Direkte Demokratie: "Mitbestimmung ist nicht aufzuhalten"

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Die Grünen kritisieren den hinhaltenden Widerstand des neuen SPÖ-Klubchefs Andreas Schieder.

Wien. „Überraschen tut es mich nicht, auch wenn ich es unerfreulich finde.“ Die grüne Verfassungssprecherin im Nationalrat, Daniela Musiol, findet gleich zu Beginn der Legislaturperiode einen Grund, den neuen SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder aufs Korn zu nehmen. Der Anlass: das Demokratiepaket samt Ausbau der direkten Demokratie. Schieder hatte in der „Presse“ gemeint, das Parlament könnte „ausgehebelt“ werden, wenn Volksbegehren mit einer bestimmten Unterstützung verpflichtend zu Volksbefragungen führen.

„Damit stellt er sich in eine Reihe mit den Sozialdemokraten alter Schule“, bedauert die Grün-Abgeordnete im Gespräch mit der „Presse“. Was die verstärkte Mitbestimmung der Bürger betrifft, so versichert Musiol: „Wir werden ganz sicher nicht lockerlassen.“

Die Grünen haben noch vor der Nationalratswahl im Sommer mit den bisherigen Koalitionsparteien vereinbart, dass Volksbegehren nicht mehr so leicht schubladisiert werden. Voraussetzung dafür ist, dass ein Volksbegehren eine entsprechend große Unterstützung aufweist: zehn Prozent der Stimmberechtigten, das wären rund 640.00 Personen für einfache Gesetze, 15 Prozent bei Änderungen oder Ergänzungen von Verfassungsgesetzen. Fasst der Nationalrat dann keinen entsprechenden Gesetzesbeschluss, kommt es zu einer Automatik, es muss verpflichtend eine Volksbefragung geben. Genau gegen eine derartige Automatik hat der neue SPÖ-Klubchef massive Bedenken angemeldet.

SPÖ und ÖVP haben das Demokratiepaket aufgrund der Verzögerung über die Nationalratswahl hinausgeschoben, meint Musiol. „Das war ja ein durchsichtiges Manöver und hat mich darin bestätigt, dass man es nicht will“, so Musiol. Dabei hätten die beiden damaligen Klubchefs Josef Cap (SPÖ) und Karlheinz Kopf (ÖVP) noch zugesagt, „dass das nicht gestorben ist“.

In der inzwischen erfolgten Begutachtung des Gesetzesentwurfes war dann von der Präsidentschaftskanzlei bis zum Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts kritisiert worden, dass das geplante System „nicht ausgereift“ sei und einer „gründlichen Überarbeitung“ bedürfe. Der scheidende Präsident des Verwaltungsgerichtshofs, Clemens Jabloner, hatte in einem „Presse“-Interview sogar gemeint, er halte das Demokratiepaket mit einer Volksbefragungsautomatik für „einen Unsinn“. Er fürchte „die Macht der Demagogen“.

Druck der Bevölkerung

Musiol ist der Ansicht, die Bürger würden es sich nicht gefallen lassen, dass sie nur alle fünf Jahre bei einer Nationalratswahl einbezogen werden: „Ich bin überzeugt davon, da gibt es Druck seitens der Bevölkerung.“ Der Wunsch nach stärkerer Mitbestimmung sei „auf Dauer nicht aufzuhalten.“ Und: „Man ist nur schlecht beraten, sich jeglicher Diskussion zu verweigern.“

Schon bei der konstituierenden Sitzung des Nationalrats am 29. Oktober wurde von den Grünen ein Gesetzesvorschlag eingebracht, damit das Demokratiepaket wieder im Parlament behandelt werde. In diesem Fall kämen allerdings niedrigere Hürden zum Tragen. Musiol sei „durchaus kompromiss- und gesprächsbereit“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.11.2013)

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