspunkt unter die Lobbying-Affäre setzen.

Da die Korruptionsstaatsanwaltschaft nach der Verurteilung im Jänner auf Rechtsmittel verzichtete – man sprach von „angemessener Strafe“ –, kann es für Strasser auch keine strengere Sanktion mehr geben. Und da die Generalprokuratur beim OGH (eine Art oberste Anklagebehörde, die als Rechtswahrerin bezeichnet wird) den Schuldspruch an sich zwar gutheißt, bei der Strafe aber einen rechtlichen Fehler rügt, stehen die Chancen gut, dass der 57-Jährige „günstiger“ davonkommt.

Hört man sich in Justizkreisen um, kristallisiert sich ein heißer Tipp heraus: Aus den vier Jahren unbedingt werden drei Jahre teilbedingt – in dieser Stückelung: zwei Jahre bedingt, ein Jahr unbedingt. Und dieses eine Jahr unbedingt könnte dann mit der Fußfessel im elektronisch überwachten Hausarrest abgesessen werden. Dieses Resultat ist aber vorerst nur Spekulation. Freilich könnte nun auch der OGH die bereits verhängten vier Jahre Haft als angemessen erachten. Dann müsste der in Grieskirchen (Oberösterreich) geborene Ex-Politiker mindestens die halbe Strafe, zwei Jahre, im Strafvollzug (davon maximal ein Jahr im Hausarrest) verbüßen. Danach könnte er einen ersten Antrag auf vorzeitig bedingte Entlassung stellen. Und hoffen, dass diesem stattgegeben wird.

Strasser war den beiden englischen Journalisten Claire Newell und Jonathan Calvert Ende 2010 in die Falle gegangen. In seiner damaligen Funktion als Abgeordneter des EU-Parlaments (Strasser war Delegationsführer der ÖVP) hatte er sich fünfmal mit den beiden getroffen und eine Einflussnahme auf EU-Bestimmungen in Aussicht gestellt. Dafür hatte er, laut Anklage, „jährlich zumindest 100.000 Euro verlangt“.

Falscher Erschwerungsgrund?

In ihrem Croquis (eine gutachtenähnliche Stellungnahme) erklärt nun die Generalprokuratur, dass es seitens des Erstgerichts nicht zulässig gewesen sei, Strassers Eigenschaft als EU-Abgeordneter erschwerend zu werten. Bestechlichkeit (§ 304 Strafgesetzbuch) gelte ja speziell für Amtsträger – wenn also ein solcher verurteilt werde, könne die öffentliche Funktion per se nicht als Erschwerungsgrund gelten.

Der frühere Innenminister selbst hatte mehrfach erklärt, er habe die beiden Journalisten für Abgesandte eines Geheimdienstes gehalten und diese seinerseits in eine Falle locken wollen. „Wir hoffen, dass unsere rechtlichen Argumente Gehör finden und erhoffen uns einen Freispruch aus rechtlichen Gründen“, sagt sein Verteidiger, Thomas Kralik, zur „Presse“.

Dass sich die Höchstrichter von Strassers schräg anmutender Agentengeschichte überzeugen lassen, scheint äußerst fraglich. Wie sagte doch schon Erstrichter Olschak zu Strasser? „Sie werden in Österreich kein Gericht finden, das dieser Verantwortung glaubt.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.11.2013)

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