Karmasin: "Quotenfrau will ich nicht hören"

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Die neue Familienministerin, Sophie Karmasin, hat Sympathien für die Neos, hält die Betreuungsplätze für unter Dreijährige für "skandalös" und stößt sich am Begriff "Papamonat".

Die Presse: Wann hat Michael Spindelegger Sie gefragt, ob Sie Ministerin werden wollen?

Sophie Karmasin: Am Mittwoch voriger Woche. Am Morgen des Donnerstags habe ich dann – mehr intuitiv-emotional – meine Entscheidung getroffen. Ich habe mir gedacht: Ich will das jetzt so! Ich habe zwanzig Jahre lang analysiert, wie es Familien geht. Und ich weiß auch von meinem eigenen Leben, was es heißt, einen anspruchsvollen Job zu haben und zwei Kinder.

Von Andrea Kdolsky bis Claudia Bandion-Ortner – es gab eine Reihe von Quereinsteigerinnen auf ÖVP-Seite, die mehr oder weniger gescheitert sind. Was lernt die Kommunikationsexpertin aus deren Schicksalen?

Ich weiß, was ich kann. Ich habe zwanzig Jahre Erfahrung in diesem Bereich. Und ich gehe als Bürgerin in die Politik, die eine lebensnahe Politik mit lebensnahem Hintergrund machen will. Was die anderen gemacht oder nicht gemacht haben, ist nicht mein Fokus.

Man könnte Ihnen vorwerfen, dass Sie in Ihrer bisherigen Tätigkeit dazu beigetragen haben, dass die Politik zu einer andauernden Stilistik-Prüfung wurde.

Ich habe bewertet und analysiert. Jeder Vertreter eines Unternehmens präsentiert sich auf einer persönlichen und inhaltlichen Ebene. So läuft das auch in der Politik. Kommunikation funktioniert eben zu 95Prozent über Auftritt, Rhetorik und Erscheinungsbild.

Aber wenn dann nur noch fünf Prozent Inhalte sind...

Das liegt dann in der Verantwortung des Politikers, auf der Inhaltsebene auch etwas zu bewegen.

Was haben Sie bisher gewählt?

Unterschiedliches.

Und bei der Nationalratswahl: ÖVP? Oder Neos?

Das sage ich Ihnen nicht.

Wie finden Sie die Neos?

Interessant. Ich finde es bewundernswert, was sie in kurzer Zeit geschafft haben. Wiewohl ich inhaltlich nicht alles unterstütze. Eine ernstzunehmende Konkurrenz für die ÖVP jedenfalls.

Wozu braucht Österreich ein Familienministerium?

Weil Familie und Jugend das Zukunftsthema ist. Es gibt drei große Themen, die zwar schon im Regierungsprogramm entschieden wurden, aber nun mit meinen Vorstellungen ergänzt werden: der Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen, qualitativ und quantitativ, der Ausbau der Ganztagsschulen, die Erhöhung der Familienbeihilfe. Und dazu kommt die große Frage der Bewusstseinsbildung. Wenn wir in fünf Jahren ein Land haben, in dem wir familienfreundlich denken und leben, in den Lokalen, auf der Straße, in den U-Bahnen, den Hotels, ohne dass Kinder als Störenfriede empfunden werden, dann wäre uns viel gelungen.

Warum ist das in Skandinavien und in Italien anders als bei uns?

Weil es bisher keine Stimme für die Familien gab. Also eine Person, die sich dieses Themas stark angenommen hätte, die diese hohen Investitionen in die Familie auch nach außen hin kommuniziert hätte.

Es gibt bei der Familienförderung zwei Denkmodelle: das eher christlich-soziale Modell der direkten Förderung und das eher sozialdemokratische des Ausbaus der Kinderbetreuungseinrichtungen. Welchem neigen Sie eher zu? Beiden wahrscheinlich.

Es trifft auch beides zu. Es geht um das Wohl der Familien in unterschiedlichsten Lebenskonzepten. Ich überlasse das dem Einzelnen, da gibt es eben unterschiedliche Zugänge mit unterschiedlicher Förderung. Aber man muss sicher sagen, dass wir bei der Anzahl der Kinderbetreuungsplätze bei den unter Dreijährigen in einem skandalösen Feld sind.

Soll es einen Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz wie in Deutschland geben?

Von der Grundidee ist das überlegenswert. Nur muss man das eben auch finanzieren. Und wir haben auch das Nulldefizit im Auge.

Was ist für Sie Familie – Vater, Mutter, Kind?

Ich will keinem ein Ideal vorgeben. Jeder soll seinen Zugang finden.

In der veröffentlichten Meinung wird das Vater-Mutter-Kind-Modell seit geraumer Zeit ja eher abschätzig bewertet.

Als bürgerlicher Langeweiler?

So in etwa. Patchwork, heißt es, sei nun das Maß der Dinge.

Den Eindruck habe ich gar nicht. Alle Studien, die wir gemacht haben, besagen das Gegenteil. Aber es gibt eben verschiedene Lebenskonzepte, die klassische Familie, die Patchworkfamilie, Alleinerziehende. Das ist alles anzuerkennen, zu respektieren und zu fördern. Auch den Frauen gegenüber, die sich entschieden haben, zu Hause zu bleiben, muss man Wertschätzung entgegenbringen.

Gibt es da genug Wertschätzung?

Nein, finde ich nicht. Es gibt viel zu wenig Wertschätzung den individuellen Lebens- und Familienkonzepten gegenüber. Es wird immer noch viel mit Stereotypen gearbeitet: Ein Mann, der zu Hause bleibt, ist ein Warmduscher. Oder die Quotenfrau. Das will ich in fünf Jahren alles nicht mehr hören.

Sollen Homosexuelle Kinder adoptieren dürfen?

Ich bin einmal froh, dass es nun die Stiefkind-Adoption gibt. Das ist ein Riesenschritt. Alles weitere muss man sich im Detail überlegen.

Ist der Papamonat nun fix?

Nein. Wobei ich allein den Begriff schon problematisch finde. Heißt das, der Papa ist mit seinen Betreuungspflichten nach einem Monat aus dem Spiel?

Sind Sie religiös?

Ich bin römisch-katholisch. Wie ich meinen Glauben lebe, ist Privatsache.

Glauben Sie an Gott? Sie können jetzt auch sagen, das geht Sie nichts an.

Ja, bitte.

ZUR PERSON

Sophie Karmasin, geboren am 5.Jänner 1967 in Wien, studierte Psychologie und Wirtschaft und wurde bekannt als selbstständige Meinungsforscherin. Die Geschäftsführer-Funktionen in ihren Firmen hat sie zurückgelegt. Diese werden vorerst wieder von ihrer Mutter, Helene, geführt. Sie ist verheiratet und hat zwei Kinder.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.12.2013)

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